Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

28 Ritter seinen edlen Hund der liebreizenden Mandica. Schon am ersten Tage schmiegte sich Mussur, so hieß das Thier, mit solcher Anhänglichkeit an die Königstochter, daß er keinen Schritt mehr von ihr wich. Obwohl gutmüthig und ruhig, gerieth er iu Wuth, wenn es ein Unbekannter wagte, sich dem Königskinde zu nähern und nur ihr Wort allein konnte ihn zur Ruhe bringen. Es begab sich, daß der König mit Königin Savica an den benachbarten Hof zu Brinj zn Gaste mußte. Nach seinem Befehle vor dem Abschiede hatte das große Eingangsportal und die kleinere Pforte geschlossen zu sein, die Zugbrücke mußte aufgezogen werden und Niemand durfte aus dem Schlosse ohne Erlaubniß des gestrengen Kastellans. Nachmittags nach der Eltern Abzug lustwandelte Mandica, begleitet von Mussur, im Schloßgarten. Es glühte die Sonne, die heiße Luft zitterte, doch kühlte ein frischer Wind vom Gebirge her die Hitze der Luft. Vögelchen zwitscherten in dem Gezweige der Bäume, würzige Düfte zogen daher/ welche das Mädchen entzückt einathmete, berauscht von dem süßen Geruch, deu ihr die Natur so erfrischend darbot. Ein holdes Selbstvergessen durchzog sie behaglich und lieblich, träumerisch sinnend zog sie den Gartenpfad dahin. Hoch über ihr, im Kreise dahinjagend, verfolgte ein Falke ein armes Täubchen. Das Gefieder der beiden Vögel erglänzte bei den jähen Wendungen im Strahle der Sonne wie Silber. Der Anblick fesselte Mandica und das Geschick des Täubchens rührte sie so, daß sie cs nicht merkte, wie sie durch die kleine Eisenthüre in ber. Ringmauer, welche wie von selbst aufsprang, hinaustrat vor die Burg auf einen kleinen, ebenen Plan. Dieser zog sich abwärts bis zu einein Wäldchen und war mit blauenBlümchen wie besäet. Ein schmaler, selten betretener Fußpfad führte bis ans nahe Gebirge. Solche Blumen, so schien es ihr, hatte Mandica noch nie gesehen. Verwundert sah sie hin und war entzückt auch von der Schönheit der Berge. Alles das hatte sie von hier aus noch nie betrachtet, da die Thüre immer verschlossen blieb. Wie bezaubert stand sie da. Die Berge waren in prächtige Farben getaucht. Einer schien blau, ein zweiter schimmerte wie von Gold übergossen, ein dritter glänzte in violettem Lichte, während der vierte grün sich zeigte und ganz rückwärts ein riesiger Kegel schwarz anzusehen drohend sich erhob. Ueber allem dem ruhte wie ein dichter Schleier ein nebeliger Dunst. Als sich Mandica von dem herrlichen Anblicke, der sie so angezogen, losriß, waren Falke und Taube verschwunden, sie mochte noch so emsig nach ihnen spähen. Allgemach war sie so den Pfad entlang bis ans Wäldchen gekommen und wollte, nachdem sie einige Blumen gepflückt, eben umkehren, als das laute Gebell Mussur's im Wäldchen erscholl. Mandica rief nach ihm einigemal, allein der bis dahin folgsame Hund wollte diesmal nicht gehorchen. Sie verwunderte sich darob und konnte sich den Grund nicht erklären. Da aber sprang ein schönes Reh aus dcm Walde au ihr vorüber dcm Gebirge zu. In der Meinung, daß das Wäldchen noch mehr solcher Thierchen berge, da Mussur weiter bellte, eilte sie neugierig ins Wäldchen. Ein Bächlein floß im kühlenden Schatten dahin; das leise Murmeln desselben klang so einladend, das Helle Wasser lud so zum Trünke ein, daß das Mädchen gerne im kühlen Dunkel des Waldes vorzog, die heiße Stirne zu erquicken und von dem Wasser zn trinken, dessen Quelle unweit davon am anderen Saume des Wäldchens vom Felsen rieselte. Mandica eilte dahin und trank. Dann lugte sie neugierig unter den Bäumen ans nach vorne, wo sich ihr ein noch nie gesehener Anblick bot. Sie sah, daß sie nicht weit vom hohen Ufer eines dunklen Sees stand. Ringsum an seinen kahlen Ufern wuchsen gelbe Blumen, die betäubend rochen; Alles war in tiefes Schweigen getaucht, nur das Wasser in der Tiefe, obgleich ohne Bewegung, rauschte dumpf und aus schwarzen Strudeln blitzten hie und da seltsam rothe Feuer auf. , Das Mädchen erschrack; sie wußte, daß sie sich an einem Arme des Zagorjer Sees befand, so nahe hatte sie ihn nicht gedacht. Von Furcht geschüttelt, wollte sie sich abwenden und eiligst entfliehen, da im Wenden erblickte sie drüben über dem Wasser auf einer Felswand den Lindwurm. Seiic ungeheurer grüner und gelber Leib lag laug dahin gestreckt, das blöde Auge sah verlangend nach ihr. Sie entfloh, von Entsetzen gepackt, Mussur ihr rach. Niemandem sagte sie ein Wort von dem, was sie gesehen, um die guten Eltern nicht zu erschrecken. Aber von dem Tage au schien sie ein heimlich Leid in ihrem Herzen zu tragen. Die Pokale mit Edelstein besetzt und allerlei, was heldenmüthige Kämpen erfreuen konnte. Da gab es viele Besiegte, aber auch viele Sieger, die ein Blick aus holden Augen beglückte. Der Hof ergötzte sich sattsam an den Spielen und hernach begab sich männiglich zur reich besetzten Tafel. Alle waren fröhlich, alle aufgeräumt im Kreise edler Herren und schöner Frauen, alle horchten dem Sange der Minnesänger, die zum Klange der Saiten Liebeslieder saugen. Selbst Mandica war heiter und munter und lachte zur Freude der Eltern über die Spässe, welche des Königs Lustigmacher zum besten gab. Da trat nach altem Brauche vor sie ein geschmückter Page mit goldener Tasse, auf welchem er 'den Silberbecher darbot, damit sie ihn als die Tochter des Hauses bis zum Rande fülle mit perlendem Weine für jenen Tapferen, der sich unter Allen als der beste erwiesen. Es schmetterten die Zinken und Posaunen und erschollen die Pauken. Mit weißer Hand griff Mandica nach dem Gefäße, um es mit glühendem Weine zn füllen, als da aus ihrem Auge eine Thräne perlte und in den Becher fiel, das Zeichen, daß sie der Lindwurm zum Opfer auserkoren. Da verstummte die rauschende Musik, düsteres Schweigen lagerte über Allen und in bleichem Schrecken sahen die Gäste nach der Königstochter; weinend erhoben sich die Frauen und still in sich gekehrt verloren sich die Geladenen aus den Hallen des Schlosses, in welches stumme Trauer so plötzlich eingezogen. Mit dem Königspaare war das ganze Land iu Schmerz versunken. Allenthalben sah man betrübte Mienen und bleiches Leid und wenn je jemand sang, so entrangen sich Trauerlieder der Brust, Trauerlieder, wie sie der Croate seit uralten Zeiten singt in Tagen des Unglückes. Mandica liebten Alle und beweinten sie. Die Ritter erschienen nicht anders als in dunklen Gewändern, die Frauen mit langen, schwarzen Schleiern, von Rosen ihrer Wangen erblichen, tiefe Seicfzcr entrangen sich ihrer Brust, kein Lächeln trat auf ihre Lippen. Niemand mußte daher, was sie bedrücke und vergebens drangen die besorgten Eltern und die liebevollen Genossinnen in sie. König Lirin, um sein geliebtes Kind zu erheitern, ordnete ein großes Fest an mit allerlei heiteren und. auch mit ritterlichen Waffenspielen. Da kamen aus Nah und Fern viele geladene Ritter heran, nm in ernstem Waffengange den Lohn für Stärke, Gewandtheit und Muth aus den Händen schöner Frauen zu empfangen. Die Vorbereitungen zn dem Feste waren glänzend. Auf ebenem Plan, umfangen von hohen Sitzen für den König, die Königin, Prinzeß Mandica und die edlen Frauen oder andere Gäste, die nur zusahen, kämpften die Ritter zu Roß, zn Fuß, zu zweien und auch mehrere gegen einander. Sie machten unerhörte Anstrengungen, um angesichts so vieler Zuseher Sieger zu bleiben und den Kampfpreis aus zarter Hand zn erhalten. Die Geschenke waren prächtig: Vergoldete Helme, schöne Schwerter, goldene Sporen, goldene und silberne

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