Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

6 7 nicht mehr anhören wollte, weshalb er den Verwalter — der besonders in der letzten Zeit wiederholt Beweise für die Freundschaft und Achtung, die er ihm und seiner Tochter zollte, gegeben hatte — eines Tages ganz direct ersuchte, dem Baron die Sache vorzustellen, damit das einfältige Gerede ein Ende nehme. Der Verwalter bestritt auf das Eifrigste, daß aus den Reden der Knappen auf etwas Anderes als auf ihren Neid über das Glück des wackeren Fräuleins gefolgert werden könne, meinte. lächelnd, daß er gleichfalls das Object gehässiger Be- merkungen sei und bemerkte schließlich, daß es doch wohl ein wenig schwer angehe, den Herrn Baron durch die Mittheilung solcher, vielleicht auch falsch ausgelegter Umstände zu verstimmen. Seinem freundlichen Zureden gelang es vollkommen, den alten Mann zu beruhigen. - Was kümmerte den Herrn Verwalter auch der gute Ruf des jungen Mädchens, was kümmerten ihn die weißen Haare ihres besorgten Vaters, dessen einziger Besitz und dessen einzige Hoffnung sie war, wenn nur der Baron durch seine Liebelei abgehalten wurde, seinem Wirken größere -Aufmerksamkeit zu schenken, wenn ihm nur dadurch Gelegenheit geboten war, während dieser Zeit der ungehinderten Actionsfreiheit aus seiner Stellung größere, wenn auch zuweilen unerlaubte, Vortheile zu ziehen? Die Tage schwanden dahin! Die Sonne lachte - nicht mehr so golden wie früher, sondern mußte, besonders des Morgens, durch wallende Nebel ihr Licht auf die Erde senden, die Matten färbten sich dunkelgrün und die Blätter röthlich- braun — der Herbst war gekommen. Und- ähnlich wie in' der Natur war auch mit Mathilde eine Veränderung vor sich gegangen, ihr Blick war trübe geworden und das Roth ihrer früher so vollen Wangen erbleicht. Ihr Vater hatte mit steigender Be- sorgniß dies wahrgenommen. Mit ihrer Gesundheit hatte auch ihre Laune abgenommen. Hatte er sie vorher oft angetroffen, wie sie um die. Wette mit den Finken und Meisen ein lustiges Liedlein geträllert, so fand er sie jetzt nicht selten starr vor sich hinbrütend und mit thränen- erfüllten Augen; doch wie er es auch anstellen mochte in seiner geraden, ahnungslosen Weise, so vermochte er doch nicht den Grund des Seelenleidens zu erforschen, das sie derart zu Boden drückte. Seine indirecten Nachforschungen blieben resultatlos, und auf seine Fragen, die immer ängstlicher, immer dringender wurden, erhielt er von seinem Kinde bloß einen traurigen Blick, bloß einen Seufzer zur Antwort. Der arme, alte Mann ahnte den Grund der Veränderung nicht, die mit seinem Kinde vorgegangen. , Der Vater ahnte Dasjenige noch immer nicht, was alle Anderen bereits wußten! III. Die Sühne. Es war an einem sonnenlosen, trüben Herbstabend, als Sturm auf dem Wege einen jungen Bergknappen antraf, einen Jugendgespielen Mathildens. Da kam es ihm Plötzlich in den Sinn, daß dies eigentlich der rechte Mensch sei, um das Geheimniß, das wie eine dunkle Wetterwolke zwischen Vater und Tochter stand, an den Tag zu bringen. /„Warum so traurig, Vater Sturm?" redete ihn der Jüngling an, die Mütze freundlich lüftend. „Wär' mit wenigen Worten erzählt, lieber Mathes," antwortete der Alte, „und ich dachte eben daran, daß Du im Stande sein könntest, mir zu helfen!" „Ich?" fragte der Knappe betroffen. „Müßt' nicht auf welche Weise!" „Die Geschichte ist so: mein Mädel ist seit einiger Zeih kopfhängerisch, mußt es selber bemerkt haben!" . „Ist leicht zu bemerken, ich denk', es kann Keinem entgehen, der Augen hat, um zu sehen!" „Es muß wohl mit ihrer Gesundheit schlecht bestellt sein, und zwar darum, weil sie, wie ich mir vorstell', ein geheimer Kummer drückt in ihrem Gemüthe. — Scheint's Dir nicht gleichfalls so, Mathes?" „Allerdings — das will ich meinen!" entgegncte der Mathes zurückhaltend, „aber nun lebt wohl, Vater Sturm, Ihr seht, mein Weg geht nach links---------------- man muß es eben ertragen!" „Verzieh' noch eine Weile," rief der Werkmeister und ergriff die Hand des jungen Mannes, .„ich wollt' Dich eben vorher noch bitten, mit ihr Rücksprache zu nehmen, ihr wäret Spielkameraden zusammen schon als Kinder — — — thu' mir den Gefallen," schloß er bittenden Tones, aus dem die sorgende Vaterliebe vibrirte. Der Mathes blieb stehen und sah mitleidig auf den Greis, den er im vorigen Augenblicke noch für wahnsinnig gehalten hatte. „Ich merk' erst jetzt, daß Ihr mich nicht zum Besten habt." „Wie meinst du?" „Ihr wißt nicht, was Eurer Tochter fehlt, der Gouvernante des Herrn Barons?" „Was ihr fehlt?" wiederholte der Mann und sah erwartungsvoll auf seinen Begleiter, als wollte er ihm die folgenden Worte vom Munde ablesen. „Je nun, da Jhr's nicht wißt, einmal müßt Jhr's doch erfahren, armer, alter, verblendeter Vater: sie war die Geliebte von ihm, daher die blassen Wangen!" „Jesus, Maria und Josef!'" Der Oberhäuer stieß einen gellenden Schrei aus, preßte die Hände vor die Stirne und stürzte dann bewußtlos auf den Boden nieder. —---------- Als man ihn in seine Wohnung brächte, da ordnete Mathilde, welche sah, daß er nun um Alles wisse, scheinbar vollkommen gelassen und ruhig das an, was sein Zn- stand erheischte, und als er endlich — Dank ihren Bemühungen und denen des Mathes, der zurückgeblieben war — die Augen wieder aufschlug, da trat sie eilig in ihr nebenan befindliches Zimmer.

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