Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

98 jedoch seine edle Erscheinung in vortheil- haftester Weise. , Da sein Geschlecht, ine Loßstamer, in Steyr uraltes Patrizierrecht besaßen, war er wie andere Junker den Fremden, die mit Max in die Stadt gekommen waren, zum Ehrendienste bestimmt worden, und ihn speziell hatte das Los dem spanischen Granden Don Ramo di Castaldo zugetheilt, der mit seiner Nichte und Mündel Alice von Brabant, einer Freundin Marias von Burgund und reichen Erbin in Gent, bei diesem Anlässe zum erstenmale nach Oesterreich gekommen war. Allerdings paßte der finstere Don wenig zu dem holden Frauenbilde, das er gar neidisch zu bewachen schien. „Nun, junger Mann", rief er eben m:t einer gewissen Ungeduld neuerdings dem jungen Loßstamer zu, „habt Ihr mich nicht gehört?" ' „Verzeiht, gnädiger Herr , erwiderte der Jüngling, aus seiner Träumerer geweckt, in der er eben versunken war, als das glänzende Paar sich ihm genähert, „ich bin gleich zu Diensten." Die Stimme des Knappen war m eben dem Maße frisch und wohlklingend, wie sein Gesicht schön. Die junge Daine, welche sich auf den Arm des Spaniers stützte, wurde dadurch auf ihn aufmerksam gemacht und ihr Blick haftete mit plötzlichem Aufleuchten auf ihm, als er nun fortsprang und alsbald wieder mit drei Pferden erschien. Während das eine der Edelmann bestieg, führte er das zweite der holden Schönen zu, indem er ihr artig beim Aufsteigen behilflich war; dann schwang er sich selbst rasch auf den dritten Gaul. Ueber die Brücke trabend schlugen sie dann den Weg nach Garsten ein, der die meiste Annehmlichkeit und die wenigsten Fährnisse zu bieten schien. . „Bei der heiligen Jungfrau , lispelte das Fräulein heimlich ihrem Begleiter ins Ohr, „das ist ein Jüngling, wie ich reizender noch keinen gesehen habe." „Wie, Alice?" erwiderte der Spanier mit "rücksichtslosem Lachen, „Ihr werdet mir doch nicht Feuer fangen in diesem weltvergessenen Erdenwinkel unter diesen deutschen Bauern?" Das Edelfräulein erröthete bei diesen: Spotte bis hinter die Ohrwurzeln. In diesem Augenblicke war der Mond soeben voll über die Berge heraufgestiegen und ergoß sein mildes Licht über die Gegend und die späten Reiter. Scheuend vor irgend einem Schattenbild, knachte zugleich das Pferd der Dame einen ungefügen Seitensprung, der sofort den Knappen zur Stelle rief. Den Zelter anr Zügel greifend, sah er erst im klaren Mondesschein die junge Reiterin genauer an, und er war einen Augenblick wie gebannt durch ihre Jugend und Schönheit. Der Zügel entfiel wieder seiner Hand und es bemächtigte sich seiner jene athem- lose Bewunderung, die einen Menschen öfter ergreift, wenn er einer solchen Vollkommenheit begegnet, dass sie selbst das Ideal seiner Träume übertrifft. Von ihrem Auge schien auf ihn ein Zauber übergegangen zu sein, der sofort seinen ganzen Sinn gefangen nahm. Den lauernden Augen des Spamers entging diese Bewegung des jungen Knappen nicht. . , „Ha, Junker", rief er nnt schneidendein Höhne, „Ihr scheint in den alten Traum zurückzufallen, aus dem ich Euch sehr gegen meinen Willen beim alten Steyrerschlosse erweckte. Oder ist es Sitte hierzulande, aus den Linien des Gesichts zu lesen, dass Ihr meine Mündel so anstarrt, wie weyland König David die Abigail?" Hoch erröthend blieb der Jüngling mit seinem Pferde zurück; er antwortete zwar nicht, verbarg aber auch nicht den tiefen Unmuth, der ihn erfaßte. Auch das Fräulein fühlte sich beschämt. „Auf diese Weise werden wir uns wenig Freunde in diesem Lande schaffen, Ohm", sagte sie-flüsternd. „Liegt auch gar nicht in meinem Sinn , entgegnete dieser barsch. „Ihre Stimmung ist diesen Abend wirklich abscheulich, Don Ramo", sagte die Schöne und schwieg sodann. Während dessen war man auf der Straße so weit vorwärts gekonimen, um plötzlich die ehrwürdige Benedictiner-Abtei Garsten mit den: zauberhaften Gebirgs- hintergrunde zu erblicken. Der Mond ergoß seine matten Strahlen über die mächtigen Mauern und glänzenden Thürme, die großen Bogenfenster glitzerten im Widerscheine wie Silber, der Schoberstein streckte. wie ein ergrauter Wächter sein uraltes Haupt mit den: achtzackigen Kamme in die Lüfte und die rauschende Enns murmelte aus der Tiefe ihr ewiges Lied zu der Höhe empor. Unwillkürlich entschlüpfte der Dame ein heller Ausruf der Bwunderung über das entzückende Bild. Auch der stolze, fremde Edelmann konnte seinen Beifall nicht verbergen. „Haltet hier ein wenig, Alice", sprach er zu seiner Dame, „ich will mir den Bau mehr von der Nähe besehen." Damit sprengte er den kleinen Hügel zur Abtei hinab. „Das ist himmlisch", sagte die Zurückgebliebene zu dem Knappen gewendet. „Gewiss kennt Ihr die Gegend, und Ihr müßt bei anderer Gelegenheit einmal tagsüber meinen Führer und Cicerone machen in dieser herrlichen Landschaft." Der schöne junge Edelknecht zitterte, als die Dame ganz nahe an ihn heran- rrtt und ihm warm in die Augen sah. Was der weltgewandten Brabanterin etwas ganz Natürliches dünkte, daß sie unbesorgt an seiner Seite blieb, brächte den Unerfahrenen in eine solche Ver- wirrung, dass er eine plötzliche Bewegung machte, als wollte er sich einem geheimniß- volleu Zauber entziehen; allein die Fremde « v ihn Wieder jenen tiefeindringenden Bück, der ihn schon einmal erbeben gemacht, und sprach: „Wie heißt Ihr, junger Edelherr?" „Mein Name ist Sebastian, gnädiges Fräulein. Mein Geschlecht aber ist das älteste in diesen: Lande, und gar nicht weit von hier; auf dem festen Loßstam steht die Stammburg meiner Väter." „Ah!" n:achte die Schöne mit einer Geberde des Erstaunens. Dann blieb sie längere Zeit gesenkten Auges und wie in 99 Gedanken versunken au der Stelle, bis nahender Hufschlag die Rückkehr ihres Cavaliers kundthat. Ju leichtem Trabe kehrten sie dann den früher gemachten Weg zurück. Sebastian befand sich wie in: Traume. O mein Gott, dachte er, wie schön ist diese junge Dame. Noch nie habe ich ein Mädchen von solcher Anmuth gesehen. Ich fühle es, ich liebe sie! Ich werde morgen beim Festsptel der Zünfte an: Platze vor dem St. Gilgenthor erscheinen, un: sie wieder zu sehen. Als sie in: Schloßhofe von den Pferden stiegen, blieb die Burgunderin unschlüssig stehen. Leuchtenden Auges sah sie den Junker an und dankte ihm freundlich für seine Begleitung. Dann trat sie an ihren Gefährten heran, legte ihre weiße, duftende Hand auf seine Schulter und sagte: „Don Ramo di Castaldo, ich ersuche Euch um eiue Unterredung von höchster Wichtigkeit." „Morgen, meine Gnädigste! Morgen ist auch noch ein Tag, für heute dürfte es besser seii:, endlich der Ruhe zu pflegen. _ Andern Tags war die Stadt in lebhaftester Bewegung. Einheimische und Fremde drängten sich durch das Sauct Gilgenthor auf die schöne, freie Wiese, un: die mannigfachen Sehenswürdigkeiten, welche in Buden und Zelten geboten wurden, in Augenschein zu nehmen. Die eine Längen- und Breitseite des ab- gegrenzten Raumes nahmen große Zelte ein, welche für den Kaiser und sein Gefolge errichtet waren, nebenan in der zweiten Breitseite wurde Bier und Wein geschenkt, gegenüber waren Bänke aufgeschlagen, deren vorderste Reihen für die Frauen und Töchter der Bürger Vorbehalten waren. Eine auf hölzernen Säulen erbaute Empore war für die Jüngerinnen Terpsi- chorens bestimmt, auch nahm die schon damals berühmte Musikkapelle der Bürgerwehr daselbst ihre Aufstellung. Endlich ertönten Fanfaren aus der 7»

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