Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

58 „Dann lassen Sie doch das Geld nock hier. „Das kann ich nicht,“ entgegnete der Chef ziemlich unentschlossen. „Die Aufgabe lautet auf rasche Beförderung und wurde sehr bestimmt gemacht! Das Geld muß heute abgehen, ob mit, ob ohne Wagen meister, das ist gleich!“ fügte er dann mit festerer Stimme hinzu. „Was meinst Du nun, Butler, willst Du es mitnehmen und durchzubringen versuchen?“ Butler lachte. „Gewiß, Herr, ich will es mitnehmen, das gehört einmal zu meiner Pflicht! — Lassen Sie die Kiste unter meinen Sitz befestigen und leihen Sie mir Ihren Revolver — denn ich könnte doch zwei benöthigen!“ Damit nahn er des Expeditionschefs Revolver vom Pult und steckte ihn in seinen Stiefel¬ schaft. „Ob ich es durchbringen werde, Herr das ist fraglich, weil diese Hunde vor Straßenräubern mir jedenfalls anzukommen versuchen werden! Aber das darf ich Ihner versprechen, komme ich lebendig von ihner ab, dann kommt das Geld mit mir! Gerührt von solchem aufrichtigen In¬ teresse für die Expedition drückte der Ex¬ peditionschef Butler warm die Hand und klopfte ihm dankbar auf die Schulter. Danr wurde die Bureauthür aufgeschlossen, Butler stieg zu Boden, währenddem der eiserne Geldbehälter ihm unter seinen Füßen be¬ festigt wurde. Ein einziger Passagier, ein altes Weib welches auf der ersten Station Fargo ab¬ gesetzt werden sollte, stieg ein und mit lustigem Peitschenknall zogen die Pferde an. Die Kutsche bewegte sich zuerst nock etwas schwerfällig auf der aufgeweichten Landstraße bis sie den Gebirgsweg nehmen konnte, auf dem sie rascher dahinrollte. Die Vermuthung, heute einen der Mai¬ Regentage vor sich zu haben, bestätigte sich nicht. Die Sonne brach durch die Wolken, sie hatte bald eine angenehme Wärme ausgestrahlt, in der sich Butler recht behaglich fühlte. Gegen 10 Uhr hatte er bereits zwanzig Meilen hinter sich frische tüchtige Pferde vor dem Wagen dessen Passagier ausgestiegen war, so wett¬ eiferte Buttler's Angesicht mit der freude¬ beleuchtenden Sonne. „Copper Tom oder irgend einer seiner Collegen wird mir sicherlich nicht in der Teufelsschlucht auf¬ passen, habe ich diese erreicht,“ sagte Butler für sich, „so bin ich auf einer Wegstrecke, auf welcher ich sehen möchte, wer mich dort halten wollte, denn wenn er nicht zuerst schießt, muß er von jedem tüchtigen Pferdelenker unter die Füße seiner Thiere — gebracht werden. Wir werden diese kleinen sieben Meilen in achtundzwanzig Minuten zurücklegen, das ist sicher!“ Er zog die Zügel etwas straffer an als ob er bereits durch jenen gefährlichen Engpaß eilen wollte. monologisirte er „Ja, so ist es!“ — weiter. „Wenn Alles gut geht und der Weg so trocken bleibt, na, dann kann ich wohl heute schon um 5 Uhr meine letzten frischen Pferde nehmen und erreiche die Schlucht vor 6 Uhr. Dann kann ich noch bei Tag durchkommen, ja, kann noch bei Dicksons vor 7 Uhr eintreffen, weiter hinaus ist die Straße zu frei und belebt bis nach Helena, kann deshalb gefahrlos so vorwärts fahren! — Ja, bei Gott, rief er erfreut aus und schlug mit seinen Hacken gegen die schwere Geldkiste, „ich möchte wohl wissen, wo denn eigentlich die Herr¬ Herren Langfinger stecken sollen! — gott, wie, wenn sie nun doch in der Teufelsschlucht lauern? —Daran habe ich noch gar nicht gedacht.“ Butler schwieg einen Augenblick und ernst wurden seine Mienen, dann schien ein Gedanke ihn zu erfreuen, er faßte die Zügel wieder fester, löste seine Revolver, legte sie bequem zum raschen Ergreifen, und schloß, nach tiefem Seufzer seinen Monolog mit der Bemer¬ kung: „Schön, lauern sie mir im Engpaß auf, so heißt es, entweder ich oder sie, da hilft kein Erbarmen! — Trifft ihr erster Schuß mich nicht, dann fahre ich sie nieder, jage sie bis zur Wendung und schieße ihnen meine Kugeln in den Hirn¬ schädel, so wahr mir Gott helfe! — Treffen sie mich — na, dann ist die Beute ihnen sicher!

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