Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

54 leider durch ein aufsteigendes Gewitter gestört. In der neuen Abtheilung des Friedhofes zu Steyr wurde anfangs August für den verewigten Herrn Josef Werndl ein Grab- Monumeut aufgestellt. Vor den neuangelegten Arkaden erhebt sich ein aus Wöllers- dorferstein gebildeter mächtiger Felsblock, auf welchem ein einfaches hochragendes Kreuz aus weißem Marmor steht. Links oben, ins Gestein eingebettet liegt ein Marmormedaillon, welches die sprechend ähnlichen Büsten des verstorbenen Herrn Generaldirectors und seiner ihm im Tode vorangegangenen Gemahlin in Hantrelief enthält. Am Fuße des Felsblockes, wie in eine Höhle hineingeschoben, sieht man den Sarkophag stehen, an ihm zwei Ideal- gestalten, welche die Züge der Hinterbliebenen Töchter des Verewigten tragen. Die eine lehnt, wie vom Schmerze gebrochen, ihr Haupt an die Schulter der Schwester, welche aufrecht steht und, — während sie sich, den rechten Arm vorflreckend, gleichsam auf eine hervorspringende Felspartie stützt, das Haupt mit dem Ausdrucke schmerzvoller Ergebenheit zum Eltrrnpaare emporhebt, indeß sich ihre Linke mit der Rechten der Schwester zu innigem Händedrucke im gemeinsamen Schmerze vereinigt. Auch diese beiden Gestalten sind, wie der Sarkophag, das Porträt-Medaillon und das Kreuz aus weißem Tiroler Marmor, und so heben sich die Gruppen leuchtend von dem dunklen Wöllersdorfersteine wirkungsvoll ab. Vor dem Monument deckt ein massiver Stein aus polirtem Granit die Gruft, welcher die Aufschrift „Familiengruft Josef Werndl" trägt. Derselbe wird eingefaßt von kleinen Felsstücken, welche Ketten verbinden. Das ganze Monument, aus der genialen Hand Meister Tilgners hervorgegangen, ist ein Kunstwerk ersten Ranges, das einen tiefergreifeudeu Eindruck auf den Beschauer macht, und ebenso ein erhebendes unvergängliches Zeichen der treuen Kindesliebe der Hinterbliebenen für die dahingegangenen Eltern, als eine hohe Zierde des Friedhofes. Am 4. August gerietst in der Nähe des Laffingergutes zu Sarncrsdorf ein Strohhaufen in Brand. Ehe noch Hilse zur Stelle war, erfaßten die Flammen auch das Gut selbst und vernichteten dasselbe sammt der eingebrachten Fechsung. Am 9. August zog über die Windisch- garstener Gegend ein unbedeutendes Gewitter dahin. Dennoch schlug ein Blitz in die Stallungen des Bohitzergutes zu Rotz- lleitheu uud setzte diese in Braud. Den Bemühungen der schnellstens erschienenen Schmieoe aus den Sensengewerken der Herren S ch r ö ck e n- fuchs und Pießlinger gelang es, das arg bedrohte Wohngebäude zu retten. Trotzdem betrug der angerichtete Schaden 7000 fl., dem eine Versicherungssumme von 5000 ft. gegenüber stand. Am 10. August fand die Belastungsprobe der nunmehr vollendeten unteren Enns brücke statt. Das Belastungsmaterial, welches wie bei den früheren Proben in Granit- würfeln bestand und 414.000 Kilogramm wog, wurde in der Weise vertheilt, daß auf die beiden Gehwege zusammen 165,000 Kilogramm, auf die Fahrbahn 248.400 Kilogramm entfielen, was einer gleichförmig vertheilten Belastung für Menschengedränge von 160 Kilogramm per Quadrat-Meter nutzbarer Brückenfläche entspricht. Die Eiseuconstructiou besteht in einem continuirlichen Träger mit zwei Oeff- nnngen von je 45 Metern Stützweite, die Gehwege sind nutzbar je 2 Meter, die Fahrbahn 6 Meter breit, und ist letztere aus imprägnirten Holzstöckeln auf Zoreseisen und Betonlager nach dem System Rütgers hergestellt. Infolge der ungeheuren Belastung ergab sich die minimale Einsenkung von 14 Millimetern. Der Mittelpfeiler wie auch die beiden Widerlager wurden während der Probe wiederholt beobachtet und deren vollkommene Tragfähigkeit constatirt, nachdem sich keine wie immer geartete Deformation, ergab. Ebenso wurde die Eisenconstructiou sehr gut befunden, nachdem die vertragsmäßig mit 1/4000 der Stützweite genehmigte bleibenden Einsenkung (das ist 11 Millimeter) nur 4 Millimeter erreichte. Zu Folge des günstigen Ergebnisses der Belastungsprobe konnte auch diese Brücke dem G e- s a m m t v e r ke h r e übergeben werden und Steyr erfreut sich nunmehr des Besitzes dreier eiserner Brücken, die nicht nur den Ansprüchen des regsten Verkehres genügen, sondern auch solid genug sind, dem Anstürme des bedeutendsten Hochwassers erfolgreichen Widerstand zu leisten. In der Nacht vom 11. zum 12. Augnst brannte in Hinterstoder das G e m s ch a b e n- gut gänzlich nieder, wodurch die Besitzerin Josefa Puntner einen Schaden von 14.758 sl. erlitt, der nur theilweise durch Assecuranz gedeckt war. Der Braud war gelegt worden, und wurde der Thäter Josef Netschitzegg er am nächsten Tage in Steyr verhaftet. Am 13. August brannten die dem Besitzer A. Breitfelder gehörigen Häuser Nr. 54 und 55 in Dambach gänzlich nieder. Das Feuer wurde gelegt und sollte einen ansgeübten Diebstahl verdecken und überdies den bestohlenen Steinmetzen Johann Brandtner tödten. Glücklicherweise gelang dies nicht. — Den umfassenden Nachforschungen der Gendarmerie gelang es, den Brandleger in der Person des Bauernkuechtes Franz Sperer ausfindig zu machen und zu verhaften. Im Bürgerschulgebäude zu Steyr wurde am 14. August durch Herrn Franz Tomltz die vom Gewerbevereine in Scene gesetzte Ausstellung von Gehilfen- und Lehrlingö- arbeitem eröffnet. Sowohl die k. k ^achZ'rojcctirtc Zndustriebulle urnIGart Ludwigs -iUkutze.

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