Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

138 139 für sich in den inneren Localen des Gasthauses sangen. In Anbetracht seiner großen Verdienste um die Gemeinde Sierning wurde Altbürger- meister JosefWegscheider zum Ehrenbürger dieser Gemeinde ernannt und ihm am 13. August das prachtvoll ausgeführte Diplom durch eine Deputation überreicht. Am 14. August übergab k. k. Bezirksschul- inspector Anton Rolle der dem Bürgermeister Redl den Reinertrag per 2700 fl., welchen er bei der Herausgabe des gediegenen Werkes „Heimatkunde von Steyr", welche im Monate Juli ihre Vollendung fand, erzielte, zur Errichtung einer Stiftung für bedrängte Lehrer der Bezirke Steyr Stadt und Land. Mit Dank nahm die Stadtgemeinde die hochherzige Stiftung entgegen und versprach sie gemäß dem Stiftsbriefe zu verwalten. Am 15.August machtedieWelserBürger- schaft jener von Steyr ihren Gegenbesuch und betheiligten sich hieran über 500 Welser. Dieselben wurden am Steyrthalbahnhofe bei herrlichem Wetter von einer vielhundertköpfigen Menge in herzlichster Weise empfangen und durch die festlich beflaggte Stadt unter den Klängen der Welser Stadtcapelle und der Steyrer Bür g er co rp s-C a p e l l e vor das Rathhaus geleitet, woselbst sie durch Bürgermeister Redl Namens der Stadt begrüßt wurden. Das Mittagsmahl wurde in verschiedenen Gasthäusern eingenommen und nach selbem fand eine Besichtigung der Stadt und ihrer Umgebung statt. Ein Großtheil der Welser promenirte am Stadtplatze, woselbst von halb 2 Uhr an die Bürgercorpscapelle concertirte. Um halb 5 Uhr Abends begann im Casinogarten das Concert der 30 Mann starken Welser Stadtmusikcapelle. Bei selbem sangen auch die „Liedertafel" und das „Kränzchen" einige Chöre. Der Besuch gestaltete sich geradezu massenhaft und es herrschte allerseits die froheste Stimmung und Befriedigung über die herzliche Aufnahme. Dieser gab Vice- bürgermeister Muhr von Wels in formvollendeter Rede Ausdruck. Der Obmann des Fremdenverkehrs-Comites Franz Tomitz versicherte die Welser Gäste der ungetheilten Sympathien der Steyrer Bürgerschaft. Nachdem noch Bürgermeister Dr. Schauer seinen Dank für den Empfang ausgesprochen hatte, wurde unter Fackelschein und Musikklängen der Abmarsch zum Steyrthalbahnhof angetreten. Wohl nach Tausenden zählte die Menge, welche die Welser zum Bahnhöfe begleitete. Unter brausenden Hochrufen verließ der Eisenbahnzug die Station. Am 15. August fand die Weihe des von der Section Windischgarsten des Oesterreichischen Touristen - Clubs erbauten Schutzhauses am Warscheneck statt. Die Weihe vollzog Hochw. Vorstadtpfarr-Cooperator H u e m e r aus Steyr. Die Feierlichkeit wurde durch ungünstiges Wetter stark beeinträchtigt. In Folge Gehirnlähmung starb zu Steyr am 17. August die Private Frau Anna Mayr. Dieselbe war früher Besitzerin des renommirten Gasthofes „Zum goldenen Löwen" und eine allgemein bekannte und geachtete Persönlichkeit. — Daselbst starb auch am 21. August der 59 Jahre alte Privatier und Hausbesitzer Michael Schröck, ein als ehemaliger Gasthausbesitzer in weiteren Kreisen bekannter Mann. Des Kaisers Geburtsfest am 18. August wurde wie alljährlich in Stadt und Land festlich begangen. Am Vorabende war in Steyr Zapfenstreich der Bürgercorps-Capelle, am Festtage Hochamt mit le Deum in der Stadt- pfarrkirche, dem Bürgermeister Redl und viele Gemeinderäthe, die Spitzen der Behörden, öffentlichen Aemter und Unterrichtsanstalten, die k. und k. Officiere des Jägerbataillons, sowie jene des Bürgercorps, die Freiwillige Feuerwehr, viele Honoratioren der Stadt, der Knabenhort und viele Andächtige beiwohnten. Die Bürgergarde gab die üblichen Dechargen ab. — Die evangelische Kirchengemeinde, wie auch die israelitische Cultusgemeinde hielten ebenfalls in ihren Bethäusern feierliche Gottesdienste ab. — Abends war Fest-Concert der Bürgercorps-Capelle im Casino. Am nächsten Tage fand in der Vorstadtpfarrkirche ein Festgottesdienst statt, nach diesem begann das Festscheibenschießen der Bürgergarde, welches zwei Tage dauerte und recht amüsant verlies. In Neuhofen wurde am 19.August Nachts der 23jährigeFleischhauergehilfeHeinrichK r a m- m er, ein fleißiger, ordentlicher Bursche, erstochen. Seine Gegner waren die Brüder Peter und MaxMayrhoferund derTaglöhnerFrosch- auer. Erstere Zwei wurden noch in selber Nacht ausgeforscht und verhaftet. Am 21. August traf Se. Excellenz der Finanzminister Dr. Ernst Edler v. Plener in Windischgarsten zu mehrtägigem Aufenthalte ein. Der hohe Gast wurde im reichbeflaggten Markte festlich empfangen und Abends brachten ihm die Liedertafel, der Veteranenverein und die Freiwillige Feuerwehr ein Ständchen dar. In der Pfarrkirche zu Neuhofen fand am 22. August die Trauung des Secundar- arztes der Landes-Jrrenanstalt in Troppau Dr. Alois Angel mit Fräulein Hermine Thaun er, Tochter des dortigen k. k. Notars, statt. Viele hochansehnliche Persönlichkeiten wohnten der schönen Feier als Verwandte oder Gäste bei. Im Feichtergut bei Dietachdorf stürzte am 23. August der 40jährige Meier Namens Josef Rübenzucker rücklings von einer Jauchebottich, die er füllen wollte, und verletzte sich das Rückenmark so schwer, daß er am nächsten Tage starb. Am 24. August starb in Steyr der praktische ArztMorizFranco in seinem 71.Lebensjahre. Derselbe war ein sehr gewissenhafter und trotz seines hohen Alters unermüdlich eifriger, vielgesuchter Arzt, der die allgemeine Achtung genoß. Am 25. August fand im Schäffler'schen Gasthause zu Stein die constituirende Versammlung der Freiwilligen Feuerwehr statt. Bei derselben wurde Franz Kiderle, Gutsbesitzer in Gleink, welcher hauptsächlich die Initiative zur Gründung dieses Institutes ergriffen, zum Hauptmanne, Johann Schütze n- hofer, Gattermeier in Stein, zu dessen Stellvertreter, Lehrer Böhm von Gleink zum Schriftführer, Josef L u f t, Michael S ch ä f f l e r und Ferdinand Scheuchenecker zu Lösch- meistern und Michael Kellauer zum Vertrauensmann der unterstützenden Mitglieder gewählt. Am 28. August wüthete über Steyr und einen großen Theil Oesterreichs ein arges Gewitter, das streckenweise wolkenbruch- artigen Regen und Hagel brächte und von einem verheerenden Sturme begleitet war. Die Feldfrüchte wurden hiedurch stark beschädigt, viel Obst von den Bäumen geschlagen, nicht wenige Bäume ganz entwurzelt, in den Häusern die Fenster eingeschlagen und Dächer theilweise abgedeckt. Auch wurden viele Hasen und Fasanen von den Schloffen erschlagen. Besonders arg wüthete das Unwetter in der Ortschaft Unterburg, an der Loder- leithen. Auch im Ge- säuse tobte dieses Unwetter, und durch Ver- muhrung des Eisenbahngeleises entgleiste in der Nähe von Hieflau Bildhauer Tilgner der Schöpfer des Werndl-Denkmals. ein Güterzug, von dem fünf Waggons zertrümmert wurden. Menschenleben gingen glücklicherweise nicht zu Grunde. In Steyr starb am 30. August die hochgeachtete und durch ihren Wohlthätigkeitssinn bekannte Frau Cäcilie Schiefermayr, Besitzerin des Hauses Nr. 26 in der Berggasse. Dieselbe hatte zum Universalerben ihres namhaften Vermögens die Stadtgemeinde Steyr eingesetzt und bedeutende Legate für die Schulen und gemeinnützigen Institute Steyr's testirt. Zu Loibingdorf bei Sipbachzell ertrank am 31. August das zwei Jahre alte Taglöhnerskind Franz Summereder im Mühlbache. Am 31. August starb in Sierning der in vielen Kreisen bekannte Maler Anton Hölzl- huber in seinem 58. Lebensjahre. Derselbe war ein Bruder des Bibliothekars der k. k. General-Direction der österreichischen Staatsbahnen Franz Hölzlhuber. In der Wießmühle zu Rührendorf bei Eberstallzell brach am 31. August Feuer aus, das die neueingerichtete Mühle, sowie das angebaute Wirthschaftsgebäude in Asche legte. Zwei Kühe, fünf Schweine und größere Mengen Mehl und Getreide waren die«' weiteren Opfer des Brandes, der durch Unvorsichtigkeit entstanden sein soll. So wechselten in dem abgelaufenen Zeitraume bald zur Freude, bald zum Leide der Bevölkerung der Stadt und des Industrie-Bezirkes in bunter Reihenfolge die Ereignisse. Im Allgemeinen war die Zeitperiode, über welche im Vorstehenden berichtet ward, eine nicht ungünstige für den Industrie-Bezirk. Wohl hatte die Waffenfabrik, die Brodgeberin des größten Theiles der Bevölkerung Steyr's, keine neuen großen Aufträge erhalten und mußte deshalb ihren schon im Vorjahre verminderten Arbeiterstand noch weiter re- duciren. Dagegen ist man daselbst gegenwärtig an der Arbeit, die Erzeugung von Bi- cycles im Großen vor- zubereiten, wovon man sich günstige Erfolge verspricht. Das Kleingewerbe nahm einen merkbaren Aufschwung, insbesondere gilt dies von der Messerindustrie, die nunmehr zu Folge der Neuerungen in ihrem Betriebe nicht ohne Erfolg die drückende Con- currenz des Auslandes bekämpft. Auch die Maultrommel -Fabrication hat wieder bessere Zeiten und ist mit reichen Aufträgen versehen. In den vielen Sensenwerken hämmern viele Hunderte Schmiede, damit ihre Meister der großen Nachfrage nach den unübertroffenen Steterer Sensen genügen können. Auch der Landmann hat Ursache, mit dem abgelaufenen Zeitabschnitte zufrieden zu sein. Denn die Trockenheit im Frühjahre wurde noch früh

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