Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1894

98 Feuersbrunst zerstört wurde. Uralt ist der große Wartthurm, der aus der Zeit der Otakare stammt, doch wird man nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß derselbe auf römischer Grundlage erbaut ist, und so gereicht das heutige Lamberg'sche Schloß der Stadt eben sowohl in baulicher Beziehung zur Zierde, als es in historischer Hinsicht die Wichtigkeit dieses schönen Erdenwinkels für Der rechte Vordertauf. Episode aus Steyrs Vorzeit von Heinrich Kematmüller. terszeit oder bei Regenwetter fast nicht zu passiren war. Ungefähr in der Mitte des Weges von Steyr nach Sierning stand hart an dem Sträßlein ein Meierhof, dessen weitläufige Gebäude sich weit hinauf auf die Berglehne hinzogen. Das recht gut im Stande befindliche Wirthschaftsgebäude gehörte zum Besitze des in Steyr residirenden Markgrafen Leopold**), der „Starke" vomVolke wegen seiner Körperkraft genannt, der aber auch sonst die steierische Mark mit fester Hand beherrschte. *) Die Abstammung dieses Namens ist heute wohl nur dem Historiker bekannt. Der Grundbesitz des Landesfürsten oder der Kirche wurde im Mittelalter von Unfreien bearbeitet, die unter die sogenannten „freien Knechte" gezahlt wurden. Sie hießen „Barschalken" und ihre Benennung hat sich hie und da heute noch in einigen Ortsnamen an der Stelle, wo sie angesiedelt waren, erhalten, daher der Name „Parschallingerleiten", oder der Ortsname „Par- schalling" bei Grieskirchen. **) Regierte von 1122-1129. Oesterreich und Steiermark zürn Ausdruck bringt und — Keiner mag ihn je vergessen: „Den alten Fürstensitz der Otakare, Der einst geherrscht in Steyrs Felsengauen! Du, Fremdling, magst auf ihn mit Würde schauen, Denn er steht erhöht am Vaterlands- Altare!" I. wischen Steyr und Sierning ist die sogenannte „Parschallingerleithen."*) Zur Zeit, in der sich die hier erzählte Begebenheit abspielte, im Jahre 1123, gehörte daselbst der Grund und Boden den Markgrafen von Steyr und war größtentheils gut bebautes Ackerland. Die Straße führte auch in jener Zeit da, wo sie heute angelegt ist, allerdings war sie nur ein sogenannter Feldweg, der in der rauhen WinIm Meierhofe war immer reges Leben, denn dort war der Mittelpunkt des wirthschaftlichen Betriebes jenes mark- gräfiichen Grundbesitzes, der an der Steyr bis Sierning gelegen war, und die dort schaltenden Knechte, die „Barschalken", führten ein für jene Zeit ziemlich freies und sich gut lohnendes Dasein. Ziemlich weit rückwärts, von der Straße gerechnet, standen mehrere kleine Häuschen, zum Meierhof gehörig und von den verheiratheten Ackerleuten bewohnt. In -einem derselben spielte sich au einem Januarabend des Jahres II23 eine ziemlich erregte Scene ab. Der damalige Inwohner desselbeit, der „große Clemens" geheißen, rüstete sich trotz der bereits eingetretenen Dunkelheit zuni Ausgehen, während sein Weib, die sonst so ruhige und geduldige Afra, am eichenen, rohgezimmerten Tische saß und beim Scheine des Oellämpchens eifrig spann. Frau Afra war eine frische Person und die Nettigkeit und Sauber- berkeit in der sonst ärmlich eingerichteten Stube bewies, daß sie das Hauswesen nicht nur verstand, sondern sich auch darum kümmerte. Sie war sonst keine keifende Ehehälfte, die dem Manne nach des Tages Arbeit nicht ein Stündchen Plausch im Kreise seiner Freunde gönnte, aber heute sah sie mit scheelen Augen zu, wie ihr Mann sich zum Ausgehen rüstete. Clemens, ein Mann von herkulischem Gliederbau und dabei recht gutmüthigem Gesichte, bemerkte wohl die schlechte Laune seines Weibes und warf ab und zu beobachtende Blicke zu Afra hinüber. Es schienen ihm Worte der Begütigung auf den Lippen zu schweben, denn gerade vorher hatte ihn sein Weib gebeten, heute zu Hause zu bleiben, was er rundweg abgelehnt hatte. Das that ihm jetzt leid, denn er war seinem Weibe aufrichtig zugethan und er hätte gern versöhnt sein Häuschen verlassen, allein die Mienen Afras zeigten soviel Unmuth und Verdrossenheit daß er die versöhnenden Worte nicht über seine Lippen brächte. Er hatte soeben die Stiefel oben zugeschnürt und warf jetzt den großen Schafpelz über, worailf er nach den an der Wand hängenden Waffen: Bogen und Köcher, dem kurzen Jagdmesser und mem kurzen Wurfspeer langen wollte, N-, ii i£"** 2ffra> die trotz anscheinender NK? rin ihre Arbeit recht genau hatte, was ihr Mann that, ^^^^ ^afstand, zur betreffenden Wand ' M^?^ ^r die Waffen stellte. „Was soll das?" fragte Clemens 99 überrascht und seine Stimme klang rauher, als er es vielleicht selber wollte. „Daß ich nicht dulde, daß Du heute weggehst", entgegnete Afra, ihn fest an- sehend. „Ich habe Dich gebeten heute zu Hause zu bleiben, da ich munkeln gehört habe, daß man Dir auflauert — willst Du nicht freiwillig meine Bitte erfüllen, gut, so hole Dir die Waffen, aber freiwillig gebs ich sie Dir nicht heraus." Clemens sah sein Weib an und merkte, daß Afra entschlossen war, ihn am Ausgehen mit allen Mitteln zu verhindern. Zorn und Liebe kämpften in ihm und er sagte, sich noch beherrschend, möglichst ruhig: „Sei nicht kindisch, Afra — wie oft bin ich schon des Nachts auf die Pürsch gegangen und mir ist nichts geschehen — warum sollte das grad heut anders sein?" „Ich sagte Dir's ja schon, daß mau hier im Hause ahnt, daß Du - lieber jagst, als hinter dem Pfluge gehst", er- widerte Frau Afra mit bedeutungsvollem Blrck, „und — ich habe Angst um Dich —" „Bin ich denn ein Knabe?" fuhr Clemens jetzt auf und langte über den 7*

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