Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1894

78 — wurden die ersten neuen Münzen in Verkehr gesetzt: die Zwanzig-Kronen-Goldstücke. Am 8. November wurde nach zweimaliger vergeblicher Wahl im dritten Wahlgange vom Llmützer Capitel Dr. Theodor Kohn zum Fürstbischof von Olmütz gewählt. Bischof Kohn stammt aus einer Judenfamilie, seine Ernennung wurde deshalb von den Blättern und Parteien verschiedener Richtung sehr lebhaft discutirt. Aber darin schien doch Alles übereinstinimen zu wollen, daß in Kohn ein Kirchenfürst gewählt wurde, Aer deutsche Kaiser in Mien. Zwiste der beiden in Mähren vertretenen Nationalitaten bietet. Die Ruhe im österreichischen Parlamente, von rer oben gesprochen wurde, hielt leider nicht lange an. dün 23. November hielt Dr, v. P leii er eme, den Czechen gegenüber von sehr versöhnlichem Geiste getragene Rede. Aber in sehr heftiger und prononcirt feindseliger Weise erwiderte Fürst Schwärzend erg auf dieselbe und knüpfte daran die. Anfrage, wann der ..Ministerpräsident die Stelle eines czechischen Landsmannmiulsters wieder zu besetzen gedenke. 'Graf Taäffe stellte in Aussicht, daß er baldmöglichst diese Besetzung vorschlagen werde. Im .Zusammenhänge mit dem Vorhergegangenen glaubte die Linke in dieser Aeußerung eine neue Schwenkung nach rechts sehen zu müssen und Graf Kuenburg, der Parteiministcr der sinken gab seine Demission. Die Folge davon war, datz die Linke sofort in die Opposition ging und in der Abstimmung über den Dispo- sltlonsfond der Regierung eine Niederlage lw- reite.e. Erst am 10. December wurde die Demis- fron des Grafen Kuenburg angenommen und derselbe zum Senat-präsidenten im Obersten Gerichts- und Castationshofe ernannt. Die Regierung begann aber wieder den Weg der Verständigung zu betreten, indem sie am ö. JünIndessen trug sich eine ganze Reihe bemer- kenswerther (Ereignisse zu. Am 14. December trat Erzherzog Franz Ferdinand von Oester- r eich -Este eine große Weltreise an. — Am 7. Jänner starb der bekannte Physiker Hofrath Stefan, eine Autorität in der wissenschaftlichen Welt, nach kurzem Krankenlager. — Am 10. Jänner feierte Graf Taaffe sein 40jähriges Dienst- jubiläum. Auf seinen Wunsch wurde von allen festlichen Veranstaltungen abgesehen, und wurde der Tag nur dadurch gefeiert, daß sämmtliche Landeschefs sich zu seiner Beglückwünschnna ein- fanden und ihm als Ehrengeschenk eine prächtige Castette überreichten, welche die Aquarcllgemälde sämmtlicher Statthaltcreigebände enthielt, in welchen Graf Taasfe mährend seiner Dienstzeit amtirt hatte. Mit dem 22. Jänner begann eine Reihe von Festtagen für Wien. Das Württembergische Königspaar traf an diesem Tage in Wien ein, um der Vermählung des Herzogs Albrecht von Württemberg mit seiner Verlobten, der Erzherzogin Margarethe Sophie, beiznwohnen. Ein Galadiner, bei welchem die beiden Monarchen in herzlichen Toasten ihren Freundschaftsver- sicherungen Ausdruck gaben, leitete eine Reihe von glänzenden Hoffestlichkeiten ein. Die TrauKaiser Aosef-AenKmat in Arünn. ung selbst fand mit großem Ceremoniell am 24. Jänner in der Hofburg- kapelle statt. Die Völker Oesterreichs sandten dem scheidenden jungen Paare die herzlichsten Glückwünsche nach. Wie ein schwarzer Schatten in ein sonniges Gelände fiel in den Glanz der Festlichkeiten'die Ol»^^-^ ^vn einem neuerlichen Un- gluck rni bohnnichcn Kohlenreviere. Im Kohlen- ^“^ ,.ü'Oi.'tstritt" fand eine Explosion schla- b" welcher an 100 brave ^"^ ^ ^ben und zahlreiche Familien ihre Ernährer verloren. 79 Am 29 Jänner trat ein Ministerrath unter dem Vorsitze des Kaisers zusammen, um Zusätze zum Regierungsprogramm festzusetzen. Die Obmänner der drei großen parlamentarischen Clubs wurden sodann vom Ministerpräsidenten von den Aenderungen verständigt. Wie- wahl nun dasmodificirte Programm keineswegs eine der Parteien voll befriedigte und sich namentlich die Linke freie Hand vorbehielt, lenkten sich von nun an doch die parlamentarischen Verhandlungen in ein ruhigeres Fahrwasser. Am 27. Februar unternahm der Kaiser plötzlich und unerwartet eine Reise nach Territet, wo die Kaiserin nach längeren Reisen Erholung suchte. Im Jncognito eines einfachen Privatmannes brächte nun der Kaiser in Gesellschaft der Kaiserin, die sich dort sehr wohl befand, mehrere Tage in Ruhe zu, besichtigte mehrere Städte der Schweiz und kehrte am 16. März wieder nach Wien zurück. Dem Gesandten der Schweiz, Herrn Aepli brüdte der Kaiser seine lebhafte Befriedigung über den Schweizer Aufenthalt aus.

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