Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

10 „Leider, Herr Baron," erwiderte dieser achselzuckend, „wir müssen ein Opfer bringen, um größeren vorzubeugen!" Der Oberhäuer ging um einige Schritte zurück und besah die Gewände. „Die beiden Herren haben ja nicht nöthig, deshalb ihre gewohnte Beschäftigung auszusetzen," sagte er langsam. Durch die dichte Luft, die den Raum erfüllte, klangen diese Worte dumpf und nachhallend, wie aus einem Grabe heraus. „Ihr sprecht ja wie ein Orakel unverständlich," schaltete der Baron ärgerlich ein, „wie ist das zu verstehen?" „Will schon deutlicher werden," ent- gegnete Sturm mit Nachdruck und richtete sich hoch empor, „meine Tochter hat mich heute verlassen auf Nimmerwiedersehen, der Herr Verwalter muß alsy eine neue Gouvernante suchen, damit der Herr Baron sich nicht langweilt hier auf dem Werke!" Der Freiherr zuckte zusammen, er wollte leicht über den fatalen Punkt hinwegschlüpfen — da wenigstens, hier unter der Erde — aber als er den Mann erblickte, der. vor ihni stand wie ein zürnender Berggeist, da schnürte es ihm die Kehle zusammen. „Wir wollen die Sache später abmachen," brächte er mühsam hervor, „was soll das hier?" „Nein, wir wollen die Sache hier und zwar gleich übmachen, Ihr Herren!" donnerte der Alte, daß ein grollendes Echo durch die Gänge rollte. Er hielt ihnen einen kleinen röhrenförmigen Gegenstand entgegen, bei dessen Anblick ihnen das Blut aus den entsetzten Gesichtern wich — es war eine Sprengpatrone. Der Oberhäuer setzte sie an den Fels und hob die Spitzhaue in der Rechten. Der Baron und Bollmann standen gelähmt, keiner Bewegung, keines Lautes fähig. Einen Blick noch warf der Greis auf die im Entsetzen Erstarrten, einen Blick voll des tödtlichsten, wahnsinnigsten Hasses — dann schwang er den Hammer!--------- Ein Blitz — ein donnerähnlicher kurzer Knall! — — Schreckensbleich kamen die Knappen an den Eingang des Schachtes geeilt, aus dem schwarzer Qualm langsam aufstieg; denen da unten in der Tiefe konnte wohl keine Hilfe mehr gebracht werden. Der Baron und der Verwalter wurden als Leichen zu Tage gefördert, gräßlich verbrannt und verstümmelt. Auch der Oberhäuer war schwer verwundet, aber aus seinem Körper war, man konnte es ein Wunder nennen, noch nicht alles Leben entschwunden, denn seine mächtige Brust hob und senkte sich leise. Wie war das Unglück entstanden? Wie hatten sich die schlagenden Wetter entzünden können? Der Einzige, welcher darüber hätte Auskunft ertheilen können, lag, eine sichere Beute des Todes, bewußtlos darnieder. Am Morgen des zweiten Tages jedoch, als sich eben der Mathes über den Oberhäuer beugte, um zu horchen, ob er noch athme, da schlug dieser plötzlich die Augen auf, voll und starr, und seine Lippen zuckten, als wolle er sprechen und könne es nicht. Endlich entrangen sich dem bleichen Munde Laute, schwach und kaum verständlich. In wenigen abgerissenen Worten erzählte er seinem jungen Pfleger von der furchtbaren That. * * Am Abend, als die Sonne Abschied nahm, da war auch sein Ringen vorüber. Mathilde aber, das Opfer eigener Schwäche und fremder Schuld, blieb verschollen. Hat sie vielleicht auch im Tode Reinigung und Sühne gesucht? Ist sie vielleicht noch tiefer gesunken?--------- - — Eine Auswanderer-Geschichte von H. H.-Zz. Weiß Gott, der Stoffel, der „lange Christof" hieß er im Dorfe, hatte mehr Geduld, als. irgend ein Bursche im Kirchspiel. Man wird sich's daher ausmalen können, wie er von der Sopherl sekirt und malträtirt worden, sein mußte, wenn es sogar ihm „zu dumm" wurde., Die Mädeln sahen den liebessiechen Knecht spöttisch lächelnd von der. Seite an und konnten sich nicht enthalten, ihm spitze, anspielungsreiche Worte zu geben, wenn sie mit ihm zusammenkamen. Das bekümmerte ihn wenig, denn das ganze, falsche Weibsvolk war ihm durchaus gleichgiltig bis auf die Eine, die freilich auch falsch war gegen ihn. Die Burschen hänselten ihn in der Schänke, das schaffte ihm zwar Verdruß, aber er verstand es, die Lautesten von ihnen auf sehr einfache Art zum Schweigen zu bringen — indem er sie zu Boden warf, daß die Dielen krachten. So ein starker, riesenmäßiger Bursche und läßt sich von einer Dirn' um den kleinen Finger wickeln, von einer Dirn', die er mit einem „Nasenstiefel über eine Scheuer" hätte expediren können. Zum Donner hinein, wie mochten's nur die anderen Buben anfaugen, ihre Dirndln so brennheiß verliebt zu machen? Ein sonderliches Kunststückel konnte das auf keinen Fall sein, nachdem es schon so Vielen gelungen war. Er wollte sich ein- mal bei der Halterin Raths erholen, die den Ruf einer Wahrsagerin genoß. Sie entzauberte die Kühe, wenn sie „verschrien" waren und keine Milch gaben, sie heilte mittelst „Sympathie" Fieber und Wasser- sucht und. sie kannte allerlei unschuldige Hausmittel, welche dahin wirkten dasi zahlreiche Ehen durch sie zustande kamen ,, Der ging der Stoffel und erkundigte sich, wie er s anfangen müsse, um sich die Sopherl, die Tochter von seinem Bauern recht zugethan zu machen. Die Halterin steckte erst das Ordinationshonorar, den Zwanziger, ein; dann sagte sie zu dem andächtig zuhorchenden. Stoffel in geheimnißvollem Flüstertöne: „Du wart'st hiatzt, bis wieder Neumond is. Nach'n' Abendläuten trinkst a Seitcl Wein aus, in dem drei- Fingerhuat voll Kornbrantwein sau,, und dann Pass'st der Sopherl auf, nimmst s' — ohne ein Mörtel z' reden — um den Hals und gibst ihr drei Busseln, die man wenigstens dreimal drei Schritt weit schnalzen hört! — Das Mittel hat no' immer g'holfen." Der Stoffel entfernte sich sehr beruhigt von der Halterin. Wenn man bedenkt, daß die verordnete Medicin gar nicht so übel zu nehuien sein mußte, so kann man seinem Seelenzustand begreifen. Er gab sich auch vorläufig keine Mühe mehr, der Sopherl schön zu thun. Wenn er mit ihr zusammentraf, bei der Arbeit, oder beim gemeinsamen Essen, da betrachtete er sie so gewiß mitleidsvoll, als wollt' er sagen: „Es nutzt dir all dein Trutzen und Fremdthun nix. Dein' Schicksal entgehst d' do net! Wart' nur, bis Neumond is . . ." Die Zeit kam auch, obgleich er meinte, sie gar nicht erwarten zu können. Er trank gewissenhaft den Wein mit dem Kornbrantwein — zum Abschätzen des letzteren hatte er den Fingerhut der Bäuerin genommen, da dieser am größten war — und fand auch bald in der Dunkelheit eine günstige Gelegenheit, der Sopherl die drei Küsse zu versetzen, welche, nach der Schallwirkung zu urtheilen, die sich ganz bestimmt auf mehr als auf dreimal drei Schritte erstreckte, nicht von schwächlicher Beschaffenheit gewesen sein mochten. Die Sopherl war ob der That des Stoffel erst ganz starr, was der Attentäter natürlich für die erste günstige Wirkung des Hausmittels W/aber ba^ verabreichte sie ihm sür die drei Küsse als

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