Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

2 3 keineswegs in dem Rufe, sich von schönen Frauen leicht einschüchtern zu lassen,’ als er aber die jungfräuliche Gestalt gluth- übergossen und mit gesenkten Blicken so plötzlich vor sich stehen sah, da schien es fast für einen Augenblick, als würde den vornehmen Mann mit den gebieterischen, sieggewohnten Zügen alle Sicherheit verlassen. Auf seinen Zügen lagerte es sich wie staunende, Bewunderung, und er trat, während er sich verneigte, wie unwillkürlich einen Schritt zurück. „Sie sehen mich angenehm überrascht, mein Fräulein," begann er endlich und nahm den dargebotenen Blumenstrauß, „ich erwartete zuversichtlich, von den Gnomen und Kobolden meines Werkes empfangen zu werden, und es begrüßte mich eine lichte Elfengcstalt! Ich danke Ihnen herzlich dafür und bitte Sie, niich ailch bei allen übrigen guten Geistern des Ortes zu empfehlen. Nochmals meinen Dank und allen Uebrigen," fügte er bei, indem er sich zu den Männern wandle, „ein sröhliches Glück auf!" — Der Gruß wurde hundertstimmig zurückgegeben. „Und nun, Herr Bollmann," apostro- phirte der Freiherr diesen, „ersuche ich um einige geschäftliche Aufklärungen." Er verneigte sich freundlich vor allen Anwesenden und begab sich sodann mit dem Verwalter in dessen Bureau. „Vor Allem," ergriff der Freiherr das Wort, sobald sie sich allein befanden, „gestatten Sie, Herr Verwalter, daß ich Ihnen über das liebenswürdige Empfangs- Arrangement meine Freude ausspreche, ich war in der That auf das Angenehmste überrascht. Wer ist nur das Fräulein? Sie sehen, ich habe die primitivsten Regeln des gesellschaftlichen Anstandes ignorirt und mich nicht einnial vorstellen lassen." „Es ist die Tochter des Oberhäuers Sturm, ein ebenso intelligentes als schönes Mädchen." „Den gleichen Eindruck machte sie auf mich; doch wie kommt es, in dieser — ländlichen Umgebung . . .?" „Ihr Vater brächte die größten Opfer, um ihr eine sorgfältige Erziehung angedeihen lassen zu können. Sie befindet sich nur auf Besuch bei ihm und wird in einigen Tagen wieder auf ihren Posten — sie ist Gouvernante bei einer sehr angesehenen Familie in der Residenz — zurückkehren." „Hm! also. Sie nicht?" „Nein, Bei einer angesehenen Familie kennen den Namen derselben doch wenn es Ihr Wunsch sein sollte, Herr Baron . . ." „Sie dürfen mich nicht mißverstehen, Herr Bollmann. Das Mädchen hat auf mich einen sehr günstigen Eindruck gemacht, und ich habe mir eben überlegt, ob ich ihm wohl eventuell mein sechsjähriges Töchterchen anvertrauen könnte. Glauben Sie nicht auch, daß der Vater eine solche Entschließung meinerseits für einen Act großen Vertrauens ansehen muß?" „Gewiß!" beeilte sich Bollmann zu bemerken, „das heißt, ich habe keinen Grund, es im Geringsten zu bezweifeln, doch der Alte ist etwas schwerfällig, und es ist möglich, daß er die ihm und seinem Kinde zugedachte Ehre nicht nach Gebühr zu würdigen versteht!" Der Baron richtete sich gerade auf und blickte dem Beamten fast strenge ins Gesicht. Die letzten Worte hatte der Verwalter in einer Betonung ausgesprochen, in der der Freiherr die verletzende Schärfe des Sarkasmus zu vernehmen glaubte, doch der. Ausdruck der Arglosigkeit in den gebräunten, so ehrlich scheinenden Mienen und die fast demüthig zu nennende Haltung mußten jeden diesbezüglichen Argwohn sofort wieder vernichten. „In diesem Falle könnte von einer weiteren Verfolgung meines Planes, selbstverständlich nicht mehr die Rede sein. Uebrigens ist die ganze Angelegenheit wohl nicht wichtig genug, zu ihrer Erörterung so viel Zeit zu verwenden; ich überlasse dieselbe vollkommen Ihrem Ermessen. Ich bin mit der Gouvernante meines Kindes schon lange unzufrieden und würde diese Gelegenheit gerne benützen, mich von ihr zu befreien . . ." Der Verwalter warf einen flüchtigen, kurzen Seitenblick auf seinen neuen Gebieter, der ausschließlich damit beschäftigt schien, sich möglichst correct eine Cigarette zu drehen. „Ich glaube nur im persönlichen Interesse des Fräulein Mathilde zu handeln, wenn ich Ihrem Vater noch heute den ebenso vortheilhaften als ehrenden Antrag des Herrn Barons zur Kenntniß bringe," bemerkte er verbindlich. „Gut, gut," unterbrach ihn Reisinger fast ungeduldig, so daß es fast den Eindruck machte, als ob ihn das Thema schon äußerst langweile, „wollen wir endlich uiit dem geschäftlichen Theile der Conferenz beginnen!" Die nun folgende Besprechung nahm einen unverhältnißmäßig geringen Zeitraum in Anspruch. Als sich der Baron nach Verlauf kaum einer Stunde von seinem Verwalter empfahl, da konnte sich dieser mit Befriedigung selbst eingestehen, daß seine Position gefestigter sei als je. Gewiß, jetzt unterlag es keinem Zweifel mehr, er konnte mit dem Erfolge des Empfangs-Arrangements vollauf zufrieden sein! II. Auf abschüssiger Bahn! Am nächsten Vormittage, als sich der Baron eben wieder in die Kanzlei begeben wollte, traf er im Corridor unvermuthet mit dem jungen Mädchen zusammen; sie schien ihm in der dunklen, geschmackvollen Straßentoilette noch anmuthiger als am vergangenen Tage. „Atz, mein Fräulein," sprach sie Reisinger erfreut au, „ich darf wohl unser Zusammentreffen als ein günstiges Omen betrachten! Pardon, Sie erinnern mich daran," fuhr er lachend fort, als er

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