Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1894

Bö Als Sonderbarkeit wurde noch bei- gesügt, daß vor einiger Zeit dieser Ermordete — ein anerkannt tüchtiger Polizeiagent, der in seinem Amte bereits die glänzendsten Erfolge zu verzeichnen gehabt — mit der Aufgabe betraut worden war, für die Schuld des erwähnten Professors Beweise zu erbringen, was ihm jedoch trotz der aufgewaudteu Zeit und aller Schlauheit nicht gelingen konnte. Hnmoristisches. Z3eim Wolizeicommistär „Ah, da sind sie ja, Nante! Wollen gewiß den ihnen zndictirten Tag Strafe ab sitzen?" „Im Gegentheil Herr Coinmissär, ich wollte mir krank melden — ich bin heiser!" „Nun, das schadet ja nichts, da können Sie gerade am besten —" „Aber liebster Herr Commissär, ich bin ja so heiser, daß ich nicht einmal brummen kann!" Die allgemeine Aufregung beruhigte sich erst dann allmählich wieder, als man erfuhr, daß die Schuldigen zu langjähriger Zwangsarbeit in Sibirien ver- urtheilt worden waren. Das arme „Opfer seines Berufes" bedauerte jeder; vielleicht wäre es anders gewesen, wenn man auch allgemein gewußt hätte, wie Praskowia Ratikoss Nihilistin wurde! Eine wirksame Mahnung. Ein italienischer Graf ließ sich von dem Maler Luca Giordano, genannt Fa Presto (1632—1705) malen. Als das Bild fertig war, wurde es aber nicht abgeholt. Da hängte der Künstler es einfach zum Fenster hinaus mit einem Zettel, auf dem weithin sichtbar die Worte prangten: „Ich hänge hier, weil ich kein Geld habe." Der Graf beeilte sich, seinem Abbilde die nöthigenMoneten angedeihen zu lassen. Edle Herzen. Novelle von Khr. Kecischhancr. 1. Auf Havanna jW^^lühend brennt sie hernieder, die O Sonne der Havanna! In leichte yiffl und weite Helle Kleidung gehüllt, den breitrandigen Strohut auf dem lockigen Kopfe, ruht ein eleganter junger Herr im Schaukelstuhle. Die Be- wegungeu des jungen Mannes sind me- chanische, die weißen wohlgepflegtcnStände hängen schlaff über die Lehne des Stuhles- die eineHand hält einen zerknitterten Brief' die andere zerdrückt mit leichtemZittern eine feine Havanna, die lange keinen Funken Feuer mehr hatte. Der Blick, so leer, haftet starr tind unverwandt in der Ferne. Der Brief da hat gewiß keine guten Nachrichten gebracht. Die Gedanken des Sin- nenden weilen daheim in der alten hvch- giebeligen Seestadt. Eben ist er angelangt, hier im sonnigen Süden und nun, durch die nächste Post schon diese Nachricht! Der junge Mann springt auf und schreitet mit hastigen Schritten über die schattige Veranda. Da unten anfprächtigenBlumen- beeten schaukeln sich große, buntschillernde Schmetterlinge, wie sie der kurze Sommer der nordischen Heimat nicht zeitigt; durch . duftenden Gebüsche schlüpfen Vögel in einer Farbenpracht des Gefieders, die den gefiederten Sängern der heimatlichen Wälder nie eigen. Wie hat noch vor wenig Tagen diese Pracht des Südens den rnhelos Wandernden da oben erBewunderung hingerissen! Und Oeute? Von neuem fliegt der Blick über ben Brief. Zum wievielten Male? Und immer wieder bleibt das Auge auf der einen Stelle haften.: J «• cc- "^^eh nach Deiner Abreise ist unser ^assirer Emil Faller in Untcrsuchungs- haft genommen. Es fehlte in der Casse oder »3rC Summe. Faller konnte r^,^!-/ r-^'"e Aufklärung geben. Unser so ,,>!p ^bstnnter Vater ging gerade durch, so leid es ihm that. In den nächsten Wochen wird über den muthutaßlichen Dieb das Urtheil gesprochen; wie dasselbe ausfällt, ist kaum zweifelhaft. Mir brennt der Kopf ich kann das Geschehene nicht fassen, mein Lebensglück ist dahin, o die traurigen Weihnachten, die uns in diesem Jahre bevorstehen!" Unddie das schrieb, wardieSchwester des Lesenden, der jetzt wieder mit erregten Schrittendahiueilte,jetzt zornig nach einem Falter schlug, der ihn spielend umgaukelte. Getroffen fällt das Thier zur Erde. Eiu unbaruiherziger Fuß zertritt es vollends. Ihr Lebensglück! Um so hohes Gut handelt es sich? Sie hat ihn also geliebt, ihn, der hinter düstern Gefäng- nißmanern schmachtet, wenn in wenig Wochen die Weihnachtsglocken daheim ihr: „Friede auf Erden!" hinansklingen über die winterlichen, schneebedeckten Fluren. Friede! Wo ist Friede? Wo überhaupt in der rastlos hastenden Welt mit ihrem steten Kampf um Existenz, Ehre und Genuß? Hier in der Seele des Wandernden wohnt er gewiß nicht. O, der schmerzende Kopf. Wie sie brennt, so unerträglich, die tropische Sonne! Aber was ist ihre Glut gegen die da drinnen im klopfenden Herzen, hinter den hüm- mernden Schläfen!? Der Wanderer hält inne im rastlosen Lause, er sinkt in den Stuhl, stützt den brennenden Kopf in die Hand und läßt die Gedanken über das Meer wandern, heimwärts, heimwärts! Er sieht sich inmitten seiner Freunde im llchthellen Spielsaale. Die Goldstücke rollen, ihm ist das Glück nicht günstig. Er fordert es heraus, waghalsig, leichtsinnig. Vergebens! Seine Schuld läuft zu enormer Höhe. Seine Baarschaft ist dahin! Aber hat denn der Sohn des reichen Handelsherrn nicht unbeschränkten Credit. Die Sonne schaut nach durch- praßter und durchspielter Nacht auf bleiche, verstörte Gesichter, er taumelt 4*

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