Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

36 Ja — und die Zwei! Welch kühne Entschlossenheit blitzte aus Gretle's prächtig feurigen Augen? Ich sah's ihnen an die waren einig und fest. Aber ich wollt's ihnen zeigen, welch Rechte ein' Vatter auf Gottes Erdboden über die Kinder zu¬ g'messen sein. Jetzt sagt' der Hansl mit seiner tarken Stimme, und 's Gretle schmiegt' ich ganz fest an sein' Arm: „Hier, Herr Vatter — das is mein Her¬ zensmädel, und das will ich auch heirathen!“ Pechheiß lief's durch mein Gehirn. Wüthend schrie ich: „Was nimmst Du Dir heraus, Bursch, nixnutzer? Hab' ich Dir net g'sagt, daß ich nimmer mein' Ein¬ willigung zu solcher Eh' geb'?“ Aber der Herr Nachbar Kormann wird lieb sein und Vernunft annehmen, schmeichelte mir das Gretle, „net wahr? Ihr werd' gut und väterli mit uns Zwei sein, wann ich Euch sag', daß mein Herz dem Hansl g’hört für Zeit und Ewigkeit, und daß ich von ihm net lassen kann, net im Leben, net im Tode! Gelt, Herr Nachbar —— — Ihr wollt Das Gretle hob die Händ' bittend empor und neigte das braunlockige Köpfle zur Seiten. Sie sah lieb aus, wie der Wind all die krausen Locken ihr ums ros'ge Gesicht trieb und ihre Augen schier treuherzig mich anschauten. Die Wuth aber verblendete mich. Beelzebub' is Dein Nachbar, Du Betteldirn!“ schrie ich außer mir. Da schwebte die geballte Faust Hansl's — ich sah ihn dicht über mein'm Kopf wild an — das Gretle aber riß seinen herunter, „Hansl, 's is Dein Vatter, Arm ie mild, „darfst's net vergessen, mein sagt' Lieb'!“ Mein Bub' ließ die Hand sinken. „Ihr seid verhext, Vatter!“ so sagt er dumpf, „nehmt Vernunft an oder 's uns Beiden!“ reut Ich schäumte vor Wuth. Was? Mir — das dem reichen, gefürchteten und ge¬ achteten Kormann? Mir das — von meinem Einz'gen vor alle Leur „Und ich sag' Dir's zum letzten Mal, und schwör's hier unter dem blauen Himmel! So lange der Erdboden mich tragt, geb’ ich's net zu, daß mein Sohn, der reiche Hans Kormann, ein' Betteldirn' freit!“ Es war dunkel g’worden da drüben, und jetzt grollte ein mächtiger Donner¬ chlag über uns. Die Dienstleut' thaten erschreckt sich bekreuzigen. Auch mir kroch's kalt durchs Geblüt. Hand in Hand standen die Beiden, entschlossen und blitzenden Auges. est „Das is Dein letztes Wort, Vatter?“ Der Bub’ fragte es zögernd, und ich deutli, wie seine breite Brust keuchte. hört „Mein letztes! So lang' ich leb', wird Dirn' net Dein!“ die Da riß der Hansl das Gretle stür¬ misch an die Brust, küßt's auf Stirn und Mund und rief: „Sie wird es, Herr Vatter! Sie wird wenn auch nur im Tode!“ es doch — Damit wandte er sich ab und ging, Gretle immer umschlungen haltend, das langam davon. Bald war auch das Gewitter da. Wir hatten alle Hände voll zu thun, um den Gottessegen unter Dach zu bringen. Ingrimmig fuhr ich heim. Meinem Weib, der Anne=Marie, ging ich aus'm Weg. Daß die Mägd' schon eschwatzt hatten „vom G'schehniß auf'm Feld“, sah ich an ihren rothgeränderten Augen. Aber das machte mich nur noch wilder: Auch die Mutter litt um den Nixnutz. An dem Abend ging ich zeitli ins Bett, ohne zu wissen und ohne zu schauen, ob der Bub' daheim sei — ich wollt's nit wissen. Dennoch konnt' ich lang' net ein¬ schlafen — immer mußte ich an die Beiden denken, wie sie so entschlossenen Sinnes, Hand in Hand vor mir g’standen und mich trotzig ang'schaut hatten. Ueber Alledem vergaß ich an dem Abend mein Nachtgebet zu sagen Es war früh am Morgen und ich stand

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