Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

24 lassen. Und heute, als ich ihm sagte, daß ich mit einem Wilddiebe nicht länger mehr leben wolle, jagte er mich sammt meinem Kinde zum Hause hinaus." „Der Anklage dieser. Fran habe ich nicht mehr viel hinzuzufügen," bemerkte der Forstadjunct. „Ich war diesem Manne schon lange auf der Spur, viele Nächte habe ich seinetwegen geopfert, doch heute endlich ist es mir gelungen, ihn auf frischer That zu ertappen." Auf dem Gesichte des Försters spiegelten sich die verschiedensten Empfindungen. „Und wie kam ich nach Hause?" sagte er. „Ich sah Sie, Herr Förster, ans dem Boden liegen," versetzte der Forstadjunct, „der schwere Baumast, der auf Ihrem Körper lag, ließ mich sofort errathen, was vorgefallen sei.. Den-Wald wollte ich nicht verlassen, so veranlaßte ich Ihren Transport nach deni Forsthause durch meiue Leute." Der Förster blickte lange sinnend zur Seite. Plötzlich streckte er seine Hand aus. „Herr Forstadjunct," sprach er, „geben Sie mir Ihre Hand. Die heutige Nacht hat so Manches zwischen uns wieder gut gemacht." Wieder giug die Thüre auf und her cintrat der alte Chocholarz. „Nehmt das Schriftstück, lieber Chocholarz," rief der Förster dem Eintreten- den zn. Es ist mein Entlassungsgesnch Gebt es ab in der Centralkanzlei." „Ach," rief das Weib, welches Förster Braun in sein Haus gebracht, beim Anblick des Schriftstückes aus, „ich hab' auch so etwas auf der Straße gefunden. Hab' ans den Brief ganz vergessen. Seht doch nach, vielleicht werdet Ihr wissen, wem das Schreiben gehört." Mit diesen Worten überreichte das Weib dem Förster einen Brief. Jener hatte kaum einen Blick auf die Adresse gemacht, als er überrascht ausrief: „Der Brief, den mir die Magd des alten Forstrathes Hannemann in der Stadt übergeben hat! Ich muß den Brief unterwegs verloren haben. Laßt doch sehen, was mir der alte' Forstrath zu schreiben hat." Er öffnete den Brief und las: „Mein lieber Förster Braun! Vor einigen Tagen wurde ich zu Sr. Durchlaucht beschieden. Ich fand den hohen Herrn, wie ich ihn immer gerne haben wollte, und da nahm ich mir kein Blatt vor den Mund. Ich will Ihnen nur in Kürze mittheilen, daß der Forstrath v. Blankenberg seines Dienstes enthoben wird, ferner, daß Sie, lieber Braun, zum Oberförster und Herr Werner, Ihr Adjunct, von Sr. Durchlaucht zum Förster ernannt werden. Die diesbezüglichen Decrete dürften Ihnen schon morgen zugestcllt werden......... " „Chocholarz," rief der Förster in freudiger Erregung aus, „gebt mir das Entlassungsgesuch wieder zurück. Der Brief, deu dieses Weib gefunden, kam mir wirklich in einem sehr entscheidenden Augenblick zu." Am nächsten Tage, dem Weihnachtstag,- erhielten Förster Brann richtig sein Decret als Oberförster, Forstadjunct Werner als Förster. Dieser führte einige Monate später seine geliebe Clara als sein Weibchen heim, nnd das Weib des Wilddieben halte mit seinem Töchterchen im Hause des Försters Braüu eine neue Heimat gefunden. Die Sage von der schönen Wandira^. Tie eigene Erzählung ans dein Croakischen ins Deutsche übertragen von Ernest Kramberger. einem hohen Kegel des Ka- 8 B pellagebirges in Croatien ra- A W gen die Ruinen einer großen, ^@i uralten Bnrg in die darüber ziehenden Wolken. Stein auf Stein löst sich von dem zerbröckelnden Gemäuer und rollt den steilen Berg hinunter in die Piefe; durch die Risse und Spalten iit den Mauern und durch die gähnenden Fensteröffnungen sanst der Wind, während in den finsteren Nischen und tiefen Löchern Enten nisten, die in deu finsteren, stürmischen Herbstnächten unheimlich klagen zum Schrecken Jeder manus, der da im Dunkel am Faße des Berges eiligst vorüberhuscht. Wenn gewaltige Regenmassen an die Mauern klatschen, waschen sie den Mörtel unter dem Stein heraus, damit sie mit dem unerbittlichen Zahn der Zeit vereint die Trümmer dem Erdboden gleich machen. Und doch noch immer stolz ragen sie in die Lüfte, die einstigen Zengen prunkender Herrlichkeit. Zn jener Zeit, als das Kapellagebirge noch Goozd hieß, war die Burg ein stolzes, schönes Schloß, das weit und breit ringsum alles Laud beherrschte, der Stammsitz mächtiger Herren, kühner Helden. In alle Fernen glänzten die weißen Mauern inmitten der dunkel bewaldeten Kuppen des hohen Gebirges, wie eine Perle auf schwarzem Sammt weiß schimmerud gleißt. ModruS**) ist der Name des Schlosses, von dessen Zinnen die Posannen tapferer Kämpen mit hellem Klange verkündeten, daß da oben Sicherheit nnd Schutz zu finden für Jedweden. Dort wohnte in uralten Zeiten der König Lirin. Mit milder und gerechter Hand nnd weisem Sinne regierte er über seine Unterthanen. Deshalb liebten sie ihn auch alle und verehrten ihn°warmen Herzens, bereit für ihn selbst das Leben zu opfern. Der Silberbart deswillen Greises wallte *) Magdalena. — **) „8" und „s" sind wie „sch".anszusprechen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2