Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1894

24 25 gekommen waren, „fordere ich Sie auf, mir zu sagen, was Sie hier wollen. Ergeben Sie sich willig, es soll Ihnen weiter nichts geschehen." In diesem Augenblicke hob der Fremde einen Arm und fast gleichzeitig sprang der eine der Soldaten mit hoch erhobenem Gewehr auf ihn zu und wollte den Kolben niedersausen lassen. Aber er that es nicht. Er hielt mitten v) Reservisten öeiw Eine Burleske von orporal vom Tag (nachdem er die zum Rapport erschienene Mannschaft in einem Gliede rangirt hat): „Habt Acht! Rechts — richt — Euch!................... Herrraus, gleich der zweite Mann — nicht so viel (heftig winkend), linker Flügel zurrrück! (Sehr erzürnt): Infanterist Löwy, woll'n Sie Jhner' Riesen- umurken ganz allein vor der Front lassen? (Die Nase des Infanteristen Löwy verschwindet mit märchenhafter Geschwindigkeit.) Habt Acht! Ruht!" Auf das letzte Commando setzt jeder Mann den rechten Fuß so rasch vorwärts, als beabsichtige er, einen Laufkäfer todtzutreten, und ordnet noch schnell die bekannten „kleinen Mängel an der Adjustirung", an denen leider selbst bei den meistambitionirten Soldaten niemals ein Mangel herrscht. Durch dieses uuvorsichtige Gebühren wird aber der Taghabende erst darauf aufmerksam gemacht, daß es auch zu seinen Dienstesobliegenheiten gehöre, die Leute einer eingehenden „Filzung" zu unterziehen. Mit geübtem Inquisitor- blick mustert er gewissenhaft die einzelnen Männer vorschriftsmäßig „aus einer Entfernung von drei bis vier Schritten von unten nach oben" und verschafft sich auf diese Weije die traurige Gewißheit, daß sämmtliche beim Rapport Anwesende es in frevelhafter Pflichtverim Hieb inne, stellte das Gewehr neben sich — und brach in ein homerisches Gelächter aus. „Sell moan i wohl, daß der nit Kehrt-Euch macha thuat," rief er „hau no niag'seg'n,daß a Vogelscheuch'n auf a Commando was geb'n hätt'!"--------- Das war der einzige aufregende Zwischenfall, welcher in jener Nacht bei der Feldwache Nr. 1 passirte. Samstag-Mapport. der Maffenübung. geffenheit unterlassen haben, frische „Hals- streifeln" aufzunähen und die Kappen- rosen glänzend zu machen. „Natürlich, diese Herren Reservisten!" bemerkt, er mit vernichtendem Höhne, während er mit der Rechten, in der er das Rapportjournal gleich einem Tactir- stock schwingt, eine unsäglich geringschätzige Bewegung vollführt, welche pantomimisch ungefähr besagen soll, daß die Reservisten seit je einen großen Hang zu körperlicher Unredlichkeit an denTaglegen. „Na, mir ist's recht," fügte er mit erkünstelter Gleich giltigkeit hinzu, aus der deutlich hervorgeht, daß es ihm nicht recht ist, daß er solche Schlamperei vielmehr aus dem Grunde seiner Seele verabscheue, „ich werd' mich für meine fünfzehn Kreuzer täglich wegen Euch uet zu Tod ärgern; aber ich bin nur neugierig, was der Herr Feldwebel sagen wird!" Man soll den Feldwebel nicht an die Wand malen. „Habt Acht!" Auf dieses Commando zieht jeder Mann den rechten Fuß so rasch zum linken, „wie wenn der Teufel in ihn hineingefahren wär'", die Tagcharge marschirt vom rechten Flügelmann aus vier Schritte vorwärts, macht stramm Links um gegen die Front und kreischt dann, als gelte es die ganze Welt — den Feldwebel mit inbegriffen — einzu- schüchtern: „Rapport rechts schaut!" (Die Leute wenden die Köpfe nach der be-. zeichneten Seite, mit einem Gesichtsausdruck, als sei es ihnen sehr angenehm, den Herrn Feldwebel endlich wieder einmal zu sehen.) „Herr Feldwebel, ich melde gehorsamst, daß der Rapport gestellt ist." „Ruh'n lassen!" „Habt Acht! Ruht!" Nun betrachtet sich der Gefürchtete die Mannschaft. Unheimliches Schweigen. Die Soldaten senken die Köpfe — scheinbar aus Demuth, in Wahrheit jedoch, um die Halsstreifeln zu verbergen; das nützt ihnen aber natürlich nichts. „Sie, Tagcharge!" „Befehlen, Herr Feldwebel?" „Sehen Sie sich einmal die Gesellschaft an," entgegnet dieser sanft. Der Corporal sieht sich die Gesellschaft an. „Bemerken Sie nichts, Tagcharge?" Der Corporal weiß ganz gut, was das heißen soll und antwortet daher resiguirt, > wie ein Mensch, der eine unsühnbare Schuld nicht länger leugnen kann. „Zu Befehl, Herr Feldwebel, schmutzige Halsstreifeln, ungeputzte Kappeurosen." „Und staubige Stiefel und fleckige Monturen! Und in solchem Zustande lassen Sie mir die Leute zum Rapport antreten, wo Sie doch wissen, was diese schrecklichen Reservisten oft treiben?" Die schrecklichen Reservisten sind sehr befriedigt von den weiteren Erklärungen des Vorgesetzten, denn sie entnehmen aus denselben, daß für den ungünstigen Eindruck, den sie hervorgebracht, nicht sie bestraft werden sollen, sondern der leichtfertige Tag hab ende, „der so 'was an- geh'n laßt". Der Feldwebel wird jedoch in der Aufzählung und ausführlichen Schilderung der zahlreichen, dem Corporal winkenden Arrestgenüsse durch die Ankunft des Lieutenants gestört. „Habt Acht! Rapport — rechts — schaut! Herr Lieutenant, ich melde gehorsainst, daß der Rapport gestellt ist." „Danke. — Aber die Leute sehen gar nicht propre aus, Feldwebel!" „Schmutzige Halsstreifeln, ungeputzte Kappenrosen, staubige Stiefel, fleckige Monturen . . ." „Ganz richtig, und matte Knöpfe, rostige ..." Zum Glück erscheint der Compagnie- Commandant, der nach erhaltener Mel- dung sofort den Rapport abnimmt. „Herr Hauptmann, ich melde gehorsamst, daß ich den Tag übergebe." „Herr Hauptmann, ich melde gehorsamst, daß ich den Tagübernehme." „Herr Hauptmann, ich melde gehorsamst, daß ich die Jnspection übergebe." „Herr Hauptmann, ich melde gehorsamst, daß ich die Jnspection übernehme." „Herr Hauptmann, ich melde gehorsamst, daß ich aus dem Spital zurückgekommen bin." „Aha, da ist ja der Schwindler! Sie sind nicht anerkannt worden?" „Herr Hauptmann, mein Bauch", erwidert der Mann kläglich und schneidet dazu eine Grimasse, als ob sich „sein Bauch" augenblicklich wieder recht unangenehm bemerkbar mache. „Na ja, die Reservisten bilden sich ja alle gleich ein, daß sie den Abdomi- naltyphus haben." Der Infanterist will betheuern, daß er keineswegs so ehrgeizig sei, kommt aber nicht mehr zu Worte. „Sechs Stunden Spangen," ordinirt, eh' er sich zum Nächsten wendet, der Officier im Gönnertone. „Herr Hauptmann, ich melde gehorsamst den Vollzug der Strafe." „Richtig, richtig, das ist ja der Schwindler! — Warum ist denn nur der Mann gesessen? Ich habe zwar ein ausgezeichnetes Gedächtniß . . ." „Er hat am vorigen Samstag abends Urlaub nach Wien genommen, unter dem Vorgeben, daß seine Frau niedergekommen ist und in den letzten Zügen liegt," berichtet diensteifrig der Feldwebel. „Richtig, richtig und . . . ?" „Und indessen hat ihn seine Frau Sonntag- früh im Lager herunten gesucht."

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