Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

Des Loßflarn Rache. Historische Erzählung aus Stcyr's Vorzeit von Ludwig Kollermann. Es war dies zur . Zeit der höchsten Blüthe der alten Eisenstadt, zur Zeit, wo das reiche Steyr mit feinem Handel alle österreichischen Städte beherrschte, wo Festlichkeiten der Bürger und ritterliche Spiele des Adels, wo Minnelieder und froher Meistersang mit einander abwech- selten und den Glanz und Ruhm Steyr's weit über die Marken Oesterreichs verbreiteten. Die Stadt bot damals auch in ihrem Aeußeren ein imposantes Bild. Im Schmucke seiner neuen Thürme und Ringmauern, die erst 1480 durch Meister Felser von Wien auf kaiserlicheu Befehl theils erneuert, theils neu gebaut worden waren, mit dem hochragenden Schlosse und den weißen, freundlichen Bürgershäusern, war das alte „Kleinod" des Traungaus der Sanunelpunkt für Frohsinn und Freude, — kein Wunder daher, dass der selbst lebenslustige Kaiser gar gerne in seinen gastfreundlichen Mauern weilte. „Holla! Junker! Die Pferde vor, und weiset uns einen Weg, auf dem sich er 14. Mai des Jahres 1495 war ein Jubeltag für die blühende, glückliche Stadt Steh r. War doch Max, der geliebte Kaiser, der „letzte Ritter" und edle Vürgerfreund, schon früh Morgens mit großem Gefolge in Steyr eingezogen, nur wieder einmal im alten Steyrer- schlosse, unter „seinen allzeit lieben, getrenen Bürgern" . einige Zeit zu verweilen. Die Stadt hatte sich zu seinem Empfange aufs glänzendste geschmückt und für die nächsten Tage standen die verschiedenartigsten Festlichkeiten in Aussicht. angenehm noch zur Erholung ein kurzer Abendritt machen läßt." So sprach mit gebieterischer Stimme ein glänzender Edelmann im Seiden- wams, auf dessen Arm sich eines jener reizenden, fremdartigen Wesen stützte, die mit des Kaisers Gemalin aus Burgund nach Oesterreich gekommen waren. Der Edelknappe, an den die barsche Ansprache des Herrn gerichtet war, hatte mit verschränkten Armen am hohen Geländer der Schloßbrücke gelehnt, und hatte soeben mit einer frischen, jugendlichen Stimme und einem etwas schwermüthigen Ausdrucke ein altes Volkslied vor sich hingesummt. Sein Name war Sebastian von Loßstain (jetzt Losenstein). Er war ein Jüngling von etwa zwanzig Jahren, hoch, schlank und schön. Das blonde, in Locken herabhängende Haar umgrenzte eine hohe Stirne, die den Typus des alten Gothen- blutes trug. Trotz seines festen Körperbaues hatte er hübsche, zarte Hände, und seine Füße, die in feinen Corduanleder- stiefeln steckten, zeigten eine tadellose Form. Seine Knappentracht war einfach, hob 7

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