14 etwas gelindert und wir waren glücklich. Es ist gransaw von dem Schicksal, unsere Ruhe und unser Glück zu stören.' Marie erhob sich Und sagte ernst und mit feierlichem Tone: „Gottes Gerechtigkeit läßt sich nicht durch Menscheuglück oder Unglück beirren. Jedes Verbrechen muß seine Sühne finden, ob auch unsere 'Herzen darüber brechen." Dann verließ sie schweigend das Zimmer. Ihr Gatte saß noch lange dumpf brütend auf derselben Stelle und hatte dann wieder eine seiner unruhigen Nächte. Marie hörte ihn stöhnen und laut im Schlaf sprechen. In aller Frühe des anderen Morgens sandte sie einen Boten nach Fers- heim mit einem Schreiben an Don Alameda, in welchem sie ihn ersuchte, sich Nachmittags in der Waldcapelle ein- zufinden. Als sie die traurige Stätte betrat, saß der schwarze Just bereits auf de« Stufen der Capelle, in finsteres Brüten versunken. Er erhob sich, bot der Dame einen achtungsvollen, aber ernsten Gruß und ergriff dann gleich das Wort: „Ich habe gestern Ihren Gatten gesehen und gesprochen. Als brasilianischer Repräsentant eines großen Hand- lungshauses fand ich leicht einen Vor- wand, mit ihm in Unterhandlung zu treten und ihn genau zu beobachten. Er hatte keine Ahnung davon, daß er mit demselben Menschen verkehrte, auf dem der Verdacht eines begangenen Mordes lastet. Desto besser erkannte ich ihn und war wahrhaft erstaunt ob seiner wunderbar, n Aehulichkeit mit Ihrem Hans Ich wiederhole nun meine Frage au Sie, gnädige Frau: Wissen Sie auch heute noch nicht, wer ein Interesse am Leben oder Tod des Försters Hans Melden hatte?" Diese letzten Worte betonte er mit einem wahrhaft entsetzlichen Ausdruck. Marie rang verzweiflungsvoll die Hände, die sie zu dem düstern Mann, der wie ein Rachegvtt vor ihr stand, flehend emporstreckte Die Stimme versagte ihr und wie vernichtet sank sie an den Stufen der Capelle nieder. „Armes, unglückliches Weib," sprach er endlich mit tief bewegter Stimme, „was hast du Edle denn verschuldet, daß du — mit keinem Makel behaftet — soviel leiden mußt-! Und ist es nicht Wahrheit, daß auf dieser Erde nicht das gute, sondern das böse Princip regiert?" setzte er ingrimmig hinzu. Es eutstand eine lange, dumpfe Pause. Keines von Beiden hatte den Muth, eine Anschuldigung auszusprechen, und mehr wie mit sich selbst redend, murmelte Just vor sich hin: „Ja es wird mir allmalig Alles klar. Er liebte sie, als sie noch ein Kind war, er hoffte sicher auf ihren Besitz, da kam ihm der Förster in die Quere und schnappte ihm das geliebte Wesen weg. Ein Anderer hätte getobt und gewüthet, den Nebenbuhler vielleicht im Duell umgebracht, aberHeinrich Schleicher war auch in der Liebe Geschäftsmann. Das hätte ihm Alles nichts genützt, er hätte das Mädel doch nicht mehr bekommen. Besitzen wollte er sie aber um jeden Preis und wenn es auch ein Menschenleben kosten würde. Lieber das des Busenfreundes als das seinige. Klug uud schlau war er wie ein Fuchs. Die große Reise wurde angetreteu, um den Verdacht von vorneherein von ihm abzu- lenken; aber man kann ja heutzutag in 24 Stunden Hunderte von Meilen hin- und herfahren. Er wird es sich schon genau ausgerechnet haben, daß er in der Nacht vom 5. anf den 6. September auf der Stativ» Fersheim eintreffen mußte, um sich iu der Früh auf den Anstand zu 'egen; die Verkleidung als fürstlicher Revierförster war besonders teuflisch genial ausgesonnen. Zur Holzlicitation strömten an diesem Tage von alle» Ecken und Enden die Revierförster herbei, da brauchte er nicht zu besorgen, in dieser Tracht als Heinrich Schleicher erkannt zu werden. Die Uniform war^ sicher die seines eigenen Opfers. — Der Hans hatte ja in der Stadt sein Ab- steigegnartier bei ihm und da wird wohl auch eine Reserveunisorm in Verwahrung gewesen sein, das Weitere ergab sich von selbst; ein Meisterschütze war er, der arme Hans hatte ihn ja selbst in die Lehre genommen. Und nun, glauben Sie, Frau Schleicher, daß ein solches unerhörtes Bubenstück ungestrast bleiben soll, Sie glauben, daß ich noch länger mit dem Flnch belastet, eine solche Schandthat begangen zu haben, herumlanfen soll? Bei den letzten Worten war — . _- er aufgesprungen und stampfte ^ erregt den Boden. Marie fand keine Worte zu einer Entgegnung. Das Herz drohte ihr iu der Brust zu zerspringe i, sie vermöchte nur in stumm r Verzweiflung die Hände zu deni furchtbaren Menschen emporzuheben und das eine Wort: „Barmherzigkeit!" zu stammeln. „Ba cmherzigkeit!" knirschte er ingrimmig, „Barmherzigkeit mit einem solchen Schurken? Nein, liebe Frau, das wäre eiu Verbrechen! Oder sollten Sie gar diesen Menschen, den Sie, unbewußt seines Verbrechens, ge- heirathet haben, noch lieben?" Da erhob sich Marie, die sich nun einigermaßen gefaßt hatte und sagte würdevoll: „Ich habe den Heinrich nie geliebt und nahm ihn zum Gatteu im Gedächtniß seiner unwandelbaren in düsterem Schweigen, dann sagte sle Freundschaft zn meinem Hans, aber heute mit unsicherem Ton: _ bin ich sein Weib und darf nicht 'k)ie Hand dazu bieten, ihn an den Galgen zu bringen. Ich beschwöre Sie, Just, seien Sie barmherzig uud finden Sie einen Ausweg aus diesem gräßlichen Labyrinth. Wein Leben ist ohnedies vernichtet, aber clls das Weib eines Gerichteten treiben Sie mich zum Selbstmord." Die unglückliche Frau warf sich zu den Füßen des finster Dastehenden und umfaßte seine Knie. 15 Ticf gerührt hob er sie auf und sprach, indem ihm die Thränen von den vergilbten Wangen hinabrollten: „Wie gern würde ich mein Herzblut dahingebeu, wenn ich das Geschehene ungeschehen machen, wenn ich Ihnen rathen und helfen könnte, aber vergebens forsche ich nach einem Ausweg. Befreit müssen Sie von diesem Ungeheuer werden, das steht fest in mir, aber den Weg dazu müssen Sie selbst finden ------------" Marie verharrte einen Augenblick „Noch hat. er kein Geständniß abgelegt, nnd meine Mittheilung, daß Sie zurückgekehrt seien, um sich dem Gericht zu stellen, nahm er mit auffallender Ruhe entgegen. Er beklagte nur, das; ich bei den nun kommenden Enthüllungen wieder viel zn leiden haben würde." „Oh,ichverstehe," murmelte ingrimmig Just vor sich hin. „Er ist ein hartgesottener Sünder. Der Preis, Sie zu | erringen, war der höchste, den er zahlen
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