Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1894

106 war.ihr klar und sie fand das begreiflich. Sie wußte daher auch, daß ihres Mannes nach dessen Heilung darob empfindliche Strafe harrte, und ihr bangte für ihren Mann. Wie der Blitz durchzuckte Afra der Gedanke, dass sie da etwas thun müsse, und der Moment schien ihr günstig dazu. Als jetzt Markgraf Leopold zum Kranken trat und kurz und schneidend fragte: „ob er der Barschalk Clemens sei", warf sich Afra, einer raschen Eingebung folgend, vor dem Markgrafen auf die Knie, hob bittend ihre Hände und sagte schluchzend: „Ja, hoher Herr, es ist so, wie Ihr sagtet! Dies ist der Barschalk Clemens, mein Mann, den Gott für sein frevelhaftes Thun so schwer, aber wohlverdient gestraft hat! Verzeiht, hoher Herr, mir armem Weibe, wenn ich Euch bitte, dem Clemens seine Schuld nicht anzurech- nen —" . Der Markgraf wollte sich unwillig abwenden, allein ein bittender Biick seiner Gemahlin machte ihn anderen Sinnes. „Steht auf", sagte er, noch grollend, „und beruhigt Euch, Weib, ich bin kein Menschenfeind und weiß Nachsicht zu üben, wenn sie am Platze ist! Clemens mag den Verlust des linken Auges als Strafe, für den Frevel ansehen, den er durch fein Wildern begangen — ich will nicht richten, wo schon ein Mächtigerer gerichtet hat!" Freudig überrascht von diesen milden Worten küßte Frau Afra dem Markgrafen und dessen Gemahlin die Hände, während Clemens beschämt sein Gesicht unter der Decke verbarg und sich's feierlich gelobte, von nun an seiner Leidenschaft Herr zu werden. Und Clemens hielt sein Vorhaben und blieb von nun an ein tüchtiger Barschalk, der seines Herrn Vortheil wahrnahm, und ein Jahr darauf wurde er Aufseher in einem markgräflichen Meierhofe in der Raming. — Clemens war noch nicht genesen, als die Markgräfin zufällig, als sie die Zimmer ihres Gemahls durchschritt, in einer Nische den abgerissenen Vorderlauf der Wildkatze fand, den der Markgraf dort hingelegt und wahrscheinlich vergessen hatte, ihn von dort zu entfernen. Sie nahm das halbvertrocknete, schon etwas übelriechende Bein und be- gab sich damit in das Erkerzimmer, dessen Fenster auf die Steyr hinausblicken ließ, wo eben ihr Gemahl mit dem Abt Berthold von Garsten und seinem Kanzler den Text einer Urkunde durchberieth, die dem Kloster Garsten mannigfache Privilegien verleihen sollte. Ob der Störung sah der Markgraf Leopold seine Gemahlin fragend an, die mit leichtem Nicken des Hauptes und liebenswürdigem Lächeln die ehrerbietigen Verbeugungen des Abtes und des Kanzlers erwiederte. „Ich weiß, mein Herr Gemahl, was Euch jetzt hier beschäftigt, und komme Euch zu bitten, in der Urkunde für Garsten, doch ja des Wildes nicht zu vergessen, als Dank für Eure Errettung aus den Krallen der bösen Wildkatze!" „Ei, liebe Sophie, Ihr konntet fürwahr keinen besseren Augenblick dazu wählen, mich darauf aufmerksam zu machen", erwiederte der Markgraf freundlich. „Ich bin entschlossen, dein Garstner Kloster auch von der Jagd zu geben, was Gottes ist, nur weiß ich noch immer nicht recht, was an Gebühr zu bemessen ist — doch was habt Ihr denn in der Hand, liebe Sophie?" Die Markgräfin hielt ihrem Geniahl ihren Fund entgegen und sagte lächelnd: „Seht zu — es ist der rechte Vorder - lauf der Wildkatze — sollte er nicht zur Gebührenberechnung dienen können?" Der Markgraf nahm seiner Gemahlin den Lauf aus der Hand, betrachtete ihn ein Weilchen sinnend und sagte dann, einer plötzlichen Eingebung folgend, zu dem Kanzler: „Traun, mein lieber Kunibert, seltsam sind die Wege vom Schicksal dem Menschen vorgezeichnet und über was ich nicht schlüssig werden konnte, hat eine gleichsam höhere Macht mich angewiesen zu bestimmen. So schreibt denn in die Urkunde zu den übrigen Privilegien: „Von der Jagd ist an das Kloster Garsten von jedem erlegten Wild der rechte Vorderlauf abzu- liefern.*) — Ihr seid doch einverstanden, Herr Vetter?" Gm berühmter OberSfterrelchcr.- Man wird uns gewiß Dank wissen, wenn wir unseren verehrten Lesern hiermit den berühmten Tondichter und Künstler Dr. Anton Bruckner durch Wort und Bild näherrücken, umsomehr, als derselbe unser Landsmann ist, auf den wir mit Recht stolz sein können, und der so gerne in unserer Stadt weilt. Anton Bruckner, geboren am 4. September 1824 zu A n s- f e l d e n in O b e r ö st e r- reich, erhielt seinen ersten Clavier - Unterricht von seinem Vater, der im oben benannten- Dr. Anton Bruckner. bei solch mise- Orte Schul- rabler Bezah- lehrer war. Mit 12 Jahren verwaist, lung nicht darben zu müsien, war Bruckner kam Anton in das Stift St. Florian, genöthigt, — wie so viele Schulgehilfen *) Das 1123 für Garsten vom Markgrafen Leopold dem Starken gegebene Privilegium bestimmt: „Die Freiheit des Klosters von allen Vögten, indem nur die Landesfürsten selbst diese Stelle vertreten; ferner Freiheit von Zoll und Mauth in Kauf und Verkauf, die Erlaubniß zu fischen in allen Wassern, die Leopold gehören, selbst im Ramingbache und in der Enns, wo sie bei den Höfen und Gründen des Klosters vorüberfließen» ferner hatte das Kloster von der Jagd von jedem Wild den ersten Vorderlauf zu bekommen.« 107 „Gott lohne Eure Großmuth und Euern demüthigen Sinn", entgegnete der Abt einfach und sah dabei die Markgräfin dankbar an. — Und so kam Garsten zu Wildpret für den Tisch der Klosterinsassen. woselbst er in Musik (Clavier und Violine) von G r u b e r, einem Schüler des berühmten Quartet- tisten S ch u P- panzigh, im Generalbaß vomSchullehrer Bogn er unterrichtet wurde. Im Orgelspiel, welches Bruckner mit der Zeit außer der Com- position zu seinem Lebensberuf erkor, war er vom Anbeginn und blieb auch später durchaus Autodidact. Im Jahre 1841 wurde Bruckner als Schulgehilfe in Windhag bei Freistadt mit zwei Gulden monatlicher Besoldung angestellt. Um

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