Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

folge gekrönt. Keuchend schwamm der Hund den Steg entlang, dem Ufer entgegen, was ihm auch gelang, so lange das Wasser tief war. Sobald aber des Försters schwerer Körper den Grund berührte, reichte die Kraft des Hundes nicht mehr aus. Er mühte sich vergebens ab und wimmerte leise, angstvoll. In diesem Augenblicke wurden am Ufer Schritte hörbar. Wenzel, der die Stelle passirte, vernahm das seltsame Geräusch im Wasser. Schnell eilte er die Brücke hinauf. Rasch die Situation erfassend, prang er in den See und trug den an¬ cheinend Leblosen auf das feste Land Allerdings widersetzte sich Pluto diesem Be¬ ginnen mit thierischem Unverstand und zer¬ biß dem Retter Hände und Beine, was dieser aber mit wahrem Heldenmuth er¬ trug, ohne sich in seinem menschenfreund¬ lichen Werke hindern zu lassen. Immerhin wurden durch Pluto's thät¬ lichen Protest die weiter nöthigen Maß Als nahmen fast unmöglich gemacht. des Wenzel sich anschickte, den Oberkörper anscheinend Ertrunkenen zu entkleiden, ihr auf die Vorderseite zu legen und durch Drücken der Rippen das eingedrungene Wasser aus dem Körper zu entfernen, fiel ihn der Hund so wüthend an, daß er die weiteren Maßnahmen verzweiflungsvoll einstellte. Er wußte, daß nur augenblick¬ liche energische Wiederbelebungsversuche von Erfolg sein konnten, wenn überhaupt ein solcher noch zu erhoffen war, jede thatlos verbrachte Minute wurde zum Verderben Er war völlig rathlos, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben. Die Aufregung, die Kälte der nassen Kleider und der Schmerz der ihm vom Hunde zugefügten Wunden ließ seine Zähne wie im Fieber aufein¬ anderschlagen, und trostlos sah er sich nach Hilfe um, auf die er unter den obwalten¬ Umständen nicht rechnen konnte, wie er den elbst sagen mußte. sich Und dennoch nahte die ersehnte Hilfe in der Person seines jungen Freundes Hans. Als sich nämlich der alte Wenzel aus dem Wohnzimmer seines Hauses entfernt 45 hatte und nach längerer Zeit nicht zurück¬ kam, schöpften die Liebenden Verdacht. Leoni's Besorgniß steigerte sich zur Angst, als sie entdeckte, daß der Vater sein Mütze, die er sonst am Ofen an einen Nagel zu hängen pflegte, heimlich mitgenommen hatte. „Hans,“ sagte sie, „thu mir die Liebe und lauf' dem Vater nach. Ob er mit Deinem Vater zusammentrifft oder nicht ein Unglück gibt's auf jeden Fall, mein Herz, eine Ahnung sagt es mir. In der Osternacht ist das Wasser heilig. Wer ihm da in unheiliger Absicht naht, der kommt darin um. Du sollst sehen, es gibt ein Unglück.“ Hans glaubte freilich an Dergleichen nicht, die Angst der Geliebten aber rief doch ein ähnliches Gefühl in seiner Brust hervor und deshalb eilte er beflügelten Schrittes dem See zu. Da vernahm er in weiter Ferne das Gebell und Geheul des Hundes. Die Nacht war still und weithin trug der leise Wind die verhallenden Töne. Nun lief er, so schnell ihn die Füße zu tragen vermochten, dem Schall nach und gelangte athemlos an die Unglücks¬ tätte in dem Augenblick, als Wenzel völlig zu verzweifeln begann. Pluto sprang chweifwedelnd an ihn empor und ließ nun Alles geschehen, was man mit seinem Herrn vornahm. Die beiden Männer hatten sich etzt nichts zu sagen. Hans fragte nicht er hatte die Situation mit einem Blick übersehen. Wenzel dagegen hatte mehr zu hun, als zu erzählen. Schweigend arbei¬ teten sie mit Ausdauer und Sachkenntniß. Die Anwohner des Attingsees hatten oft Gelegenheit, ihre Geschicklichkeit in der Be¬ handlung Ertrunkener zu beweisen, denn der See fordert Jahr um Jahr seine Opfer. Lange blieben die Bemühungen der Männer ohne Erfolg. Aber endlich zeigte sich doch ein schwaches Lebenszeichen und dann konnten sie ihre Aufgabe als gelöst betrachten und den bewußtlosen, aber noch lebenden Förster zum Dorfe tragen. Da es darauf ankam, ihn sobald wie irgend möglich zu erwärmen, brachte man ihn in

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