Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

46 47 3 ist noch immer eingetroffen, noch immer. . . / Gertrud nahm den Löffel zur Hand, welche derart bebte, daß sie bald das glühende Blei vergossen hätte. Sie wagte es kaum, nach dem seltsam geformten Gebilde zu schauen, das blinkend im Wasser lag. „Ein Sarg," hauchte sie erbleichend. Bela zwang sich zu einem fröhlichen Lachen. „Eine Wiege/' sagte er, indem erste zärtlich an sich drückte. „Doch nun laßt mich mein Glück versuchen!" Wieder prasselte das geschmolzene Metall in die Fluth. Er wollte sichtlich ganz ruhig erscheinen, aber es gelang ihm doch nicht, die Erregung zu verbergen. „Es ist undeutlich," bemerkte er, „gleicht es nicht einem Kreuze?" „Es ist ein Kreuz," erwiderte der Nachrichter mit einem eigenthümlichen Seitenblicke. „Wie ist das auszulegen? Das kann doch nicht sagen, daß ich ein Pfaffe werde im kommenden Jahre?" Er lachte. Und der Alte lachte gleichfalls und leerte den Weinbecher dann auf einen Zug. Und wieder lachte er helllaut auf, aber die Lustigkeit kam ihm mcht aus dem Herzen. Nicht lange mehr saßen die Vier bei- sammen, die Lust zum Trinken und scherzhaften Gespräche war Allen abhanden gekommen, selbst dem Junker. Als sie sich von einander verabschiedet hatten, um sich zur Ruhe zu be- geben, hielt der Henker seinen Sohn noch zurück. „Er weiß genau so, wie wir, was er gegossen. Merktest du, Otto, wie er sich verfärbte bis in die Lippen? Das war kein Kreuz, das war..." Und er wies, als fürchte er sich selber, das Wort auszusprechen, anf das an der Wand hängende Richtbeil. „Gott walt's," sagte der Alte, zur Thüre hinanswankend gleich einem Trunkenen, „es ist noch Alles eingetroffen!" IV. Eine schwüle Augustnacht. Die Glühwürmchen flogen und starker Blumeudust durchwogte die Au und den Wald, an dessen Rand zwei Fähnlein städtischer Soldatenknechte auf der Lauer lagen. Von Zeit zu Zeit leuchtete es fern am Horizonte auf, ein herannahendes Gewitter verkündend. Zwei Söldner lagerten unter einem Goldregenstrauch, weitab von den Gefährten; es war ihnen der Befehl geworden, auf- uud abwärts der Landstraße nach dem Gegner, den man hier erwartete, auszulugen, nach den versprengten, schwedischen Rotten, die, nachdem die Kaiserlichen am 26. Juli Korneuburg wieder genommen, die Gegend bis vor die Thore der Hauptstadt mit ihren Plündereien unsicher machten. Stadt und Reich vereinigten sich, diese Landplage zu beseitigen. „Das Räubergesindel läßt sich Zeit", brummte der eine der beiden Knechte, ein riesiger, langbärtiger Gesell mit narben- durchfurchtem Gesichte, der schon manch yeißen Waffentanz mitgemacht und auch jetzt schon wieder unbezwingliche Lust nach einer -blutigen Balgerei haben mochte, „und wenn wir nicht so bestimmt berichtet wären, daß sie hier vorüberkommen, so möcht' ich daran verzagen, daß wir heute noch mit ihnen anbinden." Der Zweite schwieg eine Weile sinnend. Dann sagte er: „Die Ungeduld brennt mir in allen Gliedern; wenn nur die verfluchten Straßenränder schon kämen! Vielleicht" find' ich ihn, den ich suche, unter ihnen!" Er sprach die Worte halb durch die Zähne. „Hm, Otto," sprach der Riese, „ich weiß, du hast doppelte Ursach', die Feinde zu hassen, du mußt deine Schwester, der das Herz brach ob dem Verrath des ung'rischen Schurken, mit der Waffe rächen. Weiß Gott, der edle Junker Bela, der eine Liebelei anfing mit der Henkerstochter, um ungescheut in der Stadt Spionage treiben zu können, er wird längst schon in Sicherheit sein!"

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2