Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

36 37 jungen Verein bereits ein Capital von über 3000 fl. zu Gebote, welches Factum die Eröffnung der Anstalt in absehbarer Zeit erwarten läßt. — Schon zwei Tage darauf fand dortselbst die Jahres-Hauptversammlung des Vereines zur Unterstützung armer Schulkinder statt. Auch dieser humanitäre Verein zeigt ein erfreuliches Bild besten Gedeihens. Die bekannte Bergwerksfirma E. Maid er in Feistriz kaufte in der Umgebung von Weyer bereits von Privat-Leuten angebaute Freischürfen auf Steinkohlen. Mit einer Partie von Bergleuten eröffnete die genannte Firma den bergmännischen Betrieb des Werkes und förderte stattliche Quantitäten von Steinkohlen, die in Weyer und Waidhofen verkauft wurden, zu Tage. Di.: Qualität der Kohle ist eine vorzügliche. Qb das Kohlenlager auch Mächtigkeit genug für einen weiteren lohnenden Betrieb bietet, muss die Zukunft lehren. Am 24. October wurde zu Micheldorf das 6'/2 Jahre alte Schulmädchen Therese Rab erger, Tochter eines Effemeisters, todt in der Krems gesunden. Auf 'welche Weise das Kind in das Wasser stürzte, wurde nicht aufgeklärt. Nach verrichteter Holzarbeit wollte am 25. October zu Ternberg der Zimmermann Eduard Diewald das gefällte Holz nach Hause schaffen. Er fiel hiebei so unglücklich über einen Berg hinab, daß er sich den rechten Fuß zerschmetterte und am Rücken drei Löcher erhielt. So mußte der Verunglückte lange Zeit ohne Hilfe liegen. Endlich erschien diese. Er wurde nach Hause geschafft, erlag aber daselbst bald den Folgen des unglücklichen Sturzes. v Am 25. October fand in dem gewerb- fleißigen Orte Tratteubach die Eröffnung eines gewerblichen Fortbildungs- c u r s e s statt. DerCurs, welcher von circa zwanzig Schülern besucht wurde, steht unter Leitung des Herrn Lehrers Anton Pratter, dessen gemeinnütziges Wirken von Seite mehrerer dortiger Meister bestens unterstützt wurde. Ende October trat Herr Oberlehrer Ed. Pux in Garsten nach 25jähriger Thätigkeit als Lehrer in den wohlverdienten Ruhestand, anläßlich dessen der dortige Ortsschulrath eine den Scheidenden sehr ehrende Abschiedsfeier veranstaltete. Am 28. October erlag den Folgen eines Schlaganfalles Herr Georg Ritter von Aichinger, Ehrenbürger unserer Stadt. Die Wiege dieses verdienstvollen Mannes stand zwar zu Enns, aber schon nach Beendigung seiner juridischen Studien kam er zum Magistrate nach Steyr, dann kurze Zeit nach Haag, woselbst er sich mit Maria Wickhoff vermählte. Im Jahre 1855 übersiedelte er als G e- meinde-Secretär wieder nach Steyr, welcher Ort ihm nun zur zweiten Heimat wurde, für dessen Wohl und Gedeihen er unermüdlich thätig war. So gebührt ihm ein Hauptverdienst an der Gründung der Spare ässe. Auch bei dem Baue der Westbahn war er eifrigst bemüht, eine nahe bei Stcvr vorüberführende Trasse durchzusetzen. Leider ohne Erfolg! Glücklicher war sein Wirken als Secretär des Actionscomitös zur Erbauung der R udolfbahn, zu deren General-Director er nachträglich ernannt wurde. Seinem Einflüsse ist es auch zuzuschreiben, daß die Betriebs -Direction dieser Bahn in unsere Stadt verlegt wurde, wodurch das Aufblühen derselben eine bedeutende Förderung erhielt. Auch vom Kaiser wurden die Verdienste dieses Mannes durch Verleihung des Ordens der eisernen Krone und durch die damit verbundene Standeserhöhung anerkannt. Nach dem allzufrühen Hinscheiden des General- Directors der österreichischen Waffenfabrik, Josef Werndl, trat Ritter von Aichinger in den Directionsrath dieser Gesellschaft, woselbst er durch zwei Jahre wirkte. Für seine Groß- muth und Mildthätigkeit zeigt glänzend seine „Stipendien-Stiftung" für Studierende aus Steyr. Das außerordentlich prächtige Leichen- begängniß dieses unersetzlichen Todten bewies die allgemeine Hochachtung und Verehrung, welche der Verstorbene hier genossen. Alles, was auf Namen und Stand in unserer Stadt Anspruch erhebt, betheiligte sich hiebei, um zum letztenmal dem Todten -die Ehre zu erweisen, welche der Lebende so reichlich verdiente. Der hochw. Herr Bischof Dr. Doppelbauer inspicirte am 30. October den Religionsunterricht an sämmtlichen 5 Classen der hiesigen t k. Siaatsrealschule. Ein sehr erfreuliches Bild gedeihlichen Fortschrittes zeigt der Bericht über das abgelaufene Geschäftsjahr der Oesterreichischen Waffenfabrik, und bringt dadurch den unwiderlegbaren Beweis, auf wie gesunder Basis dieses großartige Werk von seinem verewigten Schöpfer, General-Director Josef Werndl, aufgebaut wurde und mit welch" großem Erfolge dasselbe von seinen Nachfolgern in der Leitung fortgeführt und entwickelt wird. Nicht weniger als 536.511 Stück Gewehre wurden in dem verflossenen Geschäftsjahre an zehn verschiedene Negierungen abgeliefert; außerdem wurden auch in dieser Zeit 584.000 diverse Gewehr- Bestandtheile verfertigt. Entsprechend dieser Leistung ist der Reingewinn, welcher 1,526.665 fl. 56 kr. betrug. Dieser bedeutende Gewinn ermöglichte es, daß die am 1. Jänner 1892 fälligen Coupons mit 34 fl. per Actie eingelöst und überdies namhafte Beträge anderen Zwecken zugewendet werden konnten. Für die rastlose Fürsorge der Leitung der Waffenfabrik für ihre Arbeiter gibt ein glänzendes Zeugnis die Thatsache, daß dieselbe der General-Versammlung den Antrag vorlegte, 150.000 fl. zum Baue elnes Arbeiterheims zu widmen, in welchem alte Fabriksarbeiter mit ihren Familien ein freundliches Unterkommen finden sollen. Nur eine Pflicht der Dankbarkeit wurde erfüllt mit dem Anträge, 30.000 fl. zur Errichtung eines Werndl-Denkmales zu widmen. Auch beantragte der Verwaltungsrath, dem Pensions- fonde der Beamten 20.000 fl. zuzuweisen, um diesen Fond auf jene Höhe zu bringen, die eine Beruhigung für das Auslangen gewährt. Um allen Anforderungen gegenüber gerüstet zu sein, wurden bereits im verflossenen Jahre entsprechende Bauten ausgefnhrt und in L e t t e n eine Schmiede und ein größeres Fabriksgebäude gebaut und mit der erforderlichen maschinellen Einrichtung versehen. Hiedurch wurde die Leistungsfähigkeit der Fabrik derart erhöht, daß sie im Verlaufe eines Jahres eine Million Läufe zu erzeugen vermag. Am 4. November brannte das Mastl- b er g er gut Nr. 10 in Nöstlbach bei NeuArbeiterHeirn öer österr. Wcrffenfabrik. Hofen vollständig nieder. Der Besitzer Johann Dorn erlitt hiedurch einen Schaden von 9000 fl. Bei diesem Brande hätten auch leicht Menschen verbrennen können, da die Bewohner des Hauses erst geweckt werden mußten, als dasselbe schon vollständig in Flammen stand. Bedeutender Wassermangel hinderte überdies eine energische Bekämpfung des entfesselten Elementes. In der General - Versammlung der Waffenfabrik, welche am 5. November zu Wien unter dem Vorsitze Sr. Excellenz Freiherrn v. Tiller ubgehalten wurde, widmete der Vorsitzende dem abgeschiedenen Mitgliede des Verwaltungsrathes, dem Herrn Georg Ritter v. Aichinger, einen warmen Nachruf und wurde an dessen Stelle der Schwiegersohn des verstorbenen Herrn Werndl, Herr Max Baron Imhof berufen. Die oben angeführte Verwendung des Reingewinnes fand unge- theilten Beifall und Zustimmung. Sonntag den 8. November wurde der WO. Geburtstag (welcher auf den 4. November fällt) des heimischen Chronisten und Schriftstellers, Ehrenbürgers von Steyr, Franz Taver Pritz, festlich begangen. Anläßlich dieses Tages wurde nämlich am Geburtshause dieses bedeutenden Sohnes unserer Stadt in der Johannesgasse Nr. 7 in Ennsdorf eine auf Kosten der Gemeinde angebrachte Gedenktafel feierlich enthüllt. Zu diesem Behufe versammelten sich die Ehrengäste im Nathhaussaale. Es erschienen unter anderen Herr Ferdinand Moser, Prälat von St. Florian, die Herren Canonicus Dürrnberger und Stadtpfarrer Eonsistorialrath Aichinger und die beiden Verwandten von Pritz, Herr Faß hold, Müllermeister in der Fraising, und Frau Cäcilia Faßhold, welche beide Kinder der Schwester des Gefeierten waren. Außer diesen kamen die Honoratioren der Stadt, Vertreter aller Aemter und Schulen. Auch die beiden hiesigen Gesangvereine, die „Steyrer Liedertafel" mit ibrem Vorstande Herrn Dr. Anger m a n n und das „Kränzchen" mit seinem Vorstande Herrn Dr. S p a e n g l e r, die Musikcapelle des Bürgercorps und die Freiwillige Feuerwehr hatten sich corporativ eingefunden, um durch ihre Mitwirkung das Fest zu verherrlichen. Unter den Klängen der Musik begab sich der Festzug vom Ratbhause durch die beflaggten Gassen zum Geburtshause des Gefeierten, welches aufs festlichste geschmückt war. Unter dem Giebel desselben war die mit Lorbeeren bekränzte Gedenktafel angebracht, deren Text lautet: „In diesem Hause wurde am 4. November 1791 der Geschichtsschreiber und Ehrenbürger der Stadt Steyr Franz Xaver Pritz, Chorherr von St. Florian, geboren." Die Tafel wurde nach einer Zeichnung des Herrn Fachschul-Directors Ritzinger von Meister Gstettner in geschmackvoller Weise ausgeführt. Die ornamentale Umrahmung be-

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