101 100 Kopf seines Weibes hinweg nach den Waffen. „Das Wild gehört uns Allen und wenn der Vogt*) sich für die Festtage seinen Braten selber schießen kann, so kann ich's auch —" „Oh, ja", sagte Afra und lachte höhnisch, „vom Können ist auch nicht die Rede, aber vom Dürfen — der Vogt ist hier der Herr —" „Aber sonst ein Diener wie ich", unterbrach sie Clemens, der immer erregter wurde, „auch er hat keine Erlaubniß zum jagen —" „Gut, das ist so", sagte Frau Afra und ergriff fest die Hand ihres Mannes, die nach den Waffen langte, und hielt diese mit aller Kraft, „aber", setzte sie halblaut und fast drohend hinzu, „merke, Clemens, was ich Dir sage-: Wenn der Vogt ein Wilddieb ist, so brauchst Du es nicht zu sein." „Weib", schrie Clemens drohend und suchte sich ihrem Griffe zu entziehen, was ihm aber nicht gelang, denn ihre Faust umklammerte fest sein Handgelenk, „das hat mir noch Niemand gesagt —" „Dafür sage ich es Dir jetzt im Vorhinein, damit Dir's niemand Anderer früher sagt", entgegnete sie mit blitzenden Augen. „Oder glaubst Du, ich habe auch fürderhin Lust, das Weib eines Menschen zu sein, der seinen Herrn - bestiehlt?" Clemens war aschfahl im Gesichte geworden bei diesen Worten und der harte Ton, in welchem sie geäußert wurden, berührte ihn tief, denn er fühlte nur zu gut, wie wahr Afra gesprochen habe. Aber der wilde Trotz seiner kräftigen Natur sträubte sich dagegen, seinem Weibe, das, wie er wohl fühlte, es gut mit ihm meinte, Recht zu geben und ihm zu folgen, und pfeifend kamen die Worte ihm aus der Kehle, als er sagte: „Unser Herr, der Markgraf kann's verschmerzen, wenn ich mir einen Braten selber hole, ohne ihn lang zu fragen, auch spüre nur ich die Peitsche, wenn ich entdeckt werde! Und jetzt — mach' Platz, oder, bei Gott, ich schaffe mir Raum!" „Versuche es", trotzte Afra, „das fehlte noch, daß Du mich schlägst —" „Davon ist nicht die Rede", brummte Clemens, ergriff sein Weib an den Schultern und schob es trotz ihres Sträubens weg von der Wand. Mit raschen Griffen hatte er die Waffen herabgeholt und verbarg sie unter seinem Pelze, worauf er zur Thür eilte. Dort überkam ihn aber doch ein besseres Gefühl. Er drehte sich nach Afra um und sah diese am Tische sitzen, die Hände aufgestützt auf die Platte, den Kopf darauf gelegt und bitterlich weinend. „Afra", sagte er weich. Sie antwortete nicht. „Afra, hör' mich an", wiederholte er im selben Tone. „Was willst Du noch?" fragte sie schluchzend und ohne aufzusehen. „Geh' — ich habe keinen Mann mehr, von heute an —" „Nicht so", entgegnete Clemens fast bittend. „Höre mich an und dann verdamme mich. Du willst, daß ich gerade heute zu Hanse bleibe —" „Nein, ich will, daß Du die Wilderei ganz aufgibst", erklärte Afra und erhob den Kopf vom Tische. „Ich habe keinen Wilddieb geheirathet —" Clemens schien unentschlossen, was er thun sollte, plötzlich ermannte er sich, streckte sich mit einem Ruck in die Höhe, als wollte er die zarten Gefühle abschütteln, dann sagte er bestimmt und fest: „Gut — aber Du weißt nicht, wie es mich zieht darnach, zu jagen, das verstehst Du eben nicht anders! Aber heut muß ich noch hinaus gen Garsten — künftig laß ich es bleiben." „Wenn's wahr ist", meinte sie halb hoffnungssreudig, und ihr Gesicht hellte sich merklich auf. — „Aber ich dächte, wenn Du Dich jetzt nicht übecwinden kannst, geht das auch späterhin nicht — das hast Du mir schon oft und oft versprochen, Clemens ^-" Und sie erhob sich, trat zu ihm und seine Hand ergreifend, sagte sie mit bittendem Blick zu ihm aufsehend: „Cleniens, — bleib zu Hause!" „Nein", gab er rauh zur Antwort, „heute Nacht geh' ich noch, dann nimmer! Ich stelle seit Wochen einer Wildkatze nach, die muß ich haben — dann meinetwegen —" „Ist das Dein Ernst?" fragte sie seufzend. „Gewiß — hab' ich so oft gelogen, daß Du mir nicht mehr glauben kannst?" meinte er und zog die Stirne in krause Falten. „Bis aust Dein Versprechen, das Wildern zu lassen, hast Du rechtschaffen immer Wort gehalten, Clemens", sagte sie, ihre Erregung niederkämpfend. „Geh, aber thu's nimmer — es ist sündhaft." Clemens sah sein Weib überrascht an — diese Nachgiebigkeit hatte er nicht erwartet und fast wäre er zu Hause geblieben. Aber das Wildern ist eine große Leidenschaft und so drückte er seinem Weibe die Hand und trat eilfertig aus der Stube hinaus. Afra aber machte hinter ihm das Zeichen des Kreuzes und sagte, sich die Thränen abtrocknend: „Geh' — mit Gott kann ich nicht sagen — aber doch, mit Deinem Schutzpatron! Ich wollt, Du wärst heil und sicher wieder da!" II. Zur selben Zeit, als Afra ihrem Manne das Versprechen abnahm zum letzten Male wildern zu gehen, saßen im Kloster Garsten im Zimmer des- Abtes Berthold I.*) Markgraf Leopold, dessen Gemahlin Sophie, die kurz vorher von Steyr- nach Garsten herausgeritten war, um ihren Gemahl abzuholen, und der Abt Berthold. *i Abt von Garsten vom Jahre 1110-1142. Er war der erste Abt des Klosters, das r» <"l»in nur Cleriker ohne bestimmte Oroensregel beherbergt hatte. Abt Berthold I. kann als der geistliche Gründer Garstens betrachtet werden. Er starb im Rufe großer Heiligkeit und liegt in der Garstenkirche begraben. . ) Abt Berthold I. war ein Verwandter der steirischen Otakare, denen Leopold der »»^gehörte, und selber aus fürstlichem Geblüt. ) Hofleute und Hofbeamte. Der Markgraf hatte mit dem Abte über verschiedene Privilegien verhandelt, die er dem Kloster, das damals noch nicht lange bestand und nicht allzu reich war, verliehen hatte. Der Abt hatte dankbaren Herzens anerkannt, wie wohlwollend sich der.Landesfürst zeigte, und zum Schlüsse der Unterredung gebeten, der Markgraf wolle deni Kloster auch etwas vom jährlichen Jagdergebniß zu Gute kommen lassen, „denn, Herr Markgraf", schloß der Abt seine Rede, „die Klosterleute roden und schaffen tagsüber in den Wäldern und Feldern; das ist keine leichte Arbeit und sie erzeugt viel Hunger. Kräftige Nahrung haben wir aber nicht allzuviel in Garsten!" „Auch wir am Hofe zu Steyr nicht, lieber Herr Vetter" **), entgegnete lächelnd Markgraf Leopold und trommelte leise mit den Fingern auf der Tischplatte. „Auch ineine Dienstleute thun schwere Arbeit und das Wild, so sie Herbst und Winter fast ausschließlich nährt, kostet uns fast nichts, daher wir das Geld, so wir da ersparen, recht gut für unsere steirischen Lande verwenden können, wo dermal dasselbe ohnehin recht rar ist —" „Vielleicht könntet Ihr doch einen Bruchtheil des Jagderträgnisses dem Kloster überlassen, mein Herr Gemahl", fiel die Markgräfin, die bis dahin am Gespräche nicht theilgenommen hatte, ein und legte ihre feine, weiße Hand auf den Arm des Markgrafen. „Es ist ja Wild im Ueberstusse hier im Lande vorhanden." „Ei, ja doch, liebe Sophie", nickte der Markgraf und griff nach dem Barett, Las auf einem Stuhl in seiner Nähe lag, damit andeutend, daß er nach Hause wolle, „aber unsere Ministerialen***) sind etwas hartköpfig und ich darf ihnen nicht allzuviel von ihren Einkünften wegnehmen, so ich sie nicht mürrisch machen will." *) Aufseher, Verwalter. e
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