Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1894

62 voll Freude über das Glück der Schwester, voll Versicherungen, daß er ein anderer geworden. Der Schwester, nicht dem Vater, wurden freilich noch andere Nachrichten. Ihr schrieb der Bruder, daß er das heiße Klima schlecht vertrage und kränkele. Ein stilles Sehnen sprach aus den Zeilen, ein Sehnen nach der Heimat. Bange Ahnungen erfüllten das Herz des wackeren Mädchens. Und als die Hochzeit in aller Stille gefeiert, trieb es selbst auf baldige Abreise. Der Bruder sollte heim! Der Frühling meldete sich mit seinen ersten Gaben. Aus dem fernen Süden kamen die gestederten Sänger zurück zur alten Heimat. Würde nicht der Bruder im Geiste mit ihnen segeln zuni Vaterhause? An der Hecke blühten die ersten Veilchen, sproßte das'erste Grün! Wie wird der Bruder sich freuen an den duftenden Blüthen der Heimat! Und dann geleitete der Commer- cienrath und Frau Faller ein junges Paar zum stolzen Dampfer, der auf der Rhede zum Auslaufen bereit lag. Noch eine Umarmung, ein Händcdrnck. Der Dampfer entschwand in der Ferne. — Kurz und glücklich war die Fahrt. Dort breitet sich das Ufer, lachten die Häuser der fremden Handelsstadt. Rasselnd sank der Anker in die Tiefe. Dort nahte ein Boot. Stürmisch klopfte das Herz zweier Menschen, die in wenig Mmuten den Bruder an's Herz rn schließen -hofften. $ * 3 .^att seiner stieg ein Fremder die ^chlffstreppe hinauf. Es war ein Pro- cnrist des Handelshauses, der sich tief vor dem jungen Paare verneigte. Und der Bruder? Seine Kränklichkeit hatte ihn verhindert, selbst die Geschwister in Empfang zu nehmen. Wie wurde Mechtilde die Zeit so lang, bis sie anlangte im neuen Heim. Und dann stand sie Hand in Hand mit dem Gatten vor dem Krankenlager — — dem Sterbelager des Bruders." Fiebernd lag der Kranke. Aber wie leuchteten seine Blicke, mit denen er das vor ihm stehende Paar umfaßte. Ja, der angegriffene Körper hatte dem fremden Klima nicht genug Widerstand entgegensetzeu können — es ging zu Ende. Das junge Ehepaar wich nicht von dem Schmerzenslager. Aber alle Pflege, sie war vergebens. Noch einige Wochen, dann drückten, die Treuen dem Bruder die Augen zu und brachten ihn zu letzter Ruhe in frenider Erde. Erwin hatte die Heimat nicht wieder gesehen, aber er war geschieden, versöhnt mit sich, den Geschwistern, dem Vater. Tief erschüttert vernahm der Handelsherr die Kunde vom Tode seines einzigen Sohnes. „Und doch," sprach er thränenden Auges, „der Herr hat's wohl gemacht." Faller und Mechtilde aber mußten nach Jahresfrist heimkehren. Es waldein Commercienrath zu einsam allein in dem großenHause. Er wollte Menschen um sich haben. Und wieder lag der Dampfer auf der Rhede und wieder eilten zwei alte Leute hinaus, den Kindern entgegen. Hub als Mechtilde dem glücklichen Vater einen jauchzenden Buben entgegenhielt, rief der Großvater mit unaussprechlicher Freude: „Er soll Erwin heißen!" Der Sprelberg in Brunn. Kaiser Joses H. im Staatsgesängnisse aus dem Spietberge in Wrmm. ie aus den geschichtlichen Daten zu entnehmen ist, besuchte Kaiser Josef die Strafanstalt auf dein Spielberge in Brünn mehreremale, so beispielsweise in den -Jahren 1766, 1777, 1783. Dieses in Oesterreich gefürchtete und im Auslande berüchtigte Gefängniß, in deni unzählige Männer von Rang und Stand, wie 'Markgraf Prokop von Mähren 'f 1410), die Anhänger Wallenstein's, FreiDer Spielberg im 16. Jahrhundert. Herr von Schaafgotsche und Oberst v. Dcharffenberg, welche beide hinge- richtet wurden (1630), Feldmarschall v. Schönnig, Feldmarschall Graf Bonne- 'val, Feldmarschall Georg Ollivier «J^f ^l?1^' der berühmte italienische Dichter Graf Silvio Pellico, der im Kerker sein weltbekanntes Werk „Le mie ' s^n? 1833 (Meine Gefäng- W schieb, Graf Maroncelli und “ ^ und hochgestellten Persönlichkeiten, auch der noch jetzt im Munde des Volkes lebende Pan- duren-Oberst Franz Freiherr von derTrenck(1746—1749) theils jahrelang in dumpfen schauerlichen Kerkern schmachteten, bevor sie ihre Freiheit wieder erlangten, theils in den Mauern des Spielberges elend zn Grunde gingen— dieses von aller Welt gefürchtete Gefängniß mußte die besondere Aufmerksamkeit des menschenfreundlichen und hochherzigen Monarchen erregt haben. So fuhr derselbe eines Nachmittags im Monate September des Jahres 1783 in Begleitung des Obersten Graf Franz Rosenberg incognito anf den Spielberg hinauf, woselbst damals der Oberst Franz Herter v. Hertler Commandant des Gefängnisses und der Beste war. Nach Vorweisung des Geleitbriefes befahl der Commandant dem Kerkermeister Chrill den beiden Herren die Gefängnisse zn zeigen. Mit einem mächtigen Schlüsselbunde

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