Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

14 18 Gulden, die der Stoffel mitgebracht, als Abschlagszahlung für die Karte, die er ihm auch gleich einhändigte, mit dem Bedeuten, daß er ihn ins Herz geschloffen habe und ihm volles Vertrauen schenke. Es war ein schön colorirtes Papier, so groß schier wie ein Leintuch und ganz natürlich in englischer Sprache abgefaßt. Der Stoffel konnte nicht englisch, aber der Freund Hausirer verdeutschte ihm Alles aufs Deutlichste. Es wurde ausgemacht, daß sich der Hausirer am nächsten Morgen beim Bauern einfinden solle, um Alles in Ordnung zu bringen, und nachdem der Stoffel Beider Zeche berichtigt, trennten sich die Männer von einander. — Am nächsten Morgen, der die Entscheidung bringen sollte, erwachte der Stoffel mit einem Kopf, wüst und schwer. Er schämte sich — er wußte selber nicht recht, waruui — mit den Leuten zu- sammenzutreffen und ging darum gar nicht zur Frühsuppe, sondern machte sich zu der Zeit auf dem Heuboden zu schaffen. Und als ihm später die Sopherl in den Weg trat, da wär' er am allerliebsten auf- und davongelaufen. Wie ihn das Mädel wieder ansah! Ganz heiß wurde ihm dabei. Seltsam, heut schien ihr ja auch der gewohnte Uebermuth zu fehlen; ganz „bslftg" kam sie ihm vor. „Stoffel — auf a Mörtel — i hätt' dir was z' sagen, Stoffel!" —------- Da die Zwei in ihrer argen Verlegenheit lange nicht die passenden Worte fanden und uns die Lust fehlt, ihrem ungeschickten Schmätzen zuzuhören, so wollen wir uns mit der nun folgenden Zwiesprache nicht eingehender befassen. Die Unterredung muß aber im Großen und Ganzen keine feindselige gewesen sein, denn sonst hätte der Stoffel zum Schluß die Sopherl nicht „abbusselt, wie an Haubenstock", um die Worte zu gebrauchen, die späterhin einmal der Bauer, der zufällige Zeuge dieser Scene, in der seine Tochter eine so angenehme passive Rolle gespielt, angewendet hat. Auch auf das Project der Amerikareise verzichtete der.Stoffel, dem schließlich die Sopherl doch viel lieber zu sein schien, als noch so zahlreiche Häuptlingswitwen. Den Hausirer wollte er schon gegen ein angemessenes Reugeld zur Rückgängigmachung des Geschäftes veranlassen; der hatte ihn ja ins Herz geschlossen und war sein Freund. Doch der gute Freund erschien zu der vereinbarten Zeit nicht; der Stoffel lief in die Schänke, wo er erfuhr, daß man den Hausirer seit dem vergangenen Abend, nicht mehr gesehen habe — er kam nicht am zweiten und nicht am dritten Tage. Da wurde es dem Burschen doch ängstlich zu Muthe. Wie wenn die Verfallszeit der Karte kam? Dann mußte er das Geld bezahlen, ohne sie benützen zu können. Glücklicherweise konnte ihn der Pfarrer, den er um Rath angegangen, völlig trösten. -Mir Frauen san halt arme WaserlnW (Aus dem Wiener Volksleben.) Die Madame Pawelka und die Madame Pomeisl — beide sehr sparsame, sehr häusliche, sehr wackere Mitbürgerinnen — trafen sich Vormittags auf dem Heimwege vom Naschmarkt, suchten sich selbstverständlich die schmalste Stelle des Trottoirs aus, .die sie mit Hilfe der umfangreichen Einkaufskörbe für den.Verkehr vollständig absperrten und begannen mit dem Austausch wichtiger Mittheilungen, die allerdings nicht den geringsten Aufschub mehr zuließen. „Jessas!" kreischte die Madame Pawelka so laut auf, daß ein in der Nähe befindlicher Dienstmann ohneweiters in ein Kaffeehaus eilte, um die Freiwillige Rettungsgesellschaft telephonisch herbei- zurufen, da er glaubte, ein großes öffentliches Unglück sei geschehen, „Jessas, Madame Pomeisl, was Sö wieder für a nett's neuch's Hüaterl aufhab'n! Aus- schau'n thuan S' wie a jung's Maderl mit achtzehn Jahr'n" (dieMadamePomeisl winkt verschämt lächelnd ab), „na alsdann höchstens mit fünfadreiß'g Jahr'n. Jhner paßt halt a All's zum G'sicht, daß 's a wahre Freud' is; so apart"... Nun muß zur Steuer der Wahrheit zugegebcn werden, daß man sich eine „apartere" Erscheinung als der gelobDas schöne, in vielen prächtigen Farben ausgeführte englische Schriftstück war näm-. lich durchaus nicht das, wofür es der „Freund" ausgegeben, sondern die Reclame und Gebrauchsanweisung einer — Zahnpasta. — Der Stoffel wartet noch heute auf das Erscheinen des „Auswanderüngs- Agenten" und seine Angabe von zwanzig Gulden. Wir fürchten aber sehr, daß dieser Herr dem abgeschiedenen Ort? die Ehre seines Besuches überhaupt nicht mehr wird zn Theil werden lassen. . j. hudelten Madame Pomeisl neugeschmückten Kopf allerdings nicht leicht vorstellen konnte. Er war ungefähr so, wie wenn man auf einen Kürbis ein Büschel Radieschen gestellt hätte. Wie dieses gesunde Gemüse sehen ja die meisten modernen Frühjahrs- damenhiite aus. „Wia S' das Hüaterl da anschau'n," erwiderte die Frau Pomeisl stolz und warf sich dabei gewissermaßen in die Brust, „kost't s' mi net mehr als drei Guld'n sechz'g Kreuzer — ja d' Marschandmoden verdienen bei mir net viel, i mach' mir beinah' All's selber. Bitt Jhner gar schön, was sollt' denn Unserans mit dö paar Netsch anfangen, dö An' d'Männer nach viel'n Penzen und Keppeln fürs G'wand geb'n? Da könnt' ma Sprüng' machen. Wissen Sö, Madame Pawelka, wann's nach dem Meinigen gingert, da dürft i rein — mit Respect z'melden! — so decol- letirt umaranandgeh'n, wie d'Eva vor'm Sündenfall." ' - „Wahr is's eh, so san s' Alle, ohne Ausnahni'! Ah, ja freili, wann se si um a Gauds mit Saufbrüaderln handelt, da wird auf's Geld net g'schaut, da fliag'n d'Anserln nur a so, aber wann mir nur a Klanigkeit für uns selber brauchen, da gengan auf auial d'G'schäften z'schlecht

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