Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1894

26 „Ja, ja, fällt mir schon ein, mein Gedächtniß ist ausgezeichnet — na, so ein Schwindler!" „Herr Hauptmann, bitt' gehorsamst, meine Frau hat wirklich entbunden .. ." „Aber vor zwei Monaten! Wissen S' was, guter Freund, das nächstemal dulden S' halt nicht, daß Ihre Frau Gemalin nach Bruck fährt, wenn sie in den letzten Zügen liegt." Der Reservist fährt mit der rechten Hand am Gewehrriemen in die Höhe und der Compagnie-Commandant macht einen Schritt nach rechts. „Herr Hauptmann, ich bitt' gehorsamst um vierundzwanzigstüudigen Urlaub nach Wien, von heut' abends bis morgen." ^Wird wieder was Dringendes sein; wollen wahrscheinlich der Ausstellung einen Besuch abstatten?" „O nein, Herr^ Hauptmann," eut- gegnete der Soldat betrübt, während ein Seufzer seine Brust hebt, „ich hab'vorhin ein Telegramm kriegt ..." „Ein Telegramm!" ruft der Hauptmann ungemeiu belustigt. „ . . . daß in der Nacht meine Frau entbunden hat." „So, so!" Der Hauptmanu fixirt ihn scharf, aber der Urlaubswerber bleibt ernst und gefaßt, wie man es von einem gefühlvollen Ehemann beim Empfang einer derartigen Botschaft zu verlaugen berechtigt ist. „Nun, und Sie?" „Herr Hauptmann," fleht der Folgende, „ich bitt' gehorsamst um Urlaub von heut' bis morgen " „Was fehlt denn Ihnen?" „Herr Hauptmann, ich m elde gehorsamst, meine Groß - mutier. . ." Reden S' nichts weiter, ich weiß Alles: ringt mit dein Tode oder ist vielleicht gar schon gestorben?" „Gestorben; morgen is d'Leich!" „Condolire aufrichtig. Und der Nächste? Auch Urlaub, natürlich?" „Herr Hauptmann, gestern in der Nacht hat meine Frau . . ." „Selbstverständlich — aber Sie, mir scheint, Sie haben ja am verflossenen Samstag aus demselben Grund Urlaub genommen?" „Nein, Herr Hauptmanu, da ist meine Schwester . . ." „Ah ja, ganz recht: auf ihrer Durchreise nach Wien gekommen und hat sich blos einen Tag aufgehalten . . . Was, die wollen alle Urlaub? Was ist's denn zum Beispiel mit Ihnen?" „Herr Hauptmann, mein Onkel. . ." „Der Arme! Es ist geradezu bxsvrg- nißerregend, wie sehr in Wien die Sterblichkeit zur Zeit der Waffen- übungeu zunimmt! — Und Sie? „Herr Hauptmanu, meine Frau ..." „Das ist bisher der Dritte.— Und von Ihnen istjedenfallseinB rüder kraut?" „Nein, Herr Hanptmann, eine Tante." „Ah, hol' Euch alle der Teufel, ich lass' mich nicht länger zum Besten halten ! — Heut' will ich Euch den Urlaub noch bewilligen, wenn mir aber am nächsten Samstag vielleicht wieder so ein Schwindler Jemanden sterben oder auf Kumomstifches. Kine reizende Salyre auf die in deutscher Sprache üblichen Kremd- wörter gibt ein pseudonymer Herr „Jean Erlanger,Saloiipoet, Haute blonvoante" in der „Zeitschrift des allgemeinen deutschen Sprachvereins" durch folgende Un - schreibung der Loreley: Die Loreley. (Mit Approbation der Manen des Autors )' Ich weiß nicht, warum miserabel Zu Muth mir und ich so moros. Eine längst antiquirte Fabel Läßt mich partout nicht los! Das Thermometer sinket, Phlegmatisch fließt der Rhein. Die Bergterrasse blinket Superb im Abendschein. Dort oben hat sich placiret . Ein Mädchen charmant in der That; Sie ist mit Brillanten garnieret Und macht Toilette gerad. Mit goldenem Kamin sich srisirend Eine Arie sie intonirt, Die, complelt elektrisirend, Ganz virtuos war componirt! Den Schiffer im Liliputkahne Ergreift vehementes Weh! Er sieht nur die Courtisane Dort oben im Negligä! Latin, das Ende der Fabel: Er sank mit Eklat in den Rhnn, Hub dafür ist responsabel Die Loreley allein! 27 die Welt kommen läßt, so kriegt er seine sieben Tag' „Einzeln" nach der Waffen- Übung, daß ihm die Schwart'n kracht. Und das wißt Ihr, daß ich auf ein solches Versprechen nicht vergesse, denn ich hab' ein ausgezeichnetes Gedächtniß!" — „Rapport abtreten! Wer ist der bescheidenste Mann in Berlin? fragte ein Witzbold seinen Freund Strohmüller. Dieser hatte keine Ahnung, und der Witzbold fährt fort: „Der Tapezierer Hiltl, denn er hat den deutschen Kaiserthron ansgeschlagen." — Dieser Scherz gefällt Strohmüller sehr, und als er nach Hause kommt, stellt er die gleiche Frage im Kreise seiner Familie. Da Niemand den bescheidensten Mann errathen kaun, nennt er den Tapezierer Hiltl. — „Warum?" schreit mau ihm entgegen. Strohmüller lächelt schlau und antwortet: „Weil er den deutschen Kaiser- thron frisch überzogen hat!" Deshalb. „Aber warum hast Du denn zur Fahrt uach Hause den theuern Courier- zug und nicht den weit billigeren Bummelzug benutzt? Studio: „Ja, weißt Du, der hält gar so oft an und nüchtern wolü' ich doch nach Hause kommen!" Sonderbarer Schluß. Uuterosfieier (zu einem Recruten, der an der Inschrift des Koppelschlosses „Gott mit uns" das Wort „Gott" beim Putzen etwas schmutzig gelassen hat): „Was, mit einem solchen Gott wagen Sie zum Dienst zu kommen, Sie alter Heide Sie!

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