44 Flieder und Akazie dufteten und schmeichelnd strich der laue Nachtwind über die dunklen Büsche.... Hat es nicht auf einmal in den Zweigen da rückwärts geknackt, wie unter dem Fußtritt eines. vorsichtig Anschleichenden?" Der Junker beruhigte das erschreckte Mädchen, aber Gertrud wurde einer un- bestimmten Angst nicht ledig. Es war ihr immer, als umlauere sie eine unsichtbare Gefahr und sie bat ihren Buhlen zum Aufbruch. „Sieh', das Abendroth ist schon verglommen, die Fledermäuse flattern in der Luft und der Mond sendet seine silbernen Strahlen hernieder, die an uns zu Ver- räthern werden können. Komm', Bela, ich ängstige mich hier." . . . „Wenn ich und dies Schwert in deiner Nähe sind, Närrchen?" Da kreischte das Mädchen auf und klammerte sich ängstlich an den Geliebten. Kaum fünf Schritte von den Beiden entfernt, stand ein Mann, der eben aus dem Gesträuche getreten war, vor ihnen. „Otto, mein Bruder!" stöhnte Gertrud. Bela hatte die Rechte an das Schwertkreuz gelegt gehabt, nun ließ er es wieder fahren. „Dein Bruder?" „Der von euch wissen will, Herr, ob es euch auch bekannt, wer diese thörichte Dirne ist? Wir sind unehrlich Volk, Frei- mannsgesindel *), dessen Nähe gefürchtet ist, ärger wie der schwarze Tod. Der Blick aus unseren Augen bringt Schmach Demjenigen, den er streift, der Hauch aus unserem Munde ist böser denn Pesthauch und unsere bloße Berührung bringt Euch mehr Schimpf wie Meuchelmord und Kirchenraub. Aber trotzdem, beim heiligen Gott, schlag' ich den nieder, der sich erdreistet, mit der Freimannstochter, mit meiner Schwester, frevlerisches Spiel zu treiben!" Die mächtige Brust des Jünglings *) „Freimannsgesindel" war die officielle, in den Gesetzbüchern vorkommende Bezeichnung für den Henker und seine Angehörigen. hob und senkte sich machtvoll und dräuend trat er jetzt auf den Mann zu, der sich aus den Armen des bebenden Mädchens mit sanfter Gewalt loslöste. „Gemach, Freund," sagte der Ungar gelassen, „sorgt, daß mir das Blut nicht siedend werde, sonst möchtet Ihr es bereuen. Laßt uns in Ruhe Zwiesprach halten. Ich bin ebenso ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Anderen wie Ihr, ich werde nicht minder verfolgt wie Ihr. Einen ungarischen Edelmann seht Ihr vor Euch stehen, der, weil er sich den Rebellen anschloß, verfolgt und gehetzt wurde und für den es keine Rückkehr mehr gibt. Wie ein Traum liegt meine Vergangenheit hinter niir und ich will ein neues Leben beginnen — an ihrer Seite." Er wies auf Gertrud und beobachtete lauernden Blickes, welchen Eindruck seine Worte auf den Jüngling hervorgebracht. „Führt mich zu dem Henker von Wien, ich bin gewillt, ihn zu. befragen, ob er mich zum Eidam nehmen mag!"--------- in. In der letzten Nacht des Jahres 1645 wurde, wie man im Volke sagt, vom heiligen Petrus gar tüchtig „das Bettzeug ausgeklopft". Es stöberte mit solchem Ungestüm, daß die niedrigen Hausthore fast zugeweht waren, und dabei fegte ein eisiger Nordwind stoßweise durch die Gassen, in denen infolge dessen, entgegen anderen Jahren, von einem lustigen Sylvesternachtstreiben in ganz Wien nicht das Geringste zu verspüren war. Freilich, die Zeitläufte erschienen auch gar nicht zu lustigem Kurzweil angethan und standen auch die Schweden gleich nicht mehr vor den Thoren, sondern rumorten im Norden des Reiches, sonderlich in Mähren, herum, so mußte man von dem verwegenen Torstensohn doch immer einer plötzlichen, unerbetenen Visite gewärtig sein. Das gab eine recht trübselige Jahreswende und man fand es am passendsten, sie nicht mit Schlittenfahrten und ähnlichen Belustigungen, sondern hübsch ruhig innerhalb der vier Wände zu begehen, mit allerlei Spielen und manch abergläubigem Zeitvertreib. Im Hause des Nachrichters, das sich mit dem Rücken an das Rathhaus in der Wipplingerstraße anlehnte, saßen beiui wacker kreisenden Weinkruge die vier Leute, welche jetzt die Einwohnerschaft bildeten, in der guten Stube beisammen, Meister Zirbelein, seine beiden Kinder und der Bräutigam Gertrud's. Die Knechte waren bei den Hundsschlägern und Abdeckern beim Schottenthor einquartirt. Es war ein unheimlich Gemach, diese „gute Stube", und schwachmüthigen Leuten wäre wohl ein Gruseln angekommen beim Anblick des blanken Richtbeils, das mit den Brandzeichen, Kneipzangen und sonstigen Geräthen des schrecklichen Handwerks — gleichsam als wären dieselben nichts Anderes als Zierrathen — an der Wand hing. Aber Gewohnheit stumpft ab und so betrachteten die Scharfrichtersleute diese Geräthschaften, au denen schon das Blut so vieler Verbrecher klebte — denn damals hatte der Meister Freimann stets vollauf Arbeit — kaum mit anderen Blicken, als wäre der Bürgersmann sein Zunftzeichen oder Wahrschild des Gewölbes. „Nun ist genug gezecht," sagte der alte Frermann, als sich Gertrud erhob, um die Kanne neu zu füllen; „seht, Mitternacht rst nicht mehr fern, und so wollen wir, wie's Brauch in dieser heiligen Nacht, mag"" Un$ ^ Zukunft bescheren „Du weißt, Junker," wendete er sich au Bela, dessen Gesicht bereits der Wein stark geröthet hatte, „unsere Hantirung macht abergläubisch und wir sind selbst wohl erfahren in manchen geheimen Künsten, die sich forterben vom Vater auf den Sohn und die in diesen kriegerischen Zeiten uns schier in Ansehen gebracht wenigstens bei Söldnern, die es zu schätzen wissen, wenn man sie fest*) macht. Sei *) »Fest^ gleich durch Amulette gegen Schuß, Hieb und Stich geschützt. 45 dessen gewiß, Junker, wenn du den St. Jürgenthaler am Leib trägst, den ich dir verehrt, so kannst du getrost in den dichtesten Kugelregel gehen, und wenn die Hiebe hageldicht um dich fallen, dich trifft keines Schwertes Schärfe." Der Angesprochene lächelte. „Früher hätt' mir's Nutzen geschafft, da ich noch Landsknecht war, doch nun!" „Man soll's nicht verschwören^ morgen kann der Kriegstanz wieder von Neuem losgehen," bemerkte Otto sinnend. Inzwischen hatte das Mädchen ein mit Wasser gefülltes Becken auf den rohge- zimuierteji Tisch gestellt. „Wir wollen das Blei-Orakel befragen," nahm der Alte wieder das Wort, „das hat noch immer die Wahrheit verkündet, wenn es so vorgenommen wird, wie ich dich's jetzt lehren will. Hier ist Blei von Kirchenfenstern, da die Kelle aus der Folterkammer des Amtshauses und hier ein Schlüssel, dessen Bart kreuzförmig ist. Und nun beginnt. Ich alter Mann habe nichts mehr zu fürchten und zu erwarten, aber Ihr, junges Volk, müßt an die Zukunft denken. Fang' du an, Otto, wenn die Zwei sich scheuen, das zu erfahren, was ihnen bevorsteht." Otto nahm die mit Bleistücken gefüllte Kelle und hielt sie über die Flamme; als das Metall zerschmolzen war, goß er es durch den Schlüsselgriff in das aufzischende Wasser. Glatt und fast völlig rund lag das Metallstück in dem Becken. „'s ist schwer zu deuten," sagte der Alte nachdenklich. „Nicht schwer," erwiderte der Jüngling leise, „das ist eine Musketenkugel. Ich weiß, was mir das kommende Jahr bringen wird." Plötzlich trat eine beklommene Stille ein. Mit scherzhaften Worten suchte Bela die Verstimmung zu bannen, doch umsonst, der Jüngling blieb still und in sich gekehrt fortan, sowie der Alte, der leise und mit zitternder Stimme vor sich hin- murmelte:
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