Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

131 130 Während Her Eidesleistung hatte das vor dem hübsch decorirten Rathhause aufgestellte Bürgercorps eine Decharge abgegeben und nach derselben defilirte dasselbe vor dem Statthalter. Mittags fand im Hotel „Steyrerhof" ein Festessen statt, zu dem zahlreiche Einladungen ergangen waren. Dasselbe, von Hotelier Eisel- meyr bestens besorgt, nahm einen sehr ani- mirten Verlauf. Nach Beendigung des Diners verabschiedete sich Se. Excellenz in freundlichster Weise und begab sich in Begleitung des Bezirkshauptmannes R. v. Hebenstreit zum Besuche beim Grafen Franz Emerich Lam- berg und fuhr dann von dort nach Garsten, woselbst er die Strafanstalt, Kirche, Schule, Gemeindehaus und die Groß'sche Goldleistenfabrik eingehend besichtigte. Am nächsten Tage fuhr Se. Excellenz der Statthalter mit der Steyrthalbahn nach Grünburg, woselbst er vom Kirchdörfer Bezirk^hauptmanne erwartet wurde. Im Verein mit^ diesem unternahm er eine Inspektionsreise über Leonstein, Molln, Micheldorf, Kirchdorf und Scharnstein. Am 7. Mai Mittags starb zu Steyr Buchhändler Carl Lintl, Bruder des. Gemeinderathes Georg Lintl, im 36. Lebensjahre nach langem, schmerzlichem Leiden. Der Verblichene, welcher erst vor kurzem die Kutschera'sche Buchhandlung käuflich an sich gebracht, genoß ob seiner geschäftlichen Strebsamkeit und seines ungemein liebenswürdigen, jovialen Wesens die Achtung und die Liebe aller seiner Mitbürger uttd Freunde und die Kunde von seinem so frühen Ableben hat in der Stadt wie auch außerhalb derselben das schmerzlichste Bedauern hervorgerufen. Das Leichenbegäng- niß, welches am 9. Mai stattfand, gab den erhebendsten Beweis für die allgemeine Werth- schätzung des Dahingegangenen, denn die Betheiligung daran aus allen Kreisen der Bevölkerung war eine geradezu großartige. An demselben nahm auch die „Steyrer Liedertafel", deren eifriges ausübendes" Mitglied der Verblichene war, mit umflorter Fahne theil und sang vor dem Trauerhause und am offenen Grabe ergreifende Trauerchöre. Außerdem legten der Verein als solcher und speciell die Mitglieder des 2. Basses prachtvolle Kränze an dem Grabe nieder. Auch Deputationen des Männergesang - Vereines „Kränzchen", des Veteranen - Vereines und des Turnvereines hatten sich den überaus zahlreichen Leidtragenden angereiht. Den Conduct führte der Bruder des Verstorbenen, der hochwürdige Pfarrer von Molln, unter zahlreicher geistlicher Assistenz. Das dem Gasthofbesitzer Joses Bachbauer gehörige Anwesen „Gmerkl", das schönste Bauerngut der Gemeinde Weyer, ist am 10. Mai infolge Blitzschlages bis zum Grunde abgebrannt. Der weitaus größte Theil des Viehes wurde gerettet, doch war der Schaden ein äußerst bedeutender und durch Versicherung nur theilweise gedeckt. Zu den P f i n g st f e i e r t a g e n unternahm dieSteyrerLiedertafel eine Sängerfahrt nach Krems, die trotz des anfangs ungünstigen Wetters aufs fröhlichste verlief und der Liedertafel, welche in Krems ein Concert gab, neue Ehren brächte. Anläßlich des zehnjährigen Bestandes des T u rn v e r ein es in Kirchdorf fand während der Pfingstfeiertage dortselbst ein Bezirksturnfest statt, an welchem sich trotz des schlechten Wetters zahlreiche Turner von auswärts be- theiligten. Im Festzuge marschirten 108 Turner. Ein Schauturnen und eine Festkneipe bildeten die weiteren interessanten Programmnummern dieses schönen Turnfestes. Am 15. Mai fand in der Vorstadtpfarrkirche zu Steyr die Vermählung des Kaufmannes Carl Scholz, Sohnes des Gemeinderathes Johann Scholz, mit Fräulein Johanna Mahr, Tochter des verstorbenen Gemeinderathes und Bürstenwaaren-Fabrikanten Anton Mahr, statt. In Kirchdorf fand am selben Tage eine Doppelhochzeit statt. Es vermählte sich Fräulein Anna Weiß, Bürstenbindermeisters-Tochter, mit Anton Mühlbacher aus Amstetten und Fräulein Anna Kastner, Spänglermeisters- Tochter, mit Bürstenbinder Johann W e i ß jun. Abends war Tanzkränzchen, das aus allen Kreisen der Bevölkerung regen Besuch fand. Am 16. Mai starb bei seinem Schwager Gabriel Pichler in Linz der Schlosser und Hausbesitzer Emil B a ch t r o g aus Steyr. Es war innerhalb dreiviertel Jahren der dritte Todesfall, welcher diese allseits geachtete Familie betraf. Die Leiche wurde nach Steyr überführt und daselbst unter großer Betheiligung der Stadtbevölkerung beerdigt. Jn Hargelsberg starb am gleichen Tage der Besitzer des Kruggutes I. Hießmair, ein Ehrenmann in jeder Beziehung, dem ein gutes Angedenken immer bewahrt wird. Durch einen Hufschlag auf den Kopf wurde am 17. Mai der im Kamairgute, Pfarre St. Ulrich, bedienstete Knecht Franz Flöcker schwer verletzt. Gleichwie in vielen anderen Orten unseres Vaterlandes wurde auch in Steyr der fünf- undzwanzigjährige Bestand des. Neichsvolksschulgesetzes festlich gefeiert. Zu diesem Behufe hatte der „Fortschrittsverein in Steyr" am 19. Mai im Casino eine Fest- versammlung veranstaltet, die sehr zahlreichen Besuch fand und einen ernsten und würdigen Verlauf nahm. Der Vorstand des Fortschritt- vereines Dr. Franz Angermann wies in seiner schwungvollen Eröffnungsrede auf die Segnungen des Neichsvolksschulgesetzes hin und schloß dieselbe mit einem Hoch aus den Kaiser, das unter den versammelten Festgästen begeisterten Wiederhall fand, während die Musik- capelle die Volkshymne jntonirte. Wetters gedachte Redner pietätvoll des geistreichen Schöpfers dieses Gesetzes, des damaligen Unter- richtsministers Leopold v. Hasner, wobei sich die Versammelten von den Sitzen erhoben. Nach einem Vortrage der Musikcapelle hielt der k. k. Bezirks -Schnlinspector Anton Rol- leder unter gespannter Aufmerksamkeit die Festrede, in welcher er die Entwicklung des Volksschulwesens darlegte. Die formvollendete Rede, mit sonorer Stimme und überzeugendem Ausdrücke frei vorgetragen, machte tiefen Eindruck. Minutenlanger Beifall und Beglück- wünschungen lohnten die ausgezeichneten Ausführungen des Festredners. Sodann stellte Bürgerschullehrer Franz B u ch m a y r in gehaltvoller Rede einen Vergleich zwischen denSchul- verhältnissen und der Stellung der Lehrer vor und nach der Schaffung der Volksschulgesetze an. Auch dieser Rede wurde lebhafter Beifall zu Theil. Nachdem die SteyrerLiedertafel einige Chöre executirt hatte, wurden mehrere Toaste ausgebracht, worauf die erhebende Feier mit den Tönen des Deutschen Liedes geschlossen wurde. Am 20. Mai ertrank in der Enns zu Steyr der 7 Jahre alte Sohn Johann des Schnitt- waaren-Händlers Niederm ay r. Derselbe war von einem Floße in's Wasser gefallen und nach einiger Zeit spurlos in den Wellen verschwunden. Am 20. Mai wurde in Vorderstoder durch Hochw. Dechant S t r o b l in feierlicher Weise die Weihe der neuen Kirchen- glocke vorgenommen. Als Pathin fungirte Hiebei Stau Schröckenfux aus Spital, überdies wohnte eine große Anzahl Andächtiger der schönen Feier bei. « r Med. Dr. Alois Spängler, Ehrenbürger von Steyr. tagsfeier. In dem festlich .Die k. k. Statthal- geschmückten Casmo verterel hat FranzKa lt en- sammelte sich ein äußerst b ach er in Loscustein in Anerkennung der von ihm bei der am 1. Jänner bewirkten Ret- tnng des Mullergehilfen Franz R o b b a ch vom Tode des Ertrinkens in der Enns an den Tag gelegten Entschlossenheit eine Belob- nung zuerkannt. Am 25. Mai wurde in Steyr mit der Reparatur der Orgel in . der Stadtpfarrkirche begonnene In der 6. Generalversammlung der S t e y r- thalbahn, welche zu Steyr am 26. Mai abgehalten wurde, erstattete Präsident Dr» Jo- hann Hochhäuser den Rechenschaftsbericht über das abgelaufene Vetriebsjahr. Demselben war zu entnehmen, daß der Betriebs -Ueber- schuß 23.678 fl. 62 kr., gegen das Vorjahr um 7600 fl. mehr betrug. Aus diesem wurden 28 Stück. Actien behufs Amortisation rückge- kauft, 19.146 fl. für die Einlösung des Julicoupons mit 1%, 2000 fl. für den Betriebs- Reservefond und 1000 fl. zur Remuneration für die Beamten verwendet, während 802 fl. 62 kr. auf die neue Rechnung übertragen wurden. Das Hammetnergut zu Steinersdorf bei Waldneukirchen bräunte am 27. Mai vollständig ab. Die Futtervorräthe, Fährnisse, zwei Pferde, sämmtliche Kühe und Schweine .gingen mit zu Grunde. Die älteste Tochter des Besitzers erlitt schwere Brandwunden. Am 29. Mai schlug ein Blitz in den Thurm der Kirche in der „Heiligen Leithen" bei Pet- tenbach und zündete. Der Thurm bräunte bis zum Glockenstuhl nieder. Am 29. Mai spendete in Spital am Pyhrn der hochwürdigste Bischof von Linz 403 Firmlin- gen das heilige Saera- ment der Firmung, am nächsten Tage in Hetti- gettkrenz an 678 Firm- linge. Anläßlich des 70. Geburtstages des um die Stadt Steyr so hoch- berdienleu Arztes und Operateurs Dr. Alois Spängler, einem ge- bornen Salzburger, der sich im Jahre 1851 als praktischer Arzt hier niederließ, veranstalteten am 2. Juni die Steyrer Liedertafel, das „Kränzchen", die städtische Freiwillige Feuerwehr und die Section Steyr des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereines eine solenne Geburtszahlreiches, distinguirtes Publicum, darunter fast alle hervorragenden Persönlichkeiten der Stadt. Auch zwei Brüder des Jubilars waren anwesend. Der Obmann des Comites, Dr. Franz Angermann, begrüßte die Erschienenen und brächte auf deu Jubilar das erste Hoch aus, worauf Bürgermeister Johann Redl diesen beglückwünschte und ihm das prächtig ausgeführte Ehrenbürg rdiplom überreichte. Dr. Anger- mann gedachte sodann der Verdienste des Jubilars um die Steyrer Liedertafel und brächte ein dreimaliges „Hoch in harmonischem Sänge" aus, in das die Anwesenden lebhaft ein- stimmten. Namens der Eingangs erwähnten Vereine übergab Redner dem Jubilar zur Erinnerung an diese Jubelfeier ein geschmackvoll 9*

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2