48 „Vielleicht gelangt er doch noch in meines Vaters Hände. Wollte der Himmel, daß auch bei mir das SylvesternachtsOrakel einträfe, damit ich gewiß sein mag, daß es auch für ihn recht prophezeit!" „Das Sylvester-Orakel?" „Das Bleigießen. Gertrud, meine Schwester, starb, wie ihr voraus verkündet worden; meiner harrt die Todeskugel in diesem Jahre und seiner" — er hielt inne und helle Freude strahlte aus seinen Augen — „und seiner das Richtbeil!" „Possen und Narrethei," erwiderte der Lange, der sich plötzlich auf die Rechte stützte und den Körper halb vom Erdboden erhob, „aber schau, dort scheinen die Vögel zu kommen, denen unsere Falle gilt!" Auf der Landstraße blinkten in der Entfernung von einigen hundert Schritten Waffen und Blechhauben. „Sie sind's!" rief Otto mit fliegendem Athem. „Heissa, wie freu' ich mich auf das Fechten!" ... In aller Stille formirten sich die städtischen Rotten und als die Schweden an den trefflich Verborgenen vorübergezogen waren, da wurden sie im Rücken angefallen. Die Wegelagerer hielten sich wacker, wußten sie doch, was ihrer harrte, und Jedem war der Tod lieber, wie die Gefangenschaft. Sie wehrten sich muthig, hieben und schössen manch Einen von den Angreifern nieder, aber es war umsonst; bald waren sie von den weitaus Ueberlegenen entwaffnet und gefesselt.---------- Der lange Riese kniete auf der Brust eines Gegners, der erst nach verzweifeltem Widerstände niedergeworfen werden konnte. Der Lange war in wortloser Wuth, denn der Unterliegende hatte ihm in letzter Secunde noch einen heimtückischen Dolchstich in den Schenkel beigebracht. In seinem sinnlosen Zorn ergriff er das Messer, das an seiner Seite hing, und erhob es hoch in die Luft, in der Absicht, dem Ueberwundenen den Garaus zu machen. Da erklang in der nächsten Nähe ein röchelndes, kreischendes „Halt!", daß er unwillkürlich den Arm wieder sinken ließ. „Ich bitte dich, Friedel, berühr' ihn nicht, bring' ihn heil nach Wien!" sagte der in der Nähe auf dem Boden liegende Söldner, der die Rechte fest auf die Brust gepreßt hielt, von der das helle Blut ins Gras rieselte. „Otto!" rief der Riese, von dem Geknebelten ablassend und sich den, todtwunden Freunde zuwendend, über dessen Antlitz bereits die Schatten des Todes zogen. „Ich hab' mein Theil — das Orakel — behüt' dich Gott, Friedel, und gib — mir — Acht auf ihn!" Dann ließ er die Hand von der Wunde und sein Haupt sank nach rückwärts zu Boden.--------- Der lange Friedel befolgte getreu deu letzten Wunsch des todten Freundes. Junker Bela, der Spion, wurde wohlbehalten dem Meister Zirbelein überbracht, der ihm, nebst zwei Anderen, am 19. August, zur wohlverdienten Strafe für all' den begangenen Verrath, den Kopf vom Rumpfe hieb. Drei Tage lang blieb dasselbe beim Nothenthurmthor allem Volke zum abschreckenden Exempel ausgestellt. Lustige Wiener Geschichten. Von HtloKar Hann-Mergler. Gommiß - Weihnachten. Ein Kasernen-Jdyll. Seit einer Woche arbeiteten die Maroden unt Feuereifer an der Herstellung des farbigen Schmuckes, der am Weihnachtsabend auf dem Compagnie-Christbaum prangen und Herz und Auge des kleinen Kriegerhäufleins erfreuen soll, das an diesem Abend, wo sich in jeder Brust das Heimweh regt, fern von der heimatlichen Scholle weilen muß. Fast zu einem Zuge ist die Compagnie zusammengeschmolzen. DieGlück- lichen, welche vom „Alten" — mit dieser halb respectslosen, halb schmeichelhaft- Pietätvollen Bezeichnung ist der allzeit gestrenge Herr Hauptmann mit furchterregendem „Schnauzbart" gemeint — beim lebten Rapport Urlaub erhalten haben, stnd auf und davon. Sie beeilten flch, aus dem Bannkreise des düsteren Kasernengebäudes und des grimmigen Ulten zu kommen. Diesem war niemals recht zu trauen und man konnte sichs von rhm versehen, daß er die Urlaubsbewilli- gungen, die er einer so großen Anzahl in emer Stunde unbegreiflicher Schwachherzig- , . ertheilt, stracks wieder annulliren werde e, der geringsten Reglementswidrigkeit, und man muß wissen, daß das Auge k."^H"uptmanns fast überall, wohin es }e((.™e auch richten mag, durch den Anblick von Gegenständen oder Situationen veierdlgt zu werden pflegt, welche mit min- 2'? ^^m Dutzend von militärischen Gcsetzesvorschriften in Widerspruch stehen. Kok".«- s ^ ganzen weitausgedehnten S e, lagE fcU Bormittags friedliche ?" einem sonnigen Sommer- Wnntag nach der Befehlsausgabe; die großen denn ^^ Uerodet, ebenso die Gänge, denn d,e Soldaten, welche den festlichen Abend im kameradschaftlichen Kreise verbringen wollen oder — müssen, haben sich in dem Zimmer zusammengefunden, in welchem auf der großen Tischplatte, die sonst beim Menagiren und Waschen der „Porzellanernen"*) benutzt wird, der mit farbigen Papier und Rauschgold ausstaffirte Tannenbaum steht. Der große Raum ist von einem angenehmen Duft erfüllt, was zu gewöhnlichen Zeiten auch nicht den best- ventilirtenZugszimmernnachgerühmtwerden kann — von einem Aroma, an dem der Geruch des Harzes und der traditionellen „Mohnnudeln" sich betheiligt, die zu Mittag aufgetischt wurden. Mohnnudeln, nicht „Hülsenfrüchte"! Das allein genügt, um eine weihevolle, festliche Stimmung zu erzeugen, denn dergleichen Leckerbissen gibt es in der Kaserne buchstäblich nur „zu allen heiligen Zeiten". Und Abends, weim die Wachslichter erstrahlen, dann wird es an ein noch ärgeres Prassen gehen: aus den „Menage- Ersparnissen" des Tages sind Fische angeschafft worden, Weißfische zwar nur, aber doch immerhin Fische. Und trotz dieser in Aussicht stehenden auserlesenen Tafelgenüsse gibt es Soldaten, denen — sollte man es für möglich halten? — der Urlaubszettel lieber gewesen wäre. Das sind die Schwindler, die Simulanten, die Verbrecher. Man muß nicht an die schrecklichste Bedeutung des letzteren Wortes denken; ein Jüngling, der durchaus nicht Schritt halten will, auch dann nicht, wenn die Blicke eines Vorgesetzten auf seinen Füßen haften, der beim „Aufbetten" die *) Lichten Zwilchbeinkleider. 4
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