Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

7 6 Dienste des Verräthers. So vergingen drei Jahre, und Prinz Engen wagte den kühnen Zug uach Frankreich, der ihn bis Toulon führte. Auch das Regiment des Obersten von Fürnberg war dabei und hatte vorzugsweise deu Eclaireurdienst zu versehen. Unserm alten Helden war dies sehr willkommen, denn seine Escadronen ritten dem Hauptheere oft meilenweit voran und er hatte eine geheime Ahnung, daß er feinem Todfeinde ans diesen Wegen noch am ehesten begegnen würde. Und in der That hatte er sich nicht getäuscht. Eines Morgens rappor- tirten ihm die Vorposten das Heran- nahen eines feindlichen Reitertrupps, der augenscheinlich zur Recoguoscirung ausgesendet war. Der Oberst legte sich mit einigen Schwadronen in einen Hinterhalt und brach im geeigneten Momente wie der Blitz in die feindliche Reiterschaar hinein, die schon beim ersten Anprall in alle Winde zerstob. Nur der Anführer stürzte mit seinem Pferde und bevor er sich noch erheben konnte, hatte ihn der Oberst, allen Anderen voraus, schon erreicht. Er schwang sich vom Pferde und eilte dem Gefallenen zu Hilfe, dieser aber hatte sich bereits erhoben und stand mit geschwungenem Säbel kampfbereit da. Es war Maraviglio — einen Moment standen sich die Todfeinde sprachlos gegenüber, dann brüllte der Oberst mit wulh- erstickter Stimme: „Schurke, Verräther an Gott und Vaterland, wo hast du mein Weib und Kind?" — „Suche sie beim Teufel in der Hölle!" schrie der Graf. „Treulos,- wie sie dir war, war die Metze auch mir." Und es entspann sich ein wüthender Kampf. Der treulose Feind fiel, aber auch der Oberst hatte eine schwere Wunde davon getragen und besinnungslos fanden ihn seine nachkom- menden Reiter im Blute schwimmend. Die Kriegslaufbahn unseres Helden war damit abgeschlossen. Er erhielt einen ehrenvollen Abschied und zog sich nach der geliebten Heimat Niederösterreich zurück, wo er die Herrschaften Weiteneck und Loiben erwarb. X- * * In den ersten Jahren hatte er mit dem Wiederaufbau der zerstörtenSchlösser hinreichende Beschäftigung, als aber Albs in behaglicher Gemüthlichkeit dastand, überkam den alten Soldaten das Gefühl der Vereinsamung. Die Vaterliebe wollte in seinem Herzen nicht erlöschen und immer wurde die Erinnerung an sein Ameischen, seine abgöttisch geliebte For- michetta, in ihm rege. Da starb seine einzige Schwester, die ihm seither den Hanshalt geführt. Ihr Sohn diente im Heere des Kaisers als Lieutenant, und Weib und ich schwöre dir, keinem Anderem als dir soll meine Tochter ange- höreu. Und wenn sie mir Gott der All- gütige gerettet und erhalten hat, so wird mein Kind deiner würdig sein, denn sic ist aus dem Stamme der Fürnbcrgcr!" Nun wurden alle Vorbereitungen zur weite« Reise, die damals kein geringes Wagstück war, getroffen. Oestcr- reich lebte glücklicherweise im Frieden mit Frankreich, und so verschaffte der Oberst dem Neffen Empfehlungsbriefe an die französischen und italienischen Machthaber. Als einzigen Begleiter erbat sich Erwin den alten, aber rüstigen Wolf, den vormaligen Wachtmeister des Obersten, eine treue Seele und ein gewaltiger Haudegen. Die Reise wurde der damaligen Sitte gemäß zu Pferde gemacht nud konnte nur in mäßigen Stationen vor sich gehen. Zunächst wandte man sich nach Frankreich, respective uach Paris, wo die Empfehlungsschreiben abgegeben wurden, aber wenig Wirkung erzielten; denn ein Conte von Maraviglio war niemals in die Listen der französischen Armee eingetragen worden. Der Verräther und Deserteur hatte also jedenfalls einen falschen Namen angenommen. Endlich gelang es, wenigstens die Identität des Grafen, der sich den Namen und Titel eines Marchese di Trcntinaglia . beigelegt hatte, festzustellen. Damit war aber nichts weiter erreicht als der amtliche Nachweis, daß er als Oberst zur Südarmee, welche gegen die eiugcdruu- gene Armee des Prinzen Eugen zu ope- riren hatte, abcommandirt worden war. Ueber das Familienleben des falschen Marchese war absolut keine Nachricht zu erlangen. Erwin suchte und fand die Bekanntschaft einiger höherer Osficiere, die mit dem Deserteur gedient hatten, aber einstimmig versicherten dieselben, den Marchese niemals in Begleitung von Fran und Kind getroffen zu haben. Der Schurke hatte also dieselben entweder bald nach der Flucht wieder verstoßen oder er hütete sein verbrecherisches Berda der spanische Erbfolgekricg gerade zu Ende gegangen war, so kam dem alten Oberst der Neste auf Schloß Weiteneck sehr willkommen. In Erwin von War- tcnegg, der damals 22 Jahre zählte, sand ' der Onkel sein Jugendbild, seine Kriegserinnernngen wieder. Der junge Mann war in der That im Aenßern wie im Innern seinem Onkel nachgeartet, und dieser liebte ihn auch bald wie seinen eigenen Sohn. Er installirte ihn auf seinen Gütern als zickünftigen Herrn und Gebieter und hatte es nicht zu bereuen, denn Erwin, dessen frühverstorbener Vater ihm nichts hinterlassen hatte, war ein ebenso pflichteifriger, wie dankbarer Verwalter. Es verstrichen wieder einige Jahre, und da Friede im Lande war, so nahm der junge Mann seinen Abschied und widmete sich ganz der Landwirth- schast und der Pflege des alten Soldaten. Dieser verfiel aber allmälig in einen Trübsinn, den sich der besorgte Neffe nicht erklären konnte, und so faßte er sich eines Abends ein Herz und brachte auch richtig den alten Herrn zur Beichte, die diesem gleichzeitig eine große Erleichterung gewährte. Erwin erfuhr zu seiner nicht geringen Ucberraschung zum erstenmal, daß der Onkel verheiratet und sogar Vater eines allerdings verschollenen Kindes war. Nun kam die Reihe an ihn, in Trübsinn zu verfallen, denn sein Gewissen sagte ihm, daß er nicht erbberechtigt sei und daß cs vor Allem Pflicht wäre, zunächst der eigentlichen Erbin nachzuforschen. Er war bald mit sich einig, was nun zu geschehen habe, und so trat er vor den Onkel hin und bat um Urlaub; denn seines Bleibens könne nicht länger sein, er habe nur eine Lebensaufgabe: dem Vater sein Kind wieder zu verschaffen. Thränenden Anges umarmte ihn der alte Soldat, dann aber sprach er: „Ich habe nichts Anderes von dir erwartet, denn du bist, wenn auch kein Fürn- berger, doch ans meinem Stamm, dessen Devise heißt: Furchtlos und treu. „Ziehe also hin und suche dir dein

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