102 Und er erhob sich, half seiner Gemahlin galant in den feinen Biberpelz und reichte dann dem Abte freundlich die Hand. „Vielleicht später einmal, Herr Vetter", sagte er, sich verabschiedend, „aber Gelegenheit muß sich dazu geben. — Begnügt Euch vorläufig damit, daß ich selber Euer Vogt*) werde — was Ihr bei meinem Schutz erspart, wird vielleicht für den Antheil an der Jagd einen kleinen Ersatz Euch bieten! Und nun, Gott befohlen, Herr Vetter!" Der Abt geleitete das hohe Ehepaar hinunter in den Hof, wo die Pferde bereits ungeduldig im fest gefrorenen Schnee scharrten, und bald ritten der Markgraf und seine Gemahlin, gefolgt von nur zwei Edelknappen, zum Klosterthor hinaus. „Ich weiß es, liebe Sophie", bemerkte Leopold im Vorwärtsreiten zu seiner Gemahlin, „daß Garsten jetzt wirklich arm ist und daß Berthold erst das Kloster so wie neu gründen mußte — aber, traun, wir haben gar so viele Bedürftige und sind selber, wie Ihr ja wißt, nicht allzureich, daher wir das Jagdrecht nicht gut entbehren können." Diese Worte sollten wohl eine Entschuldigung dafür sein, daß der Markgraf seiner Gemahlin Bitte hatte abgewiesen, und Sophie fühlte das mit echt weiblichem Tacte sofort heraus, deßhalb sagte sie, ihrem Gemahle freundlich zulächelnd : „Das weiß ich nur zu gut, mein Herr Gemahl, daß wir nicht die Reichsten sind und jede Einnahmsquelle gut verwerthen müsien — ich meinte ja nur so, ob sich nicht doch ein Abkommen finden lasse; nun, so Gott will, wird es in Hinkunft anders werden — seht doch, lieber Leopold, welch' prächtiger Abend ist!" Der Markgraf hielt sein Pferd an und schaute freudig auf die vom klaren Mondlichte übergossene Landschaft. „Ja wirklich", entgegnete er, sein Pferd wieder in Gang bringend, „ein *) Schutzherr des Klosters. prächtiger Winterabend das — Ihr habt doch Blicke für Alles und ich bin Euch immer recht dankbar, wenn Ihr mich auf die Schönheiten unserer so herrlichen Natur hier um Steyr aufmerksam macht! Gott sei's geklagt, ich komme ohnehin selten dazu, mich an der Natur zu erlaben, denn meine Sinne nimmt die Sorge um mein Land nur allzusehr in Anspruch! Doch, haltet Euch jetzt an mich, liebe Sophie — das ist ein gefährlich Stück Weges in nachtschlafender Zeit!" Sie waren am Saume eiues Waldes angelangt, der sich ungefähr dort, wo heute die Steyrthalbahn Garsten berührt, gegen das Kraxenthal hineinzog. Der Wald war dort nicht breit und taugte nicht ganz bis nach „Halbgarsten" hinauf. Das enge Sträßlein, das ihn durchschnitt, war sehr schlecht und überdieß ausgefahren und der Schnee bot nur eiue leichte Brücke über die Gruben und tief ausgefahrenen Geleise, dazu war es jetzt ziemlich dunkel zwischen den Bäumen, man sah nicht weit vor sich und die Pferde traten äußerst vorsichtig auf der gefrorenen Schneedecke auf und spitzten die Ohren, als witterten sie Gefahr. Die kleine Cavalcade mochte den Wald etwa zur Hälfte durchritten haben, als die Pferde plötzlich unruhig wurden und zu wiehern begannen. Auf einmal knackten linker Hand des Markgrafen die Zweige, als ob Jemand durch den Busch eilfertig sich durchwinden wollte, ein derber Fluch wurde hörbar und zu gleicher Zeit ertönte es wie das Geschrei eines zornigen, bösen Kindes. „Um Gott, was ist das?" fragte die Markgräfin, die hinter ihrem Gemahl ritt, entsetzt und hielt ihr Pferd an. „So ich recht gehört habe, jagt man hier eine - Wildkatze", entgegnete Markgraf Leopold lebhaft. „Wer um Himmelswillen ist denn so ein Narr, sich jetzt, um diese Zeit hinter eine Wildkatze her zu machen?" Der Markgraf, der ebenfalls sein Pferd angehalten hatte, beugte sich über den Pferdehals vor, uni bester in das Halbdunkel des Waldes hineinsehen zu können — da rauschte es über ihm in den überhängenden Zweigen und plötzlich tönte es dunipf zu der Markgräfin hinüber, wie ein schwerer Fall von oben herab. „St. Hubertus, sitzt mir die Bestie jetzt am Nacken", rief der Markgraf da plötzlich, „wollt doch etwas abseits reiten, liebe Sophie, damit Ihr von dem Vieh nicht etwa auch etwas abbekommt —" „Nein, nein, nicht doch", entgegnete die Markgräfin hastig und in leichtbegreiflicher Aufregung, da sie deutlich ein Thier auf dem gebeugten Nacken ihres sich ganz ruhig verhaltenden Gemahles durch das Halbdunkel gewahrte, „es ist wirklich eine Wildkatze, mit Augen wie Feuerräder — haltet Euch nur still, mein Herr Gemahl, mein Dolch wird Euch schnell von der unliebsamen Last befreien!" Und die muthige Frau wollte ihr wider- spänstiges und schaumbedecktes Pferd zwingen, in die Nähe ihres Gemahls zu gehen, doch war dies nicht so leicht. In diesem Augenblicke, der für den Markgrafen so gefährlich werden konnte, wenn es dem wilden Thiere in den Sinn kam, seine jetzt augenscheinlich nur beobachtende Haltung auf dem Nacken des Fürsten aufzugeben und diesem die scharfen Krallen in den Hals oder in das Antlitz zu versenken, sprang eine menschliche Gestalt aus dem Walde hervor, auf den Markgrafen zu und mit einer Hand dessen unruhiges Pferd am Zügel haltend, erfaßte der Mann mit sicherem Griffe das gereizte Thier und der Fürst, der er- E^ batte, daß da ein Retter nahe, verhielt fich ruhig. 103 Ein bösartiges Pfauchen und^kurzes Geschrei bewiesen dem Markgrafen,' daß die nervige Faust des Unbekannten die Katze ergriffen hatte und schon im nächsten Augenblicke fühlte er sich von der gefährlichen Last befreit — die Wildkatze, denn eine solche war es wirklich, hatte keinen weiteren Angriff abgewartet und war dem nach ihr haschenden Manne auf die Brust gesprungen und biß und kratzte mit mörderlich-grausigem Geschrei. Auch der Unbekannte war nicht ruhig. Er hatte des Markgrafen Pferd losge- lassen und keuchend entfuhr der Athem seinem Munde, wie er bestrebt war, das Thier abzuwehren. Plötzlich stieß er einen markdurchdringenden Schrei aus. „Was ist's?" rief der Markgraf, der seiner Gemahlin, die vor Aufregung nicht sprechen konnte, die Zügel seines Pferdes übergeben hatte und vom Pferde gesprungen war, — „ich kommeMon -" Und mit einigen Sätzen war der Markgraf bei dem Kämpfenden, der eben das Thier wuchtig zu Boden schleuderte und mit der Hand nach der Stirne griff. „Seid Ihr verwundet?" fragte der Markgraf, den ein Blick auf den Boden belehrte, daß die Katze todt, oder doch betäubt sei und setzte dabei zur Vorsicht seinen Fuß auf das Thier. »Ich glaube wohl, hoher Herr",
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