Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

106 107 Kirche zum Platze auf. Eine zahlreiche Menge der Edlen des Landes, Herzoge und Grafen geleitete das Brautpaar. Stolz, mit geschlossenem Visier, in silber- belegter Rüstung, einen glänzenden Helm auf dem Haupte, sprengte Don Ramo di Castaldo hinter ihnen. Im Kreise seiner Freunde, der Herren von Starhemberg, Kuefstein, Hoheneck und Seeau, folgte Sebastian. Er trug einen einfachen schwarzen Harnisch und hatte zum allgemeinen Erstaunen einen Beedenhänder an der Seite hängen, wovon niemand wußte, was er zu Pferde damit anfangen wollte. So gerne es das Volk gesehen hätte, daß ihm als Oberösterreicher die Ehre des Tages verbliebe, zweifelten doch die Meisten, daß er mit seiner unscheinbaren Bewaffnung gegen den stolzen -Spanier aufkommen werde. Zwei Trompetenstöße riefen die Kämpfer in die Schranken, nachdem Alles seinen Platz eingenommen hatte. Auf das Zeichen der Wappenherolde sprengten sodann beide Kämpfer in donnernden! Galopp auf einander ein. In: furchtbaren Anprall splitterten beiderseits die Lanzen, und behende griffen die Ritter nach dein Schwerte. Schnell wie der Blitz lies; der Spanier seine Klinge sausen, mit glühender Begier drang er auf seinen Gegner ein. Aber im richtigen Momente ließ der Loßstainer die Zügel seines Rosses los, faßte mit beiden Händen den Beedenhänder, und während der bissige Hengst schnappend des Spaniers Gaul an der Nüster packte, führte er auf seinen Gegner einen so wuchtigen Schlag, daß die Funken stoben und der Helm Don Ramos klirrend zur Erde flog. Ein zweiter Streich warf den stolzen Spanier hilflos aus dem Sattel. Im Nu war auch der Loßstainer am Boden und setzte dem Bezwungenen die Schwertspitze an die Brust. „Satan!" rief er aus, „Gott ist gerecht, und Du hast Deine Strafe verdient. Doch so sehr ich auch nach Deinem Blute dürste, so will ich Dir vergeben, wenn Du mir sagst, wo sich Alice befindet." In diesem Augenblicke stieß Erzherzogin Anna, den Tod des Spaniers fürchtend, einen solchen Ruf des Schreckens aus, daß ihr erlauchter Gemahl sich erhob und durch lauten Befehl dein erbitterteil Ritter Einhalt gebot. Der Hof mochte wohl ailch den An- wesenden spanischen Gesandten schollen, der bereits eine finstere Miene über die, entehrende Niederlage seines Freundes Don Ramo machte. Zögernd und ungerne nur ließ der Loßstainer sein Opfer los. „So lebe, Schurke, zu Deiner eigeneil Schande", schrie er. Dann aber sprang er auf, bestieg sein Pferd, das ihm einer der Knappen msührte, uiid sprengte vor die Tribüne des Hofes, um dem jungen Brautpaare die Huldigung des Siegers zu bieten. Ein begeistertes Jubelgeschrei des Volkes erscholl nun in die Lüfte und im Triumphe führten den Ritter von Loßstain seine Freunde aus den Schranken. Alice war gerächt! Der pfeifende Rehbock. Herbstlich strich der Wind durch deil prächtigen Forst und rauscheild erzitterteil die Blätter der Bäume. Ansonstell war der Sommer uoch kalendermäßig im Recht und ebenso die Jagd auf Rehe, die Heuer, Wie man sagte, besonders ergiebig war. Sämmtliche Nimrode ulld solche, die die es Vorgaben zu sein, waren alltäglich auf den nägelbeschlagenen Sohlen und pürschten durch Wald lind Feld, bergauf, bergab, und überall erklang es hell und jauchzend: „Weidmannsheil!" Ja, Weidmannsheil! Heil waren die Jäger, die seit einigen Wochen in der Umgebung des hübsch gelegenen Badeortes D in O. pürschten, wohl alle, — heil war aber auch zum.größten Theile das Wild, denn auf die Jagd gehen ist leichter, als auf der Jagd ein Wild schießen, da happerts eben bei den meisten Nimroden. „Losgeh'n thaten ihnere Büchsen schon", meinte der alte Hans, der Windheger und unentbehrliche Helfer in der Roth, wenn er von seiner JagdgesellDer tapfere Sebastian voll Loßstaiil kehrte andern Tages in seine Stammburg im schöuen Ennsthal zurück. Als anno 1525 sein Vater Georg Achaz starb, dein er in einem prachtvollen Sarkophage in der Laurenziuskapelle zu Garsten, wo sich die Denkmäler der Losensteiner befinden, ein ewiges Denkmal setzeli ließ, übernahm er selbst die Herrschaft des ausgedehniell Besitzes, Ulld damit hatten auch seine Kriegs- und Waffenthatell ein Ende. Von Alice hatte er "nichts mehr gehört, ihr Andenken aber ist in seinem Herzen niemals gestorben. Der Spanier ward nach diesein letzten unglücklichen Debüt in Oesterreich nimmer- mehr gesehen. schaft des Abends im Wirthshause seinen Bekannten erzählte, „aber sie treffen halt nix! Entweder schiaßn's z'nah, oder z'weit, bald treffens an Hund und bald an Treiber, aber 's Wild last grad just immer pumperlg'sund und kreuzfidel davon und i han dann mein G'frett mit'n Z'sammkaufen von Hasen, Rebhendel und Reh, zum Glück gibt's bei uns Wildschützen eh grad gnua, glei mehr wie Wild, die leben um d'Jagdzeit schon grad fein!" Der alte Hans hatte nicht so unrecht, wenn ihm die Jagderlebnisse seiner Jagdgesellschaft nicht sehr imponierten, obwohl er deren Jagdmalheur etlvas zu stark aufgetragen wiederzugeben liebte. Sie trafen wirklich nicht viel, die ehr- samen Mitglieder der „St. Hubertns- Tischgesellschaft" in P., aber hie und da schoß doch einer oder der andere einem armen Häslein drei Härchen weg und dann — brachten die Herren regelmäßig jeder ein Vierteldutzend wirklich todtgeschossener Hasen nach Hause.

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