Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

42 Irgend etwas schien im Werke zu sein, und er konnte nicht eingreifen, nichts ver¬ hindern. Vielleicht doch! Vielleicht war es noch nicht zu spät. Er springt auf, zündet sich ein Pfeifchen an und verläßt das Haus. Der Wind wehte heftig, aber mild und weich. Der im Abnehmen begriffene Mond ward nur auf Augenblicke sichtbar. Schwere dunkle Wolken zogen darüber hin. Es war eine richtige Frühlingsnacht. Die Natur begann zu erwachen, der Wind sang ihr das Auferstehungslied. Morgen ist ja Ostern. Der Winter ist ja vergangen und die Hoffnung auf kommendes Glück keimt und sprießt in aller Welt. Und doch gibt es Herzen, in denen es nicht Ostern werden will. Da hält der Winter seine finstere Macht aufrecht und die Geister des Un¬ heils triumphiren. Mit solchen und ähnlichen Gedanken beschäftigt, schlug Hans denselben Weg ein, den sein Vater vor Kurzem gegangen war. Auch er sah durch die Spalte des Fenster¬ ladens. Dann klopfte er viermal mit dem Finger daran. Gleich darauf wurde von innen die Hofthür geöffnet. Leoni ließden Geliebten herein. „Du kommst spät, Hans,“ sagtesie leise, „und ich habe Dir Wichtiges zu sagen. Ich habe mich sehr geängstigt. Denke Dir, der Vater will an den See. Er hat es sich in den Kopf gesetzt, partout ein Gericht Hechte zum Fest auf den Tisch zu bringen. Es ist vielleicht recht kindisch aber ich fürchte, ihm passirt etwas dabei. Hans schrak zusammen. „Der Vater darf auf keinen Fall gehen, sagte er, „aber —nun, lass’ mich nur machen.“ Dann gingen sie ins Wohnzimmer, wo Hans der Liebsten von dem Auftritt er¬ zählte, den er daheim gehabt hatte. Und als sie darüber zu weinen begann, küßte er ihr die Thränen von den Augen. Nach wenigen Minuten trat der Haus¬ herr ins Zimmer. Grüß Gott, Hansel,“ sagte er. „Noch pät? so Hans erwiderte den Gruß des Alten und sah ihn scharf an. „Vater Wenzel,“ sprach er dann, „Ihr habt noch was vor, gesteht's nur.“ „Aha, meinte Wenzel, „die Dirn hat geschwätzt. — Na meinetwegen — Sie verrathen's ja nicht. Es ist so, ich will an den See. Feiertag morgen und nicht 'mal 'n rechtschaffen Gericht Fische auf dem Tisch, das wär' mir was.“ Hans blickte zu Boden. „Vater Wenzel, begann er nach einer kleinen Pausé,“ wie Ihr's treibt, ist's nicht recht. Ihr wißt, daß Jagd und Fischerei dem Grafen ge¬ hören und daß mein Vater ihn nach Pflicht und Gewissen vor Schaden hüten muß. Ihr thut's auch nicht wegen der paar Pfennige, die Ihr für die Thiere bezahlen müßt, es ist Euch bloß um die Lust zu thun, meinen Vater zu kränken. Und warum das?“ Der Alte lachte vergnügt. „Sie haben Recht, Hans, meinte er dann, „es ist mir nicht ums Geld zu thun. Wie der elige Graf von Attingen noch lebte, wurde es freilich nicht so genau genommen. „Kinder,“ sagte der, „die paar Hasen und Fische, die Ihr im Dorf gebraucht, nehmt Euch in Gottes Namen, 's ist genug in Wald und See. Nur Handel treibt mir nicht damit, sonst holt Euch Dieser und Jener.“ — Na ja, jetzt ist's ja anders und 's ist gut. Aber lassen kann ich's deshalb doch nicht, eben weil's Ihren Alten so wurmt. Weshalb ich ihn nicht in Ruhe lasse? — Ich will Ihnen was agen. — Als ich noch so 'n Bub war, wissen Sie, so 'n Taugenichts, da war's meine größte Lust, die großen bissigen Hunde zu ärgern. Ich richtete es aber immer so ein, daß ich auf irgend einen Baum oder Zaun echappiren konnte. Und wenn dann so ein wilder Kläffer die Zähne letschte und in die Luft schnappte, so war das mein Hauptgaudium. Und so hab' ich's mit den Jungens auch gemacht. Wer sich darüber nicht ärgerte, der hatte bald Ruhe vor mir, weil ich keine Freude an ihm hatte. Ihr Alter aber, Hansel, der schnappt heute noch nach mir.“ Er faßt Euch doch mal, Vater Wenzel,“ warnte Hans, „und dann beißt er Euch

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