Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

2 Herrschaften Weiteneck und Loiben non den Sinzendorfen. Herr Hans hatte sich ein Vierteljahr- hundert hindurch weidlich niit den Türken und Franzosen herumgeschlagen. Als Cornet war er in das Dragouerregiment des Prinzen Eugen von Savoyen ein- getceten nnd er begleitete den edlen Ritter auf all seinen glorreichen Siegen nnd Schlachten in Ungarn, Italien und ' am Rhein. Auch den kühnen Zug Eugen's nach Frankreich machte er noch als Oberst eines Kürassierregimentes mit. Dort erhielt er aber bei einem Scharmützel eine so schwere Wunde, daß er als kriegs- untüchtig seinen Abschied nehmen mußte. Eine schwerere Wunde als jene Blessur hatte ihm aber das Schicksal geschlagen, nnd diese Erlebnisse des alten Soldaten wollen wir zum Gegenstand unserer Erzählung machen. Fünfzehn Jahre hatte Herr Haus von Fürnberg an der Seite des glorreichen Helden Eugen von Savoyen die meisten Schlachten gegen die Türken in Ungarn nnd die Franzosen in Italien bereits mitgekämpft. Oftmals verwundet, hatte das Kriegsgluck ihn immer wieder auf die Bahn des Ruhmes zurückgeführt, und als er im spanischen Erbfolgekriege den überraschend kühnen Zug Eugeu's über die Alpen mitgemacht hatte und in der Schlacht bei Carpi seinen Feldherrn aus der Mitte der ihn umzingelnden Franzosen mit seiner Escadron wieder heraushieb, ernannte ihn Prinz Eugen noch auf dem Schlachtfeld zum Obersten. In der kurz darauffolgenden Schlacht bei Chiari war es, wo sich eine Wendung des Schicksales unseres Helden vollzog. Die Franzosen hatten den kleinen Ort Calusa, der den Schlüssel der französischen Heeresstelluug bildete, stark befestigt. Diese Position mußte nm jeden Preis genommen werden. Prinz Eugen hatte dem neugebackenen Oberst den Befehl über das Detachement, welches Calusa den Franzosen entreißen sollte, übertragen. Nach mehreren erfolglosen blutigen Angriffen erstürmte unser Hans den Ort, der von den Franzosen zur Deckung ihres Rückzuges in Brand gesteckt worden war. Kein Haus stand mehr, das nicht lichterloh brannte, nicht einmal die Kirche hatten die Feinde geschont. Mit Todesverachtung bahnte sich der Oberst, nur begleitet von einigen Reitern, den Weg durch die Brandstätte nnd drang endlich bis znm Marktplatz vor. Auch hier hatten die Franzosen greulich gehaust und sämmtliche Häuser in Brand gesteckt. Den unglücklichen Einwohnern war nicht einmal Zeit sich zu flüchten gelassen worden. Gruppenweise standen sie auf dem Platz, rangen die Hände und versuchten in die brennenden Häuser einzudringen, nm von ihrer Habe zu retten, was noch möglich war. Indes diese Mordbrenner verstanden ihr Metier nur zu gut. Der Oberst ritt mit seiner Suite zu den Leuten, und da er ihre Sprache vollkommen beherrschte, konnte er ihren gesunkenen Muth wieder einigermaßen anfrichten: daß er durch die nachrückeuden Sappeurs sofort zur Rettung und Löschung des Feners schreiten lassen wurde. Eben als er fein Pferd wandte, drang ein markerschütternder Schrei durch die rauchgeschwäugerle Atmosphäre. Der Oberst warf seinen Blick nach allen Richtungen, aber Rauch und Qualm versinsterten mehr und mehr die Luft und es war nicht möglich, zu bestimmen, von woher der Hilferuf kam. Da plötzlich wurde es in seiner Nähe unruhig, die Leute liefen nach allen Richtungen' auseinander, denn eine riesige Feuersäule erhellte den Platz. — Der Campanile brannte lichterloh. Taghell . war die Nacht gelichtet und nun entdeckte auch der Oberst eine menschliche Gestalt, die in ersterbenden Jammertöucn vom Dachfenster eines Hauses um Hilfe rief. Die Flammen schlugen bereits durch die Dachsparren, während die Stockwerke noch vom Feuer unversehrt schienen. Ohne sich einen Moment zu besinnen, sprang unser Held vom Pferde, stürzte durch die offen stehende Pforte die Treppe hinan, zerschmetterte mit einem Fußtritt die Soffitenthüre und kam gerade zur rechten Zeit, um aus Rauch und Flammen ein bereits ohnmächtig am Boden liegendes Menschenkind zu erretten. Auf der Stiege schlugen ihm bereits die Flammen aus den unteren Stockwerken entgegen und nur seinem Lederkoller und Helm hatte er es zu danken, daß er noch unversehrt ins Freie gelangte. Das gerettete Menschenkind war ein Mädchen von höchstens 16—17 Jahren. Fein säuberlich legte er die uoch immer Besinnungslose ans die Styfen des Markt- brnnnens nieder, schöpfte mit der hohlen Hand Wasser und befeuchtete die kalte Stirn der Ohnmächtigen. Mittlerweile waren auch einige Frauen zurückgekehrt, die sich der Hilflosen annahmen, nnd der Oberst, der seine Menschenpflicht erfüllt zu haben glaubte, war gerade im Begriff sein Roß zu besteigen, als sich die eben ins Leben Zurückgekehrte verzweiflungsvoll mit dem Ausruf: „La mia madre dov’ e la mia madre!“ zu seinen Fußen niederwarf Unser guter Hans hatte sich nun nicht im Entferntesten in dem brennenden Hause um irgend ein anderes lebendes Wesen umgeseh'n und von dem Vorhandensein einer Mutter hatte er überhaupt uicht die geringste Kenntniß. Die Weiber Nnd die Gerettete schrien aber wie besessen, die Alte müsse sich noch im Innern des Hauses befinden und da nun eben ein Zug Fußtruppen anlangte, so befahl der Oberst einigen seiner Leute, die Kochgeschirre mit Wasser zu füllen, denn Eimer oder Kessel waren nicht vorhanden, da die Franzosen vor ihrem Abzug alle Feuerlöschgeräthe vernichtet hatten. An der Spitze seiner Soldaten drang der Oberst nochmals in das brennende Haus, ihm zur Seite das gerettete Mädchen. Die Flammen hatten sich mittlerweile des ganzen Innern bemächtigt und machten jedes weitere Vordringen unmöglich. Der Oberst ließ also Kehrt machen nnd befahl durch die zerschlagenen Fenster einzudringen. Man hatte nicht lange zu suchen; in einem Stübchen des Erdgeschosses fand man die Alte an Händen und Füßen gebunden mit einer gräßlichen Wunde am Kopf. Die Leiche wurde auf den Marktplatz gebracht und bei ihrem Anblick verlor die Tochter abermals das Bewußtsein. Der Oberst, den seine Soldatenpflicht nicht länger verweilen ließ, übergab das Mädchen einer würdig aussehenden Frau, händigte derselben einige Ducaten ein und befahl ihr, andern Morgens ins j Hauptquartier zu kommen, um Bericht 1*

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