Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

26 tief über die Brust herab, während sich über den mild und gnädig blickenden Augen dunkle Brunen wölbten. Wenn er ans erhabenem Sitze saß inmitten seiner Edlen in silbernen und goldglänzenden Rüstungen, tvar er anzusehen, wie ein gütiger Vater im Kreise seiner gehorsamen Kinder. Berühmt war die Burg ModrnZ auch durch ihre unermeßlichen Reichthümer, doch das edelste Juwel unter dem vielen Golde und Edelgestein war des königlichen Vaters und der hehren Mutter Töchterlein, die liebliche Man- dica, ein herrliches Mädchen mit Wangen wie Pfirsichblüthen und frischgefallener Schnee. Ihr goldenes Haar reichte bis zu den Knöcheln und wenn sie einherschritt im blauen Brvcatkleide, war sie ivie ein Engel, der dahergeht in blauen Wolken, um den Menschen auf Erden Segen zu spenden und Frieden ins Herz ;u träufeln. Wohin auch Mandica ihre Schritte lenken mochte, dahin folgten ihr Kinder, um auf ihre Wege Blumen zu streuen; ihrem Blicke folgten des Vaters Ritter, um ihr, der Schönsten im Lande, die starke Hand zum Dienste anzubieten. Wenn sich Mandica mit ihren Gefährtinnen in der Ebene unterhalb des Burgberges erging, gleich der Sonne im Kreise bleicher Sterne, kam Alt und Jung heran, um ihr den Saum des Kleides zu küssen und einen Blick ihres Auges zu erhaschen, das blau war, wie die Farbe des Himmels. Die Königstochter war glücklich und fröhlich, und heiter und glücklich auch des Königs Hof. Viele Jahre hindurch ruhte des Glückes Sonne über dem Schlosse und sendete seine Strahlen herab auf dessen glückliche Bewohner. Allein, gleichwie der Wind den Blüthenstaub entführt und zerstäubt, so wandelte sich das Glück in Trauer und Herzeleid. Leise und allmälig schlich cs heran wie ein unheimliches, nächtliches G. bilde, und bedrohte den König nud dessen Gemaliu und die Perle des Hofes: | die Prinzessin Mandica, daß nicht einmal der starken Ritter Arme mächtig genug waren, die Bedrohten zu bewahren. Unfern vom Schlosse, unter dem Höhenznge der Kapella, lag ein tiefes Thal, das sich, rings von steilen Abhängen umschlossen, ansbreitetc und an einen See stieß, dessen Spiegel sich zwischen die hohen Wände hineindrängte. Man nannte ihn in jener Gegend den See von Zagorje. Bon grauschim- mernden Felswänden umfangen, starrte die Wasserfläche dunkel, unheimlich, regungslos nnd still, von unermeßlicher Tiefe. Wessen Auge ängstlich und befangen von der Höhe in den Abgrund sah, dem schien das dunkle Gewässer wie finstere Nacht, in deren unergründlicher Tiefe es manchmal jäh und ge- heimnißvoll anfblitzte. Niemand faßte die Ursache dessen und sah mit Staunen nach jedem Blitze einen fahlen Dunst dem See entsteigen, während dessen Wasser sich hob und senkte, wie wenn ein Mensch schwer und tief athmet. Manchmal drang aus dem Grunde eiu Ton herauf, den mau schwere» Herzens wie das Stöhnen Unglücklicher vernahm. Daun ward es wieder ruhig und die geheiinnißvalle Tiefe lag da, wie ein Räthsel ohne Lösnug. Oede waren seine Ufer nnd am Gerölle ringsum wuchsen nur gelbe Strohblumen, womit das Volk seine Todten bekränzt. Selten getränte sich Jemand in die Nähe des Sees nnd die Hirten, wenn sie eiu verirrtes Schaf dort zu suchen hatten, enteilten so schnell als möglich von der unheimlichen Stätte. Es hauste nämlich dort eiu Lindwurm, der Schrecken und Gegenstand der Trauer im ganzen Lande. Aus uralten Zeiten stammte der Gebrauch, daß dem Unholde jeder Einwohner der Reihe nach alltäglich ein weißes Lämmchen zn opfern halte. Au wen die Reihe kam, trieb sein blumen- bekränztes Lamm au das hohe Ufer, stürzte es hinab in den See und floh so schnell er konnte, um das Ungethüm 27 erschien die krächzende Rabenschaar am Hause der schwer heimgesuchten Eltern, nnd ihr Geschrei verkündete, daß die Tochter nimmer wiederkehren werde. nicht zu erblicken. Es hieß von dem- bis sie eines Tagcs verscholl. Jedesmal selben, daß sein Blick des Menschen ........ Leben vergifte und wessen Auge in das trübe und drohend schauende des Lind- ivurmes gesehen, der verdorre allgemach und sterbe endlich in Elend nnd Schmerzen. Wenn aber jemand, so ihn die Reihe traf, es verabsäumte, sein Lamm dem Drachen zu opfern, da schlugen Flammen aus der Erde, verzehrten Dörfer und Hütten und ekle Krankheiten und Seuchen rafften die Menschen dahin. Die Opfer, welche das Land Es ging die Sage, daß der häßliche Drache aus deu Fluthen des Sees hinaufklimme aufs Ufer und von da aus mit seinen trüben, jedoch trotzdem scharfen Augen meilenweit ins Land hineinspähe und sich seine Opfer erkiese. Es bewachten daher König Lirin nnd Königin Savica ihr Kind mit sorgScheusal gab, waren zwar schwer, jedoch nicht derartig, daß sie nicht hätten geleistet werden können, denn das Land war reich an Menschen nnd Gütern nud Jedermann gab lieber vou dem Seinen, als daß er hätte Unglück heraufbeschwören wollen. Da begab es sich eines Tagcs, daß die Tochter eines ModruZer Leibeigenen, wie von geheimen Kräften, denen sie nicht widerstehen konnte, verlockt, sich zum Ufer des Zagorjer Sees verirrte, ^ in die noch nie gesehene dunkle M Tiefe hinabschaute und auf Nino nierwiederkehr dort verblieb. Vev gebens riefen die schmerzerfüllten W Eltern mit den zärtlichstenSchmei- chclnamen nach ihrer Tochter, deni süßen Kinde. Eine ganze Woche hindurch kam eine Schaar schwarzer Raben dahergeflogen, setzte sich auf das Hausdach des unglücklichen Leibeigenen und verharrte schreiend dortselbst bis zum Abende. Von der Zeit an gelüstete es den Lindwurm nicht mehr nach Lämmern, sondern zurNahrung begehrte er Mädchen. dem lichem Auge und unermüdlicher Sorge, daß es ja nicht mehr weiter vom Schlosse wandle, als ein Pfeilschuß reicht. Bei solchen Gängen geleiteten Mandica die königlichen Schildknappen, oder ihr großer Hund. Das Thier wär ein Geschenk eines fremden Ritters, der ihr mitten in Scherz und Spiel mit! heimziehend ans dem heiligen Lande und Jerusalem über Constantiuopel gerade an dem Tage im Schlosse ModruZ gastlich aufgenommen ward, als das erste Mädchen dem Drachen zum Opfer fiel. Freundlich nud liebevoll im Schlosse aufgenomnien und bewirthet, schenkte der So die Reihe an eines kam, da tropfte ihren Genossinnen und während der fröhlichsten Lust eiue goldene Thräne aus dem Auge. Vou da an wurde die Arme still, traurig und tiefsinnig, welkte dahin und trug ein unwiderstehliches Verlangen zum See hin zu lustwandeln,

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