111 Kurze KHronik von Steyr und dessen Jndnstriebezirk. Von Anfang September 1893 bis Ende Angnst 1894. Indem wir wieder daran gehen, über die Ereignisse, welche sich während des obigen Zeit- abschnittes in Steyr und dessen Jndustriebezirk zugetragen haben, zu berichten, drängt sich uns die Beobachtung auf, dass derselbe für Stadt und Land keine wesentliche Aenderung der bestehenden Verhältnisse mit sich brächte. Begann unsere vorjährige Chronik mit einem Berichte über einen für die Stadt Steyr schmeichelhaften Besuch der Kärntner Industrielles so können wir auch diesmal mit einer für die Stadt Steyr und ihren Jndustriebezirk hoch ehrenden Thatsache unsere Rundschau eröffnen. Bei der vom oberösterreichischen Gewerbevereine anlässlich seines 50jährigen Bestandes veranstalteten Landes Ausstellung in Linz hatte bekanntlich die Abtheilung des Steyrer Industrie Bezirkes einen großen Erfolg und erfreute sich des Beifalles aller Besucher, wovon wir schon in der Chronik des vorjährigen Kalenders Erwähnung gethan. Auch Erzherzog Franz Salvator zeichnete dieselbe am 2. September mit seinem Besuche aus, besichtigte sie eingehend und beehrte mehrere der anwesenden Aussteller mit Ansprachen. Eine weitere Auszeichnung, die allen Ausstellern aus Steyr zur hohen Ehre gereichte, war die Zuziehung des Obmannes und Vertreters der Steyrer Abtheilung Franz Tomitz zum De- jeneur. Zu Bad Hall starben am 1. September die Gasthofbesitzers - Gattin Marie Fuchshub er in ihrem 32. Lebensjahre, und der Hausbesitzer und Fleischhauer Karl Frischauf. Beide Verstorbenen gehörten zu den bekanntesten Persönlichkeiten des Ortes und erfreuten sich allgemeiner Werthschätzung. Am 3. September feierte der katholische Gesellenverein zu Sierning den Gedenktag seines vierzigjährigen Bestandes, aus welchem Anlässe sich der Verein eine neue Fahne an- schaffte und dessen Weihe feierlich beging. Am Vorabende wurde der Fahnenpathin Fräulein Louise Meßner, Besitzerin der Strickwaaren- fabrik, eine Serenade gebracht, an der alle Mitglieder des Vereines mit Lampions und die Musik des Bürgercorps theilnahmen. Trotz der Ungunst des Wetters trafen am Festtage aus der Umgebung zahlreiche Gäste ein und wurden vom Comite, bestehend aus Hochwürden Pfarrer Gukeneder, Vice-Präses Streer, Vereinssenior Jäger, Franz Dryler und Josef Mayrhofer, empfangen. Um 9 Uhr war Raillirung des Festzuges, welcher aus sämmtlichen Vereinen Siernings, zahlreichen auswärtigen Arbeiter- und Gesellenvereinen, den Ehrengästen und Ehrendamen mit der Fahnenpathin gebildet wurde. Nach der Fest- predigt und dem Hochamte wurde die Fahne von Hochwürden Canonicus Stieglitz geweiht und das übliche Nägeleinschlagen vorgenommen, worauf der Festzug, mit Blumen überschüttet, durch den festlich beflaggten Ort zog. Das Festbankett fand in Haiding ers Gasthaus statt und wurden während desselben zahlreiche Toaste ausgebracht. Unterhaltungen in verschiedenen Gasthäusern bildeten den Schluß dieses seltenen Gedenktages. Die Freiwillige Feuerwehr in Weyer feierte am 3. September die Jubelfeier ihres zwanzigjährigen Bestandes, verbunden mit dem vierten Delegirtentag des Feuerwehr-Bezirks- verbandes Weyer. Am Vorbande war musikalischer Zapfenstreich, nach welchem dem Commandanten Forstmeister Max Obermayr das Diplom als Ehrenmitglied des Vereines überreicht wurde. Tagreveille, Festgottesdienst und Frühschoppen gingen am Festtage der Dele- girten-Versammlung, die Nachmittags im Gemeinderathssaale abgehalten wurde, voraus. Trotz strömenden Regens fand sodann der Festzug und die geplante Schauübung statt. Letztere erntete vollste Anerkennung bei den erschienenen fremden Feuerwehrmännern. Ein Tanzkränzchen schloß die schöne Jubelfeier. Dem hochwürdigen Vorstadtpfarrer von Eteyr und Ehrendomherr Johann Nepomuk Dürrnberger, welcher anlässlich seines 25jährigenJubiläums zum Ehrenmitgliede des uniformirten Bürgercorps ernannt worden war, wurde am 4. September durch eine Deputation des Corps das bezügliche Diplom überreicht. In der dritten Schwurgerichts-Session wurde unter Anderen am 4. September die Dienstmagd Katharina Grub er, welche ihr auf offenem Felde geborenes Kind lebendig begraben wollte, wegen Verbrechens des ver-- suchten Kiudesmordes zu drei Jahren schweren Kerkers verurtheilt. In Lausa wurde am 4. September nachmittags der im Gemeindearrest internirte, blödsinnige Ortsarme Georg S ch.au p von der Gemeindedieners-Gattin todt aufgefunden. Ein Schlaganfall hatte dem Leben des 60jährigen Mannes ein plötzliches Ende gemacht. Dem Waffenfabriksarbeiter Franz Hub er in Steyr sprang anfangs des Monats während der Arbeit ein größeres Stück Eisen an das linke Auge, wodurch dieses derart verletzt wurde, dass es ausrann und momentane Erblindung eintrat. In Gaflenz feierte am 5. September Hochwürden Johann Scheid lehn er seine Primiz. Aus diesem Anlässe prangte der Ort in festlichem Kleide und nicht nur die heimische Bevölkerung, sondern auch viele auswärtige Gäste betheiligten sich an der schönen, christlichen Feier. Am 6. September fiel zu Lausa die 35 Jahre alte Bauerstochter Theresia Hinter- plattner infolge eines epileptischen Anfalles in den Mühlgraben und ertrank. Am selben Tage früh entstand im Hause des Schmiedmeisters Franz Miglbauer zu Frauenhofen durch Unvorsichtigkeit eines Lehrlings ein Zimmerfeuer, das glücklicher Weise bald entdeckt und gelöscht wurde. Am 7. September flog in Steyerling ein Pulvermischwerk der Redtenbacherschen Pulverfabrik in die Luft. Ein Verlust von Menschenleben war glücklicher Weise nicht zu beklagen. der materielle Schaden gering. Am 8. September verschied in Steyr an Gehirnlähmung Cafetier Mathias Sewerin im Alter von 50 Jahren. Derselbe war im öffentlichen Interesse wiederholt thätig und hat namentlich bei Ausstellungen in den Comites eifrigst gewirkt. Er war deshalb in weiten Kreisen bekannt und geachtet, was in dem ehrenvolleu Leichenbegängnisse beredten Ausdruck fand. Im Präsidial-Bureau des k. k. Kreisgerichtes wurde 8. September dem Hilfs- ämter-Vorsteher Franz Rodelsberger das ihm von Sr. Majestät verliehene goldene Verdienstkreuz mit der Krone im Beisein sämmtlicher Beamten vom Präsidenten H e b e n st r e i t in feierlicher Weise überreicht. Letzterer hielt hiebei eine ergreifende Ansprache, in welcher er die Verdienste des Decorirten und dessen langjährige treue Pflichterfüllung hervorhob und ein begeistert aufgenommenes Hoch auf Seine Majestät ausbrachte. Sodann ergriff tiefgerührt der Ausgezeichnete das Wort, dankte seinem Vorredner für die anerkennenden Worte und bat ihn, an den Stufen des Thrones seinen Dank für die empfangene Auszeichnung niederlegen zu wollen. Hierauf brachten die Beamten dem Decorirten ihre Glückwünsche dar, womit die schöne Feier beendet war. Die 20 Jahre alte Bauerstochter Therese Windhag er in Grotzendorf genas am 8. September auf freiem Platze vor dem Vaterhause eines Kindes, das sie, um der Schande zu entgehen, tödtete. Sie wurde deshalb in der 4. Schwurgerichtssitzung wegen Kindesmord zu 6 Jahren schweren Kerkers verurtheilt. Am 10. September starb zu Garsten der Lamberg'sche Revier-Adjunct Karl Amtmann im blühenden Alter von 31 Jahren. In der Nacht zum 13. September brach in einer Kohlenhütte der Om°zirk'schen Stein- parzmühle durch zu frühes Einbringen von noch nicht ausgeglühteu Kohlen ein Schadenfeuer aus, das nicht nur diese Kohlenhütte, sondern auch größere Holzvorräthe und mehrere Wägen vernichtete. Den vereinten Bemühungen der Nachbarsleute und d?r Feuerwehren von Letten, Sierning und Pichlern gelang es, die Ausbreitung des Feuers auf das große Holzlager und auf die umfangreichen Gebäulichkeitcn hintanzuhalten. Im Bahnhöfe zu Neuhofen wollte am 15. September der Oberbauarbeiter Wenzel Lovotta auf den bereits im Gange befindlichen Zug aufsteigen, wurde Hiebei von demselben geschleift und hiedurch an den Zehen derart verwundet, dass ihm diese, mit Ausnahme der kleinen Zehe, abgenommen werden wussten. Dem Magazineur der Waffenfabrik in Steyr Johann Doppler war von Sr. Majestät in Anerkennung seiner vieljährigen, einem und demselben Fabriksnuternehmen zugewendeten treuen und belobten Berufsthätigkeit das silberne Verdienstkreuz mit der Krone am 3. September verliehen worden. Anlässlich dieses Ereignisses wurde von Seite der Angestellten der Waffenfabrik. am 16. September eine gemüthliche Abendunterhaltung veran- staltet, der nebst einer großen Zahl von Festgästen auch die Verwaltungsräthe der Waffenfabrik Bürgermeister Johann Berg er und Baron von Buddenbrock, Jnspector Otto Schön au er und Bureau-Vorstand Doctor Friedrich Hösner und die Beamten, Ober- Werkmeister, Werkmeister und Partieführer bei- wohnten. Im Verlaufe derselben sprach Bürgermeister Berg er dem Decorierten, welcher noch einmal so lange, als die österreichische Waffen- fabriks-Gesellschaft bestehe, dem Unternehmen seine ausgezeichneten Dienste geleistet hat, nämlich 23 Jähre der Familie Werndl und 23 Jahre der Actiengesellschaft, namens des Verwaltungsrathes die Anerkennung aus und brächte ihm und seiner Familie ein Hoch, worauf Doctor Höfner dem Gefeierten mit anerkennenden Worten einen kostbaren Brillantring als Geschenk von den Beamten und Werkmeistern und Ferdinand Kutschern eine goldene Uhr mit Kette als Geschenk der mit der Waffenfabrik
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