Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

42 bei der Rantionirung/der gefangenen kaiserlichen Generale bewiesen. Mag man sich denken, wie die seltsamen Gäste umdrängt und begafft wurden. Und der Weg bis zum Sterngassel, wo sie im Einkehrwirthshaus „zum blauen Hecht" Absteigequartier nahmen, war von einem gar neugierigen Völklein erfüllt. Ei, wie sich die schmucken Mädeln da beinah' die Augen aus dem Kopfe guckten! Und wie Jede, der ein freundliches Wort, ein feuriger Blick irgend eines der schwedischen Recken galt, stolz erröthete! Schöne Männer waren das, ausnahmslos, und wohl eigens ausgewählt von Torstensohn und reich ausstaffirt, daß sie schier edlen Rittern mehr als Landsknechten glichen. Denn das waren sie zweifelsohne, dafür bürgte schon ihr loses, keckes Gehaben. Kein hübsches Mädchen stand da im Spalier, mit dem sie nicht allerlei Schabernack spielten und manch Eine mußte die Flucht ergreifen vor den sieggewohnten Kriegsknechten. Einer insbesondere that es den Uebrigen zuvor; er war nicht flachshaarig und blauäugig wie seine Genossen, sondern schwarz und dunkeläugig, auch von kleinerer Gestalt und schien ein Kuruzze, irgend einer von den Söldnern des Rakoczy zu sein. Als der kleine Zug herabkam zur Donau, da sprang der übermüthige Gesell plötzlich zur Seite, faßte ein liebliches Kind um die Hüfte, das — ein wenig abseits von der übrigen Menge, als meide es diese oder sei selber gemieden — da- stand und neugierigen Blickes die gefürch- teten Schweden musterte, und küßte die Widerstrebende auf den blühenden Mund. Durch die Zuschauer ging ein Aufschrei und das Mädchen erblaßte. Eilig entfernte sie sich; der Landsknecht blickte ihr strahlenden Auges nach, als sei er noch immer gebannt von ihrer Holdseligkeit und Anmuth. Da trat ein mit dem Schurzfell bekleideter Küfer auf ihn zu und sagte derb lachend: „Eine saubere Dir»', die Einem den Kopf verdrehen könnt'; aber ich wett', Kamerad: Ihr wolltet, Ihr hättet sie nicht berührt, wenn ich euch verkünde, wer sie ist. Ihr habt die Tochter des Meisters Zirbelcin, des Freimannes von Wien geküßt!" Ein Gemurmel ging durch die Menge. „Eine Unehrliche!" „Eine Ausgestoßene!" Der Landsknecht wurde blutroth. War es aus Scham, war es aus Zorn über die Schmach, die er sich zugefügt? Schweigend und raschen Schrittes folgte er den Anderen. —---------------- II. Flieder und Akazie dufteten und lau strich der Abendwind durch das stachelige, mit bienenuuischwärmten Blüthen über und über geschmückte Strauchwerk. Halb verborgen durch die Schatten desselben wandelten zwei Männer, die mit gedämpfter Stimme, als fürchteten sie, belauscht zu werden, ein Gespräch führten, auf der Bastei langsamen Schrittes hin und wieder. „Treu meinem Muth und meiner Verschlagenheit, Oberst," sagte der Eine, in welchem wir den Krieger Torstensohn's wiedererkennen, der mit des Scharfrichters Kind auf öffentlicher Straße gekost, „man glaubt in der Stadt, daß mich lediglich die Buhlschaft mit der schönen Gertrud zurückgehalten und kein Schatten eines Verdachtes ruht auf dem verliebten Landsknecht. So kann ich der Sache Rakoczy's bessere Dienste leisten, wie ihr Alle mit dem Pallasch in der Faust." „Du spielst ein verwegenes Spiel, Junker Bela, und ich bin in größerer Sorge um deinen Kopf wie du selber; doch sei es so, wie du wünschest. Hast du keine Schriften bei dir, die uns etwa gefährlich werden könnten?" „Keine, als diese- hier, die du Rakoczy übergeben magst; er wird genau daraus ersehen, wie jetzt seine Angelegenheiten hier stehen. Könnt' ich doch gegen mich selber wüthen, wenn ich mich der Hilfe erinnere, die wir den Kaiserlichen gegen die Schweden geleistet, weil unser Befehlshaber mit dem Kaiser in geheimer VerHandlung stand. Man hat uns hinge- halten, bis Torstensohn, der vergeblich auf die ungarischen Hilfstruppen wartete, nach Mähren abzog, meinen Rathschlägen ist es zu danken, daß der Oberst Reich die Wolfsschanze mit stürmender Hand nehmen konnte, und nun ist kein Vergleich, ja nicht einmal ein'Waffenstillstand mit uns zu Stande gekommen und so müssen wir wieder von vorne beginnen. Wären unsere zwanzigtausend Mann Anfangs April zu den Schweden gestoßen, so wäre Wien jetzt in unseren Händen!" Mit kräftigem Handschlag schieden die Männer von einander, Junker Bela aber Und der Junker Bela fügte noch einen kräftigen ungarischen Fluch bei. Plötzlich wies der Andere auf eine dunkle Gestalt, die in nicht mehr allzu großer Entfernung von ihm auftauchte. „Lass' uns eilig fort von hier, Bela, 's scheint Einer von der Stadtguardia zu sein." Der Junker beschattete mit der Rechten 43 die Augen und lugte eine Weile prüfend durch die Dämmerung. Dann lachte er beruhigt auf. „Mein Täubchen kommt, um, wie an jedem Abend, hier in traulichem Gespräch mit mir zu kosen, Schön-Getrud, mein Bräutchen, des Henkers Töchterlein, ha, ha! Aber nun bezähm' deine Neugier, Oberst, und entferne dich, eh' sie dich' erblickt." eilte seiner Liebsten entgegen, die sich in seine Arure flüchtete. Er streichelte ihr das Blondhaar zurück und küßte sie auf die weiße Stirne, auf die geschlossenen Augen und auf den kirsch- rothen Mund. Und er vergaß ganz darauf, daß er die Verfehmte, die Verachtete, die Freimannstochter in seinen Armen hielt und an das stürmisch pochende Herz drückte.

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