Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1895

96 Als der Kampf eine Zeitlang hin und hergewogt hatte, machte die große socialistische Arbeitervereinigung der „Ritter der Arbeit" den Strike zur Parteisache und verfügte die allgemeine Arbeitseinstellung. Mehr als eine Million Arbeiter wäre dadurch zum Feiern verurtheilt worden. Aber der Coup mißlang, der allgemeine Strike fand leinen Anklang, und mit dem Scheitern des allgemeinen Ansstandes war der Widerstand gebrochen, so daß zur Zeit, da wir diesen Bericht schließen, bereits ein allgemeines Einlenken in die alten friedlichen Bahnen zu merken ist. Marokko. Dieser nordafrikanische Staat, der seit langem einen von den westlichen Mittelmecrmächten Wcrchtrrag. Wahrend der Chronist mit der Anführung der vorerwähnten Ereignisse alle Prüfungen erschöpft zu haben glaubte, die den Völkern im Laufe des vergangenen Jahres auferlegt wurden, durchfuhren im Augenblicke, .da dieser Bericht geschlossen war, rasch aufeinander folgend zwei neuerliche Hiobsposten, die zum Theile auf eine große politische Partei, zum Theile auf die ganze civilisirte Menschheit den schmerzlichsten Eindruck machten. Dr. Keitsberg. Am 13. Juli starb in Wien der österreichische Reichsrathsabgeordnete Dr. Heilsberg. ein hervorragendes Mitglied der deutschliberalen Partei und ein um die Vorstandsleitung dieses großen Clubs überaus verdienter Mann. Ein zweiter Todesfall, dessen Kunde die weitesten Kreise der civilisirten und ganz bemit Argusaugen betrachteten Erisapfel bedeutet, wurde am 11. Mai von einer schweren Katastrophe heimgesucht. Sultan Abdul Azkz, der eben auf einem Kriegszuge gegen die räuberischen und rebellischen Kabylen begriffen war, starb eines plötzlichen Todes — wie es heißt an einem Schlaganfalle — aber der marokkanischen Todteubeschau, namentlich bei Herrschern, hat noch. niemand trauen dürfen. An seiner Stelle bestieg sofort Mulei Hassan, ein Verwandter des Dahin- geschiedeuen, den Thron, wiewohl der näher verwandte Mulei Mohammed der nächstberechtigte gewesen wäre. Um dem Letzteren die Lust auf seine Prä- tendentjchast zu nehmen, wurde er dingfest gemacht und eingekerkert. sonders die Gelehrten-Welt erschütterte, fällt auf den 17. Juli. Josef Hyrtl, der berühmte Anatom der Wiener Universität, der so unendlich viel zum Ruhme der Wiener medicinischen Schule beigetragen hatte, ist in Perchtoldsdorf bei Baden in stiller Zurückgezogenheit, die ihm die Beschwerden des Alters aufgezwungen hatten, plötzlich gestorben. Hyrtl war der größte Anatom seiner Zeit, der geschickteste Präparator, der je ein anatomisches Museum ausgerüstet Sröf. Aosef Kyrtt. hat, ein begeisternder Redner, ein Historiker, Sprachforscher und Philosoph. Dabei war Hyrtl eimr der größten Wohlthäter und Menschenfreunde, der Hunderttausende seines mühsam erworbenen Vermögens leichten Herzens verschenkte, so daß eine Legion von Armen und Enterbten an seiner Bahre bittere Thränen vergoß. Heimkehr von der Mgd auf dem AömgKsee. Nach dem Originalgemälde von W ilb . N) ex.

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