Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

28 dumpf und faulig darin. Lenerl hatte die Thür weit aufgelassen, lau und weich schmeichelte sich die Sommernacht herein. Des Mondes bleiche Scheibe spiegelte sich zitternd auf dem feuchten Grund und wob mit seinem weißen, durchsichtigen Licht auch um die Hütte magischen Glanz. Hier und da guckte ein Irrlicht gespen- sterhaft auf, aber von dem echten Glanz, der silbern von oben herabströmte, beschämt, erlosch es rasch wieder. Friedlich ruhte die Mondnacht auf der schlummerden Erde. Da Plötzlich schallt ein Ton durch die Stille der Nacht. „Lenerl!" — tönt der langgezogene Laut über das Moor. Die Verzweifelte in der Hütte richtet sich auf. „Lenerl!" — tönt's noch einmal zu ihr herein. Mit einem Satz ist sie auf und mit zwei Schritten steht sie hochaufgerichtet vor der niedrigen Thür. „Wer ruft mich?" tönt's dumpf von ihren Lippen, zur andern Seite des Moors hinüber, wo eine dunkle Gestalt sich abhebt. „Bist wirkli da, Lenerl?" kommt die andere Stimme wieder hell herüber, aber angstvoll, zitternd. „Willst du mit uiir sprechen, Lenerl, dann geh', hol' mi z' dir herüber, i find' jetzt den Weg net über's Moor." „HastAngst?" lacht sie schneidend mit verschleierter Stimme. Dann greift sie nach ihrem zuckenden Herzen, ein Gedanke schwirrt durch ihr glühendes Hirn. Sie setzt eilig, wie ein gehetztes Reh, den altgewohnten bekannten Weg nehmend, mit gewagten Sprüngen über den sumpfigen Grund. „Lenerl, Lenerl!" kannst mir verzeih'n, kannst mir vergeb'n, was i dir gethan?" sinkt die dunkle Gestalt, als sie drüben angelangt ist, vor' ihr nieder. „Steh' auf und komm'," sagt sie gepreßt mit rauher Stimme. „O Lenerl, sprich, daß d' mir ver- zeih'st," fährt er athemlos fort, nachdem er sich von den Knieen erhoben hat und von ihrer Hand geleitet, ihrer Weisung gemäß hier und da Sätze machend, über den Sumpf schreitend. „Was bin i schlecht g'wes'n, was hab' i dir 'than! kannst mir ja nimmer und nimmer vergeben!" — ruft er, sich selbst anklagend. „Aber i will's guet mach'n," fährt er sicherer fort, in der Meinung, sie höre ihn an, damit er sich rechtfertige. „Du kommst zu uns, Lenerl, Alle z'sammen geh'n wir hinüber. Die Tonerl ist leihend, sie wird net alt werd'n, du bleibst bei uns, Lenerl, und später — wirst' seh'n — werden wir no glückli miteinand'! — Schau, i konnt' net anders, die Tonerl war schon unglückli durch mi g'w'ord'n, und nachdem was i dem Bauern 'than hatt', konnt i sie net a no in da Schand sitzen lass'n. Gelt Lenerl, du wirst mir verzeih'n?" „So — jetzt springst' da hinüber," hob sie endlich athemlos an, „zweibeid können wir net z'sammen rüber — ja dort — so! — bist drüben?" „Lenerl, s' ist Sumpf hier!" — gibt er erschrocken zur Antwort, als er mit beiden Füßen klatschend aufprallt und weiche, schwankende Masse unter sich spürt. „Geh' nur weiter," ruft sie hinüber, „no an Schritt und d' fühlst wieder festen Boden, bist 'halt z' kurz g'spruug'n — aber schnell — eil' di - - sonst sinkst!" Erschrocken hebt er den schlaulmbedeckten Fuß und macht einen langen Schritt vorwärts, wieder trat er in Moor. „Nun noch oan Schritt!" ermuntert Lenerl den Zögernden. Gehorsam folgte er der Weisung. Aber wie vorher, sinkt er wieder tief mit dem Fuße ein, weich und schwammig ist's unter ihm. „Lenerl, der Weg ist falsch!" — l spür' Sumpf — überall Sumpf —" „Geh nur, geh vorwärts," wiederholt sie halb erstickt, und folgsam hebt er noch einmal den Fuß — aber Entsetzen! — wieder ist er in weiche Masse getreten, noch viel tiefer als vorher, sie hängt sich an seinem Fuße an, hält ihn fest, daß er ihn nicht mehr herausheben kann und er fühlt, daß er sinkt. „Lenerl, Lenerl, i kann net mehr — i sink — i bin im Moor!" „Jetzt erst merkst 's?" ruft sie schneidend zurück. „Geh, Franzl, i hab di für g'scheidter gehalt'n. Schaust, nun mußt' halt dort umkommen, denn wo d' hin- willst, ist's dein Tod. Gelt, Franzl, dös is hart, so mitten aus dem schön'n Leb'n in den qualvoll'n Tod z' ziehen? Aber weißt' was?" sie sagt es spielend, ihren Körper fast kokett zu ihm hinüberneigend, „drei Jahr' unschuldi im G'fängniß zuz'bring'n, ist a kein Freud! Oder meinst ja, Franzl?" „Lenerl, Erbarmen, du hast mi ab- sichtli hier hereingebracht!" „Meinst?" ruft sie höhnisch, „wie kannst dös glaub'n, bei uns'rer Lieb'?" „Geh, Lenerl, hab' Erbarmen," fleht er angstvoll, dann zetert er plötzlich gellend: »I sink', i sink' — Lenerl — i sinke —" „Schrei net so laut, Franzl, die Natur könnt' munter werd'n," zischt sie hinüber, 29 „Was soll i sag'n, wann s' mi fragt, warum i also mit dir thu! ? Soll s' deine Schand' hinaustrag'n in d' Welt? Was moanst, Franzl, ob's scho mal da war auf dieser Erd', was du mir 'than hast, gelt, dös moanst selber, net?" „O Gott, o alle Heil'gen!" stöhnt er, „i bin in die Hand' eines Satans g'fallen, i will mei Schuld sühnen — aber rette mich!" ~ „Rettung — Rettung!" wiederholt er immer lanter nach jedem Zoll, den er tiefer sank, bis ihm die Stimme versagte und sein heiseres Aechzen schauerlich in der Nacht widerhallte. „Sei ruhig, Franzerl — nur noch oan Paar Minuten," rief sie jauchzend, „dann ist's aus, dann bist' z' End' mit deiner Sühne. Gelt, es geht dir schon bis über die Knie? Wann d' tüchti rappelst, dann geht's schneller. Magst net an Vata

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