Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

12 13 Gegengeschenk drei Ohrfeigen, die auch nicht von schlechten Eltern waren. „Tollpatsch!" rief sie ihm zornig zu. Die Funken sprühten ihr aus den Äugen, und als er sich wieder ein wenig gesammelt hatte, da war die schlagfertige Dirne verschwunden. Der „lange Christof" kraute sich hinterm Ohr. Jetzt ständ's fest, daß alle Hoffnung aus und vorbei sei. Wenn nicht einmal die Halterin mehr helfen kann! Mag sein, daß er die Medicin zu stark angewendet hatte. Aber gleichviel, das Eine war klar: die herzlose Sopherl mochte ihn nicht, konnte ihn nicht leiden. Denn nach der Auffassung, die er von Ohrfeigen hatte, können solche niemals als Gunstbezeugungen betrachtet Werden, namentlich wenn Einem Hören und Sehen bei denselben vergeht. Der Stoffel ging herum wie ein Verzweifelter. Wenn aber ein Bursche, wie er, einmal verzweifelt, dann macht gewöhnlich der Wirth ein Geschäft und von dieser alten Regel geschah auch hier keine Ausnahme. Es war langweilig in der Schankstube, er saß allein im Winkel und trank und ärgerte sich, daß kein Bursche kommen wollte, mit dem er hätte Händel anfangen mögen, und trank und trank. Er wurde fideler, doch das war nicht das Rechte; seinen großmächtigen Liebesgram konnte er doch nicht mit dem Wein hinunterschwemmen. Da war's ihm gerade recht zur Zerstreuung, daß ein Hausirer kam. Nach dessen buntem Trödelkram trug er zwar kein Verlangen, aber die Mundfertigkeit des Händlers bereitete ihm Spaß. Wenn man dem Geschwätzigen zuhörte, so mußte man rein glauben, derselbe kenne die entlegensten Winkel aller fünf Erdtheile so genau, wie der Christof sein Heimatsdorf, und wenn Alles sich so verhielt, wie er erzählte, dann ist er auf seinen Reisen gar bis zu der Stelle gekourmen, wo's dort die nicht mehr weiter geht, weil Welt mit Brettern verschlage» ist. Ein vielgereister Mann! Der Hausirer schien auch gleich zu erkennen, daß den großen Knecht 'was am Herzen drücke; er setzte sich zu ihm und plauderte mit ihm — zuerst von allem Möglichen, dann nur von solchen Dingen, die den Stoffel allein angingen, bis er's endlich schlauerweise herausgekriegt hatte, wo's fehlte. „Zweng'n an Weibsleut'," meinte der Hausirer, der sich geflissentlich in der Sprache der Bauern ausdrückte, obgleich ihm das Mühe bereitete, „mein, das stünd' dafür! Ein stattlicher Bursch' wie Ihr, der braucht nur die Finger ausz'strecken und 's hängt an jedem eine Dirn'; ist's da nicht, so ist's wo anders. Was habt Ihr Lohn, mit Verlaub? Fünfzig Gulden, hm, das ist wenig, da laßt sich nicht viel erspar'». Wenn man denkt, was sich ein Arbeitsamer wo anders verdient! Und zwanzig Gulden hat der Bauer bloß hergegeben und dreißig ist er noch schuldig?" Der Hausirer rückte näher heran und fuhr mit leiserer Stimme fort: „Wenn Ihr Euch das Geld verschaffen könnt't, Freund, da ließ sich 'was machen!" „Ein Gehöft' kann man d'rum net kaufen," entgegnete der Stoffel, halb scherzhaft, halb neugierig. „Aber auswandern kann man damit, nach dem reichen Amerika, wo Einem d'Regierung den Grund umsonst gibt, ohne Steuer; nach ein paar Jahrln kommt Ihr z'rttck als reicher Mann, dann braucht Ihr Euch von keiner Bauerndirn' abweisen z' lassen . . .!" Er sprach eindringlich und verlockend und der Stoffel, der unglückliche Liebhaber, war ein eifriger Zuhörer, und da er dem Glas fleißig zugesprochen, so war 's keine sonderliche Kunst, ihn für die amerikanischen Verhältnisse zu begeistern, die der Tandler freilich genau kennen mußte, denn er wollte ja seinem neuen Bekannten gleich die Karte verkaufen, die zur Ueberfahrt und freien Fahrt berechtigte. Die Sopherl mußte heimlich lachen, als ihr Verehrer im Zickzack zur Thüre hereinkam; im Grunde war er ihr doch nicht so zuwider, wie sie sich stellte, und sie war — so sind die Weibsleut' — schier eitel, daß er sich ihretwegen in solchem Zustand befand. Doch das Lachen verging ihr, als er ihr rund heraus erklärte, daß er nach Amerika auswandern werde, wenn nicht noch heute, so doch bestimmt am nächsten Tag. Ec gab keinen Grund für sein „närrisches" Vorhaben an, aber das war auch überflüssig. „Der Kaiser von Amerika gibt den Grund, umsonst her," erklärte er ihr, „und net einmal z' misten braucht man, so gut ist er, und wenn mi' d' Landwirthschaft nimmer g'freut, so geh' i zu die Indianer und sag' zu eahner: „Braucht's 'leicht an Häuptling?" „Sell wohl," geben d' Indianer d'rauf zur Antwort, „aber Oes müßt's die ganzen Witwen heirat'n, dö was unser seliger Kini überlassen hat, und Eng tätowirn!" Na und da lass' i uli halt tätowir'n und heirat' dö Weiber und steck' mir Hahnfedern in d' Haar und wir halt a Häuptling mit. tausend Guld'n Gage im Jahr! Därfst mir's glaub'n, 's is akrat a so," betheuerte er der Sopherl, die ihn ganz verdutzt ansah, „i waß 's von An, der was selber dort war. ■ So, und hiatzt geh' i zum Bauern um mein Lohn und wann wir uns nimmer seg'n, liabe Sopherl, so pfirt di' Gott und bleib' g'sund und das brauch' i dir ja net z' sagen, daß i nur wegen deiner a Auswanderer'und a Kini von dö Wilden wir." Der Bauer gab ihm die dreißig Gulden nicht. Er sagte, es müsse noch Allerlei ins Reine gebracht werden und am nächsten Tage solle er nur mit dem Karten-Agenten kommen, so werde er schon das Geld kriegen. Der Sopherl aber hielt der Vater eine Standrede darüber, daß sie den armen, treuen Burschen, für den er keinen Ersatz finden könne, weit und breit, so zum Narren halte. Ob sie sich denn nicht der Sünden fürcht'!? „No jo, wißt's, Voter," hatte die Dirne d'rauf erwidert, indem sie verlegen die Schürze glättete — „i bin eahm ja so net harb, dem Stoffel, i siech's ja eh ein — und wann's Oes 'hn nit fortlassen möcht's, Voter — na ja —" Diesen etwas unklaren Satz vollendete sie nicht, sondern lief hinaus, um mit dem Tollpatsch, dem Stoffel, die Sache ein wenig deutlicher zu besprechen. Doch der war schon wieder auf und davon, in der Schänke, bei seinem Freund, dem zungenfertigen Hausirer. Der schien fast ungehalten und machte ihm Vorwürfe, daß er sich vom Bauer sein rechtmäßiges Eigenthum vorenthalten lasse. Doch da es nun einmal nicht anders sei, so nehme er einfach die zwanzig

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