50 Von fernher klingt das lustige Auf¬ jauchzen der kleinen Margot, die eben einen bunten Schmetterling gefangen hat. * * * An einem Juli=Nachmittage kehrte der junge Arzt von Melide, dem reizend ge¬ legenen Badeorte am blauen Lugano=See von Morcote, einem malerischen Bergneste. zu Fuß nach seiner Wohnung in Meli zurück, wie man den Ort in Tessiner Mundart nennt. Der Signor Dottore chritt langsam aus. Die Sonne lag warm am Abhange des San Salvatore und wenig Kühlung wehte vom See herauf. Ir tiefem Sinnen verfolgte der junge Mann seinen Weg. Er kam vom Bette eines Kranken, den er verloren wußte. Was treue Sohnesliebe an dem alten Vater thun konnte, das wurde gethan. Er hatte es mitangesehen, wie sorgsam der Sohr den hinsterbenden Vater pflegte — ach umsonst! So hatte auch er vor wenigen Jahren seinen greisen Vater verlierer müssen und nun stand er ganz allein, wan doch lieb Mütterlein schon längst von ihn fortgegangen. Sie hatten sie ins Grab ge¬ legt, als er noch ein Knabe gewesen war Wie die Zeit doch vergeht! Wie lange das schon her war! Der Vater, der gute, sorg¬ same Vater hatte mit seinen kleinen Ein¬ künften als Lehrer es dem Sohne möglich gemacht, zu studiren. Hatte er selbst kein Bauer werden mögen, so sollte auch seir Sohn keiner sein, nein, sich höher schwin¬ gen, als es dem Vater möglich gewesen war. Und er hatte gearbeitet, wie keiner seiner Mitschüler. Früher als diese durfte er die Universität in Zürich beziehen uni als ganz junger Mann errang er sich sein Diplom als Arzt. Diese Freude hatte der Vater noch erlebt; nun wußte er den Sohn geborgen — und da entschlief er eines Tages trotz aller Pflege, mit welcher der junge Doctor ihn umgab. Nun war er ganz allein — nein doch, seine Bauern, seine Landsleute hier am See, zu dener er, der Heimath getreu, gekommen war hatten ihn lieb und verehrten ihn. Er war in sich zufrieden. „Um Verzeihung, mein Herr ——“ Der junge Mann fuhr auf aus seinem Sinnen und zog, als er zwei Damen, eine ältere und eine jüngere, vor sich sah, höf¬ lich den breiten Strohhut, der sein braunes Gesicht beschattete. „Um Verzeihung, sind wir hier wohl auf dem rechten Wege nach Melide?“ „Ja gewiß, Signorina,“ wendet der Arzt sich zu der Sprecherin, einer schönen, chlanken Blondine, die, ein freundliches Lächeln auf dem feinen Gesichte, aus großen Augen ihr Gegenüber anschaut. „Ist es noch weit? Wir sind von Morcote zu Fuß gekommen und wollen jetzt den Dampfer nach Lugano nehmen. „Da wird es aber Zeit,“ meinte der Doctor, „das Schiff muß bald kommen. 7 Ja, es muß bald kommen — übrigens Ein Gedanke überfällt ihn. Plötzlich fragt er: Sie kennen das Land anscheinend meine Damen? Ist es vielleicht nicht das erste Mal, daß Sie Lugano besuchen, oder2 Riccardo Campioni hat dabei das schöne, blonde Mädchen fest ins Auge ge¬ faßt. Sein Gesicht ist ernst, als ringe sein Geist mit einer Erinnerung. Auch das Mädchen schaut ihn an Die Mama — es ist offenbar ihre Mutter —antwortet, welche die Tochter begleitet ehe die junge Schönheit Worte gefunden hat Wir waren vor etwa einem Dutzend Jahre einmal längere Zeit hier. Meine Tochter war damals ein Kind und leidend, der Aufenthalt in diesem herrlichen Klima geboten. Diesmal bin ich es, die ein altes Leiden zwingt, nach dem Süden zu gehen und so sind wir wieder hieher gekommen Aber, der Dampfer, Monsieur... „Ich heiße Riccardo Campioni!“ „Monsieur Campioni,“ fuhr die alte Dame fort, „könnten Sie uns vielleicht einen etwas kürzeren Weg weisen? „Wenn die Damen gestatten, erlaubte ich mir, Ihnen diesen, der allerdings erst nahe dem Orte abbiegt, selbst zu weisen.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2