Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

100 Stadt herauf, das Volk staute sich, und Alles eilte, ein möglichst gutes Plätzchen zu gewinnen. Die Musik voran, zogen nun dre Ge- werke, geführt durch die Zuuftmeister, vom Stadtplatze her durch die Pfarrgasse dem Platze zu. Jedes Gewerke hatte seine eigenen Embleme. An der Spitze schritten die stolzen Messerer, deren Erzeugnisse sich im ganzen Reiche des besten Rufes erfreuten. Dann kamen die Nagel-, Bohr- und Waffenschmiede, die Klingenschmiede und Schleifer. Wie sie auf dem großen Raume aufmarschierten, schwenkten sie fröhlich die Banner und manches holde Mägdlein fühlte beim Anblick der frischen Gestalten sein Herz heftiger klopfen. Hoch zu Pferde, einen mit wallenden Federn bedeckten Sainmthut, — damals noch eine große Seltenheit, — auf dem freundlich nickenden Haupte,' ritt der Kaiser heran. Dann folgte der fremde und einheimische Adel. Da war Herr Georg Achaz von Loßstain, Rolf von Pernstein und Eberhard Hayden. Im Zuge sehen wir die drei nächtlichen Reiter vom Vortage: Don Ramo di Castaldo in prunkendem spanischen Gewände, den Junker Sebastian von Loßstain, und unter dem blühenden Frauenkranze die strahlende Burgunderin, Alice. Hinter denselben schritten ernst und würdig die Rathsherren, die Lyst, Engel, Koller, Praunauer, Peurwanger, einher. Wilhelm Zeller, der rechtskundige Stadt- schreiber, und Francesco Sehwaldino, der sprachenkundige Dolmetsch der Handelsherren, waren im Zuge. Bürger und Landvolk drängten in Menge nach, um das Fest mit anzuschauen oder ihren Bedarf an Einkäufen am Festplatze zu decken. Ein Trompetenstoß rief die Gesellen auf dem Spielraum zusammen, nachdem Alles seinen Platz eingenommen hatte. Auf ein Zeichen des Kaisers traten zuerst die Messerer vor und, führten gewandt und sicher den „Schwert-Tanz" auf, bei dem fast alle Momente des wirklichen Kampfes zur Schau traten, .während sich die Theilnehmer nach dem Takte der Musik durcheinander bewegten. Es war eine Freude, die schlanken, elastischen Gestalten der jungen Leute zu sehen, wie sicher sie die geführten Stöße und Streiche austheilten und parirten, die haarscharfen Klingen kreuzten und um einander wirbelten und am Schlüsse des Tanzes eine, alle Situationen des Einzelkampfes darstellende Gruppe bildeten. Lauter Beifall lohnte die Aufführenden. Besonders war der Kaiser froh bewegt und blickte heiteren Auges um sich. Waffen- spiel in Scherz und Ernst war von jeher seine Freude, darum hat ihm auch die Nachwelt den Namen „Der letzte Ritter" gegeben. Er kämpfte wiederholt in Schlachten mit dem Schwerte, Mann gegen Mann, und hatte erst im Vorjahre auf dein Reichstage zu Worms gegen den französischen Ritter Claude de Battre, der die deutsche Ritterschaft zum Kanipfe forderte, unerkannt mit geschlossenem Helmgitter einen gefährlichen Zweikampf bestanden und den Franzmann glänzend besiegt. Auch in seinem „Weißkunig" und „Theuerdank" verherrlichte er Kampfspiele und ritterliche Thaten, kein Wunden daher, dass ihm der Schwert- Tanz der Messerer gar wohl gefiel. Diese frohe Laune des Fürsten be- nützten alsbald die Rathsherren. Geführt von Hans Prandstetter, traten sie mit einem großen silbernen Humpen vor das Seit, um Max den Ehrentrunk zu reichen. Frohen Muthes faßte der ritterliche Herr den Pokal, schwang ihn gegen die Spender und leerte ihn auf das Wohl und Gedeihen der gastlichen Stadt. Abermals aber trat Herr Prandstetter vor und überreichte dem Kaiser ein fein gearbeitetes Kästchen, bis an den Rand gefüllt mit glänzenden Ducaten. Feuchten Auges nahm derselbe das große Geschenk entgegen, denn Geld, das war ja die ewige Sorge, die ihn sein Lebenlang nicht verließ. „Wohlan, Ihr guten Bürger meiner getreuen Stadt, nun thut Euren Spruch, denn gerne sind wir gewillt, Euren Opser- muth mit Gleichem zu belohnen", sprach er sodann gerührt. Da neigten die Herren ihre Knie und ! reichten dem Kaiser eine zierlich geschriebene Urkunde dar, in der die Bürger baten, ihren Rath und Bürgermeister in freier Wahl wählen zu dürfen, und von der bisherigen Gepflogenheit der Einsetzung eines Stadtrichters in Hinkunft gnädigst Umgang zu nehmen. Huldvoll lächelte Max dazu und überreichte die Schrift seinem hinter ihm stehenden Kanzler.*) Lauter Jubel erfüllte nun die Luft; Fanfarenklänge ertönten, freudig drängte das Volk gegen das Kaiserzelt, jeder wollte den Fürsten sehen. Dann nahmen Fest und Spiele ihren Fortgang, und zum Schlüsse wurde gar- tüchtig das Tanzbein geschwenkt, auch deu Getränken wacker zugesprochen Während das Volk in seiner Weise sich vergnügte, suchte Junker Sebastian seine schöne Unbekannte vergebens am Festplatze. Endlich fand er sie abseits von demselben neben dem ehrwürdigen Gotteshause, der Pfarrkirche, die damals unter Wolfgang Denk schon ziemlich der Vollendung entgegenging. Ein feines Brabanterhäubchen umschloss ihr blühendes Gesicht und hielt die glänzenden Haare fest, die am Nacken hervorquollen und sich nur mit Mühe von den Bändern halten ließen. Sie schaute den Junker just in dem Augenblicke an, als seine Augen sich zu ihr hinwandten. Ein wunderlich Glüh'n flog über Stirn, Wangen und Hals, dann hob sie drohend den Finger und schalkhaft lächelnd sagte sie: „Versehet Ihr so . den Ritterdienst, zu dem der Kaiser Euch befohlen? Schon glaubte ich, daß Ihr in der Festesfreude meiner ganz vergessen." Ein schwermüthiges Lächeln schwellte ihre üppigen Lippen, die Leidenschaft athmeten. Sie reichte ihm ihre hübsche Hand. Der Jüngling blieb wie geblendet stehen. Wie hätte er Alicen vergessen können, angesichts dieser verführerischen Schönheit ohne Gleichen! Sein Herz sing an, mit Heftigkeit zu schlagen. ' *) Der Rechtsgaug war jedoch damals schon so schleppend wie heute; erst 1499 erhielten die Steyrer das Recht, ihren Bürgermeister und sechs Stadträthe ohne Zwang nach freiem Ermessen zu Wahlen. Anm. d. Vers. " ' ' 101 „Junker", sagte sie zu ihm mit jener harmonisch tönenden Stimme, die ihn Tags zuvor bis ins Innerste erzittern gemacht, „begleitet mich, wir wollen einen Rundgang machen durch die Stadt, die auf niich so srenidartig wirkt und mir doch so gut gefällt." Der junge Mann war dazu natürlich mit tausend Freuden bereit. Es -war ihm nach und nach gelungen, der wunderbaren Aufregung, die sich seiner wie am Vortage bemächtigte, Herr zu werden und seinen Gleichmuth wieder zu gewinnen. Er schritt artig neben der Schönen hin und zeigte ihr die Wunder der alten Eisenstadt, Zug um Zug. Manches Haus, manche Säule gab Anlaß zu einer Bemerkung. Er erzählte, wie im Jahre 4 08 Winulph, einer der Treuen des Gothen- königs Alarich, den Grund zur ersten Burg gelegt, wie der junge Held Dietleib diese Burg schon gegen die Hunnen und deu gewaltigen Dietrich von Bern tapfer vertheidigt, wie hier später ein reich begütertes Grafengeschlecht seßhaft geworden, die sich Markgrafen von Steyr nannten, und wie der letzte derselben, der kinderlose Ottokar VIII., im Jahre 1183 dann die Burg mit allen Gütern und Ländereien dem Herzog Leopold V. aus dem Hause Babenberg geschenkt und übertragen habe. Er erzählte von den reichen Patrizierfamilien der Stadt, wie z. B. Leuthold Milchdopf der aus Eigenem 100 Mann zum Kreuzzuge unter Herzog Leopold ausgerüstet, von Sigmund Traindt, der mehr Geld und Gut besessen, als die Fürsten des Landes, und von Heinlein's, des Juden, wundersamem Töchterlein, die das Volk wegen Zauberei zu Tode ge- steiniget habe. Die junge Dame hörte dies Alles mit jener gespannten Neugierde an, der sich Frauen gewöhnlich hingeben, wenn ihnen ein Mann, den sie lieben oder zu lieben beginnen, von sich oder seinem Hause erzählt. Die Herzen Beider hatten sich gefunden, wenn auch der in der Ab-

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