Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

104 105 morgen ein leichtes, und Ihr selbst zur rechten Stunde reisefertig sein!" Die ersten Strahlen des anbrechen- den Tages machten kaum den Glanz der Sterne erbleichen, als ein kleiner Reiter- zug, der in der Mitte eine Sänfte führte, die steile Berggasse hinabzog, die Steyr- brücke passirte und dann in der Richtung des Schnallenthores verschwand. In der Sänfte saß eine tief verschleierte Dame, deren Körper in heftigstem Schluchzen erbebte. Bald darauf wurde es im ganzen Schlosse lebendig. Pferde wurden gesattelt und gezäumt, die Huude kläfften, und unter den Segenswünschen der her- beiströnienden/ Bürger verließ auch der Kaiser seine liebgewordene Steyrerburg, um nach Wien zu ziehen, wohin ihn Re- gierungsgeschäfte riefen. Junker Sebastian wunderte sich gar sehr, als er beim Aufbruche vergebens Alice und den Spanier suchte. Er näherte sich den Gemächern, welche die Fremden bewohnt hatten, da vernahm er' ihre jähe Abreise, die schier einer Entweichung ähnlich sah. Sein Schmerz war grenzenlos/ Alice, Alice, rief es in seinein Herzen. Laut aber sagte er: Geduld, ich werde die Geliebte bald wieder finden! * * Sechsundzwanzig Jahre waren verflossen. Schon nach vier Jahren nach den hier geschilderten Ereignissen, 1499, war Kaiser Max wieder in sein liebes Sleyr gekommen. Damals hatte die Bürgerschaft ihm zu Ehren ein großes „Püxenschießen" veranstaltet. Der Kaiser wohnte aber damals nicht im Schlosse, sondern als Gast auf dem Edelsitze des Bürgermeisters Hans Prandstetter. Wie Prevenhuber erzählt, kam Max bei diesem Besuche auch einmal in die Prunkkammeu seines Gastfreundes und begehrte, er' möge ihn seine Schätze sehen lassen'/ denn Prandstetter war einer der reichsten Bürger von Steyr- besaß sechs Häuser in der Stadt und sechs in Steyrdorf, dann das Stadtbad, den Kleehof, den Edelsitz Ramingdorf und das Amt Oehling. Als nun Max die Kleinodien sah, fragte er ihn, was er ihm von denselben wohl schenken oder verehren werde. Prandstetter antwortete: Es gehöre dieser Schatz und all' das Seine ohnedies Sr. Majestät, welche Antwort den Kaiser so sehr erfreute, daß er nicht mehr als eine Goldmünze genommen, zum Andenken, wie er sagte. Im Jahre 1518 war Kaiser Max zunr letztenmale in der alten Eisenstadt. Auch Sebastian von Loßstain hatte sich während dieser Zeit seinen Weg gebahnt. Der schüchterne Junker war zu dem tapfersten und angesehensten Manne des Landes geworden, dessen Waffenruhm sich in den vielen Kriegen des Kaisers in Spanien, Italien und Frankreich weit über Oesterreich verbreitet hatte. Aber der ritterliche Held ivar dennoch nicht glücklich. Nux selten erschien ein Lächeln auf seinen Lippen, und sowohl im Rath als beinl Feste trug sein Antlitz einen trüben, düsteren Ausdruck!. War es Ehrgeiz oder Menschenhaß, der den Ritter peinigte?../ - / *" Rein! Sebastian' liebte noch immer Alice. Er liebte sie mitjenerstiefen und wunderbaren Gluth, die sehr oft für diejenigen entbrennt, die Han für immer verloren. Auf seinen Kriegszügen hatte er die geheimstem und entferntesten Winkel der Welt durchsucht, .um die edle Bur- gunderin wigderzufinden, deren Blick einst dasx,erste Samenkorn der Liebe in ihm erk^imen ließ. Er sah sie in seinen Träumen von jenem blendendenZau- ber umgeben, wie sie ihm zum erstenmale erschienen war. Von ihr selbst jedoch fand sich keine 'Spur.' / Da., gah'.'ds ach einmal — es war im Jähre- <1521 — große Festlichkeiten im Laiche ob der Enns. Im Schlosse zu L.iüz sollte am 26. Mai unter großen Feierlichkeiten die Vermählung des Erz- /herzogs, späteren 'Kaisers Ferdinand mit ' der jagellönischen Königstochter Anna sMWden und Mei Königreiche, Ungarn undBöhmen, sollten das ÜBescheidessen" sein, welches Oesterreich - vc n diesem Feste auf goldener Schüssel Heimtrug. Der ganze Adel des Landes war hiezn geladen und viel Volk war von Nah' und Fern' herangekommen. Auch Sebastian von Loßstain konnte dabei nicht fehlen. Auf einem starken Nößlein, ritterlich bewaffnet, ritt er am Vortage Abends im Linzer Schlosse ein. Ein langer, dunkler Mantel bedeckte ihn ganz, und machte ihn unkenntlich für die Menge. Daher mochte es wohl es auch kommen, daß im Schloßhofe, als er vorn Pferde gestiegen war, in der Dämmerung ein Mann an ihn anstieß und mit einem fremdländischen Fluche ohne weitere Entschuldigung an ihm vorbeikommen wollte. Diese Stimme ließ den Ritter bis in's Innerste erbeben; er sprang vorwärts, warf einen durchdringenden Blick auf das Gesicht desjenigen, dessen Stimme ihn so durchzitterte, und rief« „Der Spanier!" „Der Junker Sebastian!" rief seinerseits der andere im alten Tone der Verachtung. Es war wirklich Don Ramo di Castaldo, der mit .dem spanischen Gesandten ebenfalls zur Hochzeit erschienen war. „Endlich!" rief Sebastian von Loßstain, brüllend vor Wuth, /endlich habe ich Dich in meinen Händen-, Räuber, jetzt wirst Du mir aber nicht mehr entwischen." Und er sprqng auf den Edelmann zu, umfaßte ihn mit kräftigen Armen und sprach mit/zornbebender Stimme: „Ah, endlich werde ich mich doch rächen können, Ihr Gesponse der Hölle, endlich, nach so vielen Jahren werde ich erfahren, was Ihr mit Alice gethan." Auf denxLippen des Spaniers lagerte noch immer.'jenes höllische und teuflische Lächeln, welches einst Alice zur Verzweiflung brächte. „Ah! Sieh da, der liebe Junker von Steyr girrt nach den: Täubchen, das ihm einst entflattert." „Sprich, Elender, wo ist sie?" „Bei/San Jago", lachte höhnisch der Don, „Ich weiß es nicht; ich weiß es wahrhaftig nicht, denn ich habe sie seit dein Tage nicht mehr gesehen, wo sie in Gent den Klosterschleier nahm. Doch nun Raum, Du deutscher Tölpel, sonst machst Du mit meinem Degen Bekanntschaft!" „Ihr Satan!" rief der Loßstainer, „sechsundzwanzig Jahre habe ich Euch gesucht, möge sich die Hölle auf Euren Braten freuen." Damit rissen Beide ihre Schwerter von der Seite. Doch schon hatten sich über das Geschrei viele Ritter, die ebenfalls im Schlosse anwesend waren, um sie gesammelt. Man trennte die Streitenden mit Mühe, und die Freunde Sebastians Men diesen in das ihm angewiesene Quartier, wo sie ihm die Mittheilung machten, dass der Spanier bisher auch schon andere Ritter des Landes gröblich beleidigt und bei der Tafel laut die österreichische Ritterschaft zu einem Zweikampfe aufgefordert habe; es habe sich jedoch noch keiner als Gegner desselben gemeldet. „Hei, da kam ich zur rechten Zeit", rief der Loßstainer mit unheilverkündenden Blicken aus. „Dem Maulhelden und Mädchenräuber kaun gedient werden!" Noch am Abend wurde es in der Stadt bekannt, daß Sebastian von Loßstain dein übermüthigen Ramo den Fehdehandschuh hingeworfen habe. Nun vergaß das Volk beinahe auf die Hochzeit und die ganze Festlichkeit, so gespannt war Alles, welchen Ausgang der bevorstehende Zweikampf nehmen würde. Nächsten Tages lief und tobte schon am frühen Morgen eine neugierige Menge in den Straßen der Stadt, besonders am Tummelplatz und der Altstadt, wo der Hochzeitszug durchpassiren mußte. Eine gleich große Volksmenge aber stand am Hauptplatze, wo die Turuierschranken abgesteckt und Zuschauerbühnen für die höchsten Herrschaften und Edeldamen errichtet wurden. Inmitten war der Sitz der Majestäten, und in den Strahlen der Sonne funkelte das Banner des Hauses Habsburg, das von Wimpeln und zahllosen Fähnchen umflattert war. Endlich brach unter Glockengeläute und dem nicht enden wollenden Jubelgeschrei des Volkes der Zug aus der

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