Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

/ 50 seine neunte und zugleich deren letzte Sitzung ab. An seine Stelle trat ein Executiv - Comitä, welches die weiteren Schritte hinsichtlich des Beginnes und der Vollendung der pro- jectirten Bauten, Umbauten und Einrichtungen zu veranlassen hat. — Dieses Executiv-Comitä besteht aus folgenden Herren u. zw.: dem Vertreter der Stadtgemeinde Steyr 'Gemeinderath Carl Auböck, dem Obmann des Verbandes der Messerindustriellen Michael Sch artinger, dem Notar Dr. Alois Kurz als juridischem Beirathe, dem Director der k. k. Fachschule und Versuchsanstalt Gustav Nitz in g er, dem Landesbaurathe I. Ueberlackuer. Der kais. Nath und k. k. Strafanstaltsarzt in Garsten, Herr Dr. König von Paums- hausen, feierte daselbst am 31. Mai sein 50jähriges Doctor-Jubiläum. Bei Wartberg wurde das dem Michael Weiermayer gehörige Staznergut am 31. Mai durch einen Blitzschlag in Asche gelegt. Da sämmtliche Fahrnisse mitverbrannten, erlitt der Besitzer einen Schaden von circa 7000 fl., doch war derselbe mit 4500 st. versichert. Am 1. Juni schlug der Blitz in das Dach des Gasthauses des Herrn Dernd l in Kirn- bcrg und zündete. In Kurzem stand das ganze Anwesen in hellen Flammen. Nebst sechs Kühen, zwei Ochsen, Schafen und einigen Schweinen fiel leider auch ein Menschenleben dem Brande zum Opfer. Der Ochsenknecht Engelbert nämlich, welcher die ihm anvertrauten Thiere retten wollte, fand hiebei seinen Tod. Auch ein zweiter Knecht zog sich Brandwunden zu. Johann Wittich, k. k. Postbeamter in Steyr, erschoß sich am 4. Juni in seiner Wohnung wegen unglücklicher Liebe. In Wolferrr legte am 4. Juni der Blitz das Wieselsdorf'sche Bauernhaus in Asche. Am 5. Juni starb in Bad Hall im 46. Lebensjahre der Besitzer des dortigen Hotels garni „Zur Stadt Wien" und der Villa „Johannisberg" in Meran, Johann Lauf. Derselbe erfreute sich allgemeiner Achtung und Liebe und wurde durch das Vertrauen seiner Mitbürger in den Gemeinde- und Ortsschul- rath berufen. Ueberdies war der verdienstvolle Mann Ehrenmitglied mehrerer Vereine. Die Familie Carl Jäger vonWaldan vereinigte die drei Brauereien in Ennsdorf: Carl v. Jäger, Franz v. Jäger und Roman v. Jäger (Seidl) und verwandelte dieselben im Verein mit einigen ihrer Bekannten in ein Actien - Unternehmen unter der Firma „Bürgerliche Actien-Brauerei in Steyr." Carl Jäger v. Waldau führt den Vorsitz in der Verwaltung dieser Actien-Gesellschaft. Am 5. Juni schoß in der Gleiukergasse beim Scheibenschießen Alois Mayrhofer den Schlosserlehrling Ludwig Hahn aus Unvorsichtigkeit in den Kops, infolge dessen der Getroffene sofort todt zusammenstürzte. Der höchstinteressante Wasserfallweg im Gesäuse, welcher von der Gesellschaft „Enns- thaler" mit Beihilfe der Alpenvereins-Section Stehr erbaut wurde, wurde am 5. Juni unter zahlreicher Betheiligung von Touristen aus allen.Gegenden in feierlicher Weise der Benützung übergeben. Am 6. Juni fand in Gaflenz der Verbandstag des Feuerwehrbezirkes Weyer statt. Trotz des schlechten Wetters war derselbe von Feuerwehrmännern aas nah und fern zahlreich besucht. Schon während, der Pfingstfeiertage wurden der Enns- und Steyrfluß stark geschwellt. Durch einen anhaltenden Gewitterregen wurden denselben immer neue bedeutende Wassermassen zugeführt, so daß iu den Tagen vom 7. bis 9. Juni ein colossales Hochwasser entstand, das jenes vom Jahre 1862 noch an Höhe bedeutend übertraf. Dasselbe richtete allseits großen Schaden au. In Steyr wurden alle drei Nothstege weggerissen, und da sich das Holz des oberen Nothsteges über die Enns und noch vieles andere Langholz aus dem Gebirge vor dem Joche der unteren EnnSbrücke gestaut hatte, war sogar eiuige Zeit diese neu- erbaute Brücke arg bedroht. Die Keller und tiefer gelegenen Wohnungen an der Enns und Steyr waren sämmtlich mit Wasser angesüllt. Auch die ebenerdigen Localitäten der verschiedenen Objecte der Waffeufabrik wurden vom Wasser überschwemmt, dem zufolge der Betrieb eingestellt werden mußte. Ebenso wurde die Feueruugsanlage der Gasanstalt unter Wasser- gesetzt, so daß eine Gaserzeugung unmöglich wurde. Sowohl die Staats- als auch dieSteyr- thalbahn mußten den Betrieb einstellen, da durch das Hochwasser die Trace au mehreren Stellen zerstört wurde. Selbstverstäudlich hatten auch die übrigen an der Enns und Steyr gelegenen Ortschaften vom Hochwasser bedeutend zu leiden. In Großreifling zerstörte dasselbe den ärarischen Rechen, der gerade mit Langholz angefüllt war, das sodann mit den Fluthen abwärts trieb. Brücken wurden mehrere, theils ganz weggerissen, theils stark beschädigt, so die Brücke bei Sand, die untere Brücke in Grünburg, die Brücke bei der Haunoldmühle und jene über den Gaflenzbach. Bei dem Einsturz der Brücke in Hieflau verloren auch zwei Arbeiter das Leben, ein dritter, welcher ebenfalls in das Wasser gefallen war, konnte sich retten. Glücklicherweise waren diese zwei Arbeiter die Einzigen, deren Leben dem Wasser zum Opfer fiel. Nachdem am 8. Juni um 3 Uhr nachmittags das Wasser seinen höchsten Stand erreicht hatte, begann es langsam zu sinken, doch hatte es immerhin noch durch einige Tage eine außergewöhnliche Höhe. Am 8. Juni starb in Bad Hall F. B. Weg Hofer an Tuberculofe. Von der allgemeinen Achtung und Beliebtheit, deren sich der Verblichene, der Mitglied des Gemeurderatbes und Vorstand des „Liederkranzes" war, erfreute, gab dessen Leichenbegängniß Zeugniß. Sämmtlich Honoratioren und Vereine Bad Halls, Deputationen der Liedertafeln von Steyr, Neuhofen und Kremsmünster begleiteten den verehrten Mann zum Grabe. Von einem mit Heu beladenen Leiterwagen wurde am 13. Juni in St. Walentin der siebenjährige Schulknabe Fenkhuber überfahren. Da ihm hiedurch Kopf und Brust zerquetscht wurden, war er sofort todt. In Straß bei Kremsmünster brannte am 13. Juni das in den Nachlaß der verstorbenen Clara Neichter gehörige Bauerngut sammt Nebengebäuden gänzlich nieder. Die Fahrnisse, zwei Pferde, vier Rinder und sieben Schweine gingen mit zu Grunde. Dem Schaden von 7694 ft. stand eine Versicherungssumme von 6000 fl. gegenüber. Die zur Hilfeleistung erschienene Feuerwehr von Kremsmünster konnte wegen Wassermangel wenig retten. Bei der Bekämpfung dieses Brandes waren auch die Studenten ans dem Gymnasium zu Krems- münster besonders thätig. Am 14. Juni wurde in Steinbach'am Ziehberg die Besitzerin des oberen H o ch- rieglergutes von einem Stiere, der bereits ihren Mann schwer verletzt hatte, getödtet. Bei dem Holzrechen in Neichraming wurde am 17. Juni von Arbeitern ein Theil eines menschlichen Körpers gefunden. Der unheimliche Fund dürfte ein Theil des im December 1891 beim Holztriften im Plaißen- bach verunglückten Michael Maderthaner aus Großraming gewesen sein. Der Schuhmacher Caspar I e tz e r in Molln wurde am 18. Juni auf der Straße von dem Knechte Andreas Steiner überfallen, zu Boden geschlagen und seines Geldes und seiner Uhr beraubt. An demselben Tage stürzte zu PaschaNern der Taglöhner Johann Gartner kopfüber von einem mit Heu beladenen Wagen und zog sich eine Verletzung am Genicke zu, die infolge cingetretcner Genickstarre den Tod herbeiführte. Der Präsident der General-Direction der k. k. österr. Staats bahnen Ritter von Bilinski inspicirte am 19. Juni die Station Steyr und sprach sich sehr befriedigt über den Stand derselben aus. Hierauf reiste er gegen Kleinreifling weiter. In Ternberg üblrreichte demselben eine Deputation der Trattenbacher Mcsserfabrikanten die Bitte um Errichtung einer Frachtenausgabsstation in Trattenbach. Der Herr Präsident gab den Petenten große Hoffnungen. In Meinreifllug begrüßte eine Deputation des Marktes Weyer den hohen Beamten und bat um günstigere Zugseintheilung. Bezüglich der. Schnellzüge konnte die Deputation keinen Erfolg erzielen, erhielt aber das Versprechen, daß durch Einschiebung zweier Localzüge den berechtigten 51 Wünschen der Bevölkerung Rechnung getragen werden wird. Mit 20. Juni gelangte auf der Steyr- thalbahn ein neuer Tarif zur Einführung, welcher theilweise wesentliche Ermäßigungen im Personenverkehre und ganz besonders im Frachtenverkehre mit sich brachte. In der Gemeinderaths-Sitzung zu Ternberg am 20. Juni wurden der hochw. Herr Pfarrer Carl Baier und Herr Gemeinderath Leopold Molterer zu Ehrenbürgern dieser Gemeinde ernannt. Am 21. Juni kehrten der Präsident der Waffenfabriks-Gesellschaft Feldzeugmeister Baron Tiller, sowie die Verwaltungsräthe Regierungsrath H a h n, Dr. H o ch h a u s er und Dr. Angermann aus Italien zurück, wo sie wegen Abschluß des GewehrlieferungsVertrages für die italienische Armee verweilten. Das vorläufige Ergebniß ihrer Reise war der Eintritt von vier Verwaltungsräthen der Steyrer Waffenfabrik, nämlich des Präsidenten Freiherrn v. Tiller, des Dr. Hochh aus er, Dr. Angermann und Orszagh in die Verwaltung der „Loeieta metallurgica“, welche eine namhafte Capitalsvermehrung beschlossen hat, um ihre Etablissements für die Erzeugung von Repetier-Gewehren einzurichten. Am 21. Juni Nachts wurde das Schöberlgut in Weinzierl bei Kirchdorf ein Raub der Flammen. Da außer den Fahrnissen auch einige Rinder und Schweine verbrannten, war der Schaden bedeutend. Das Feuer dürfte gelegt worden sein. Auf dem Brandplatze waren die Feuerwehren von Kirchdorf und Micheldorf mit ihren Spritzen und die Spritzen der Sensenwerke von Blumau und Micheldorf erschienen, doch mußten selbe ihre Thätigkeit auf die Localisirung des Brandes beschränken. In der zweiten Schwurgerichts Periode wurde am 22. Juni Josef Willowitzer, gewesener k. k. Postmeister in Voitsdorf, wegen Verbrechens der Amtsveruntreuung zum schweren Kerker in der Dauer eines Jahres verurtheilt. Derselbe hatte in wiederholten Angriffen 1690 fl. 57 kr. Postgeldcr veruntreut. — Am 23. Juni wurde der Armaturarbeiter Fr. W o m a t s ch k a, welcher in der Nacht am Fasching-Dienstag nach voransgegangenem Wirthshausstreite den Fabriksarbeiter Karl Horatschek mit einem Bierglas derart auf den Kopf schlug, daß derselbe todt zusammenstürzte, wegen Todtschlag zu drei Jahren schweren Kerkers verurtheilt. — Wegen Verbrechens der Brandlegung wurde am nächsten Tage der Häusler Carl Payrhuber aus Kroisbach zu drei Jahren schweren Kerkers verurtheilt. Derselbe hatte nämlich am 17. Mai sein eigenes kleines Anwesen in Brand gelteckt. — Mit sieben Monaten strengen Arrestes wurde am 25. Juni die 22 jährige Magd Josefa Reiter wegen Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens bestraft. Die Anklage lautete anfangs auf Kindesmord, weil sie ihr drei Monate 4*

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