Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

42 43 bahn der Verkehr nur durch Umsteigen ermöglicht werden konnte. Am Sonntag den 31. Jänner wurde der 71 jährige Veteran Engelbert Stöcklecker, welcher im Besitze mehrerer militärischer Deco- rationen war, die er sich während der italienischen Feldzüge erworben hatte, zu Grabe getragen. Auch zehn Unterofficiere des k. u. k. 3. Jäger-Bataillons schritten hinter seiner Bahre her. Am 6. Februar wurde in Anwesenheit dcs Herrn Bürgermeisters Berger und mehrerer Herren Gemeinderäthe, sowie des Herrn Stadt- secretärs Fritz Hähnel, des Herrn Stadt- Ingenieurs Peter und der Vertreter der Bauunternehmung in den steinern Mittelpfeiler der u n t e r e n E n n s b r ü ck e der Schlußstein eingefügt. Hiebei wurde -»ine auf den Brückenbau bezügliche Gedenk-Urkunde verlesen, von den officiellen Persönlichkeiten unterzeichnet und in eine kupferne Cassette eingeschlossen, die sodann in den Schlußstein versenkt wurde. Diese Denkschrift enthält folgende Daten: Mit den Fundirungsarbeiten bei der oberen Ennsbrücke wnrde am 8. Juli 1891 begonnen und wurden daselbst die Steinbauten am 30. November 1891 vollendet. Die Aufstellung der Eisen-Construc- tion begann am 28. December 1891. — Bei der Steyrbrücke wurden die Steinbauten am 30. October 1891 begonnen und am 25. Jänner 1892 vollendet. — Bei der unteren Enns- brncke wurden die Steinbauten am 30. November 1891 in Angriff genommen und rer Mittelpfeiler am 1. Februar 1892 vollendet, während die Widerlager erst' später in Angriff genommen werden konnten. Zu DieLach brach am 5. Februar im Hause des Leopold MörtenböckFeuer aus. Die Flammen verzehrten die Scheune sammt der Fechsung und einen Theil der Dachung des Haustractes. Den Bemühungen der herbci- geeilten Bewohner Stein's und Gleinl's gelang es, den vorderen Theil des Anwesens und das arg gefährdete^ Zehetnergut zu retten. Dem angerichteten Schaden per 3000 fl. stand eine Versicherungssumme von 5000 fl. gegenüber. In Neuhofen stürzte der Taglöhner Stefan Feldler am 5. Februar beim Abästen von Bäumen aus einer Höhe von circa 5 Metern von der Leiter und zog sich dadurch schwere Verletzungen zu. Zwischen Hiieflan und Gstatterbodcn fand am 7. Februar um 2 Uhr Nachts ein großartiger Lawinensturz statt, welcher das ! Ennsthal auf einer Länge von .130 Metern mit einer circa 100 Meter hohen Schnee- und Steinschichte bedeckte. Der Eisenbahnverkehr mußte dortselbst gänzlich eingestellt werden, da wegen Gefahr neuerlicher Lawinenstürze auch ein Nothverkehr mittelst Umsteigen ausgeschlossen war. Am 9. Februar starb zu Steyr Herr Andreas Worring, jubilirter k. k. Oberfactor der k. k. Hof- und Staatsdruckerei. Derselbe war der eigentliche Erfinder des epochemachenden Natur-Selbstabdruckes. Seine Verdienste um die k. k. Staatsdruckerei belohnte der Kaiser durch die Verleihung des gold. Verdienstkreuzes. Der Portier des gräflich Lamberg'schen SchlossesAnton Kawalle wurde, als er am 14. Februar in das Gasthaus „Zum goldenen Löwen" am Stadtplatze trat, vom Schlage gerührt und starb am selben Tage. An demselben Tage löste sich infolge des eingetretenen Thauwetters vom oberen Schiffweg ein viele Centner schwerer Conglome- rat-Felsen los und streifte während seines Sturzes die Südseite des Hauses Nr. 8 am Schiffweg. Die getroffene Wand wurde dadurch theilweise eingedrückt, ein Kranker jedoch, der in dem gefährdeten Zimmer lag, kam mit dem bloßen Schrecken davon. Ein alter Brauch wurde in der Gemeinde- raths-Sitzuug am 26. Februar abgeschafft. Aus der Zeit, in welcher die Volksschulbildung noch sehr mangelhaft und die Kenntniß von Lesen und Schreiben eine Seltenh.'it war, stammte nämlich das in Steyr noch immer übliche „AuötrommeLn" ämtlicher Erlässe. Es wurde in der erwähnten Sitzung beschlossen, diesen nicht mehr zeitgemäßen Gebrauch aufzuheben, dagegen die amtlichen Verlautbarungen ans eigenen Amtstafeln anzuschlagen. Zu nder Nacht vom 1. März ertrank in Mühlbach bei St. Marien in einer Mistlache die 72 Jahre alte Barbara Ebner. Diese dürfte während der Nacht schlaftrunken ans ihrem Schlafgemach — es ist dies der Viehstall — herausgegangen und hiebei über die „Gred" in die Lache gefallen sein. Ein blutiger Exceß, dem ein Menschenleben zum Opfer fiel,' spielte sich in der Nacht am 3. März in der Schwimmschulstraße ab. Dortselbst wurde nämlich, der zwanzigjährige Fabriksarbeiter Carl Horacek zu dieser Zeit von seinem Gegner Franz Womätschka mit einem Bierglase derart auf den Kopf geschlagen, dass die Schädeldecke total zertrümmert wurde und der Tod des Geschlagenen in kurzer Zeit eintrat. Die Ursache dieser schauderhaften That war ein ziemlich belangloser Wirthshausstreit, und war dieser tragische Ausgang desselben von beut Thäter nicht beabsichtigt. Wie in Steyr diese Nacht durch eine verbrecherische That bemerkenswerth wurde, so geschah dies auch in der Gegend von Waldneukirchen. Daselbst wurde der auf dem Heimwege begriffene Edmund N ö g g l a, k.u. k. pensionirter Hauptmann und Besitzer des Plaichen- und Burzelgutes in W a l d n e n k i r ch e n, das Object eines hinterlistigen, gefährlichen Ueberfalles. In der Nähe des Omcirksteges an der Siut- hub fiel auf den Heimkehrenden aus unmittelbarer Nähe plötzlich ein Schuß, der aber glücklicherweise sein Ziel verfehlend in einen Zaun fuhr. Als der muthmaßliche Thäter wurde ein bekannter Wildfrevler aus Hausleuthm verhaftet, bei dem man ein ganzes Arsenal | von Waffen und Wilderer-Vorrichtungen fand. In unserem nachbarlichen Industrie-Orte Neuzeug wurde das alte Sägewerk Unterletten, welches bisher im Besitze des Herrn Carl Reder war, an Herrn Carl Almeroth verkauft und steht heute, nachdem am 7. März mit der Demolirung des alten Sägewerkes begonnen worden war, auf einem Grunde dieses Besitzers ein schmuckes Fabriksgebäude. Herr Carl Almeroth erbaute eine Messer-Klingenfabrik nach den neuesten Einrichtungen, wie solche gegenwärtig in den ersten Fabriken zu Solingen in Gebrauch sind. Die Special-Maschinen kamen direct aus Solingen, das Gebäude wurde von Herrn W i n t e r m a y r, Maurermeister aus SierDie MtrneroLH'sche Kkingenfcrbrnk irr Werrzerrg. ning, und Herrn Zimmermeister Julius Huber ans Steyr in tadelloser Weise ausgeführt. Das schöue Wasserwerk nebst Kraftübertragung durch Drahtseil und der Antrieb im Fabriksgebände ist eine vorzügliche Arbeit aus der Maschinenfabrik des Herrn Kammerrathes Josef Huber in Steyr. Vor einem halben Jahre standen noch die Ueberreste des alten Sägewerkes und heute ist die Almeroth'sche Klingenfabrik bereits in flottem Betriebe. Die gediegene sowie schnelle Durchführung dieser Anlage gereicht den genannten Herren, welche diese Anlage geschaffen und erbaut haben, znr vollsten Ehre und ist dieselbe ein Erfolg unserer heimischen Industrie. Von weiteren Neubauten in Neuzeng ist in erster Linie die Neuconstruction der großen Wehre, welche durch Hochwasser vollständig durchbrochen wurde, zu erwähnen. Eine schwere Last wurde durch den Neubau den Betheiligten und insbesonders der Schleifer-Commune aufgebürdet. Das Land unterstützte den Bau durch ein unverzinsliches Darlehen von 6000 fl. Ein besonderes Verdienst um die correcte Durchführung des Baues haben sich der Vorstand der Schleifer-Commune Herr C lausn er und Herr Bauernebel erworben, und sind die Betheiligten und insbesondere die Schleifer- Commune diesen Herren zu Dank verpflichtet. Nach Durchführung des Fabriksbaues des Herrn Almeroth wurde durch das Wegreißen der alten Säge und durch die bereitwillige Ueber- lassung eines Platzes Herr Vorstand Clausner in die Lage versetzt, auch seine Schleife zu vergrößern und repräsentirt sich dieselbe bereits sehr vortheilhast. Auch die anderen Schleifen sehen einer Neuconstruction entgegen. Man sieht, ein reges Leben entwickelt sich in diesem Industrie- orte, und die Neuzeuger scheinen durch ihr Vorgehen beweisen zu wollen, daß „Selbsthilfe" die beste Hilfs-Action ist. Das Fürstenthum Bulgarien bestellte bei unserer WaffeNfahrilk 50.000 Gewehre und 6000 Carabiner. Am 10. März traf deshalb ein Theil der Mitglieder der bulgarischen U e b e r u a h m s - Commission hier ein. Die Herren erregten durch ihre schönen fremdländischen Uniformen allgemeine^Auf- merksamkeit. 3*

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2