Gehirns auf ihren gegenwärtigen hohen Standpunkt gebracht. Der czechische Brünner Bischof mit dem deutschen Namen Bauer, hielt bei seinen Prüfungs-Visitationen der deutschen Schulen eine grimmige Philippica gegen die Aufnahme czechischer Kinder in dieselben. Es erscheint nur auffallend, daß die freie Entschließung czechischer Eltern dadurch beeinflußt werden soll und drückt sich in dem Auftreten dieses geistlichen Würdenträgers nur wieder jene feindselige Parteinahme gegen das Deutschthum und seinen nationalen Bestrebungen aus. Die Przibramer Grubenbrand-Katastrophe, welche sich am 1. Juni ereignete, Zählt zu den gräßlichsten dieses Jahrhunderts. Die Holzgebälke der Schachtverkleidungen geriethen durch Fahr- lässigkeit oder Böswilligkeit in Brand und durch den Qualm entwickelten sich giftige Gase, in denen die meisten von den SOO in den Schachten arbeitenden Bergleuten erstickten. Heldenmüthig zeigten sich die Beamten und Kameraden bei ihren Rettungsversuchen und mehrere büßten dabei ihr Leben ein. Im Abgeordiwtenhause gab sich eine tiefe Bewegung und Theilnahme für dieses Nationalunglück kund. Der Kaiser war aufs Tiefste erschüttert und zog sich in diesen Schreckenstagen von allen Festvorstellungen zurück, er votirte sofort 10.000 fl. aus seiner Privatschatulle für die Hinterbliebenen. Ganz Oesterreich stand unter dem Eindruck dieses namenlosen Unglücks,- Prof. Sueß beantragte im Abgeordnetenhause ausgiebige Staatshrlfe für die Hinterbliebenen unb Dr. Kaizl gab Namens seiner Partei den Gefühlen der Dankbarkeit Ausdruck, daß in diesen Momenten rein menschlicher Empfindungen der Parteienhader schweige. Der gemeinsame Finanzminister Benj. v. Kallay beging am 2. Juni in aller Stille die Feier seines l Ojährigen Dienstjubiläums. Seinem eminenten organisatorischen Talent dankt es die Monarchie, daß das Occupationsgebiet heute in aufblühende Provinzen umgewandelt ist. Einen umso peinlicheren Eindruck machte die Fahrt von 71 czechischen Sokolisten zu einem Turnerfeste in Nancy, bei welchen! sogar Präsident Carnot demonstrativ erschienen war. Der. Führer Podlipny sah sich zu der bombastischen Erklärung veranlaßt, daß, wenn Frankreich und Böhmen einander die Hand reichen, Niemand gegen uns zu kämpfen wagen wird. Diese Aufschneiderei kann allenfalls den in geographischer Wissenschaft so schlecht bewanderten Franzosen, die in Böhmen vielleicht eine russische Provinz vermuthen, impöniren, aber man sollte diesen Jungczechen nach seiner Rückkehr doch nach seinem Mandat fragen und endlich einmal ein Exempel statuiren, ob dieser fortgesetzten stillen Landes- verrätherei. Schließlich erschien auch noch Großfürst Constantin, der gewissennaßen das Fettauge auf dieser mageren politischen Suppe bildete. Am 6. Juni hatte sich sozusagen ganz Ungarn in Budapest zur Feier des 23jährigen Gedenktages an die Krönung des ungarischen Königs Franz Josef eingefunden Die' Pracht, die der Adel im Banderium und die wohlhabende Bürgerschaft in der Decoration der Straßen und Häusern entfaltete, war ebenso unbeschreiblich wie der herrschende Enthusiasmus. Die ungarische Hauptstadt hat sich seit 1867 von einer Einwohnerzahl von 200.000 auf 320.000 gehoben und bei solchen Gelegenheiten zeigte es sich, welche enorme Fortschritte das Land in dieser Periode gemacht. Szächönyi würde heute nicht mehr sagen, Ungarn war nicht, aber es wird sein — Ungarn ist — und wir in Cisleithanien wünschen das Gleiche von uns sagen zu können. Die Erhebung Budapest's zur Haupt- und Residenzstadt, welche der König verkündete, steigerte die Begeisterung der Bevölkerung auf das Höchste. Die alljährlich wiederkehrenden Verheerungen durch die Hochwasser lassen den Wunsch der Bevölkerung gerechtfertigt erscheinen, daß endlich einmal gründliche Vorkehrungen gegen diese Calamität geschaffen werden möchten. Diesmal begannen infolge der andauernden Regengüsse die Ueberschwemmungen schon am 3. Juni und währten mit wenigen Unterbrechungen bis gegen Ende Juni. Sie erstreckten sich auf das ganze Stromgebiet der Donau und der angerichtete Schaden beläuft sich auf Millionen. Am 13. Juni starb der vormalige^Bürgermeister-Stellvertreter Ritter v. Kheun im hohen Alter von 90 Jahren. Seit 1848 hatte er im Dienste der Commune gewirkt und war bis au sein Lebensende noch als Armenvater thätig. Eines der interessantesten Ereignisse der Jahreschronik bot die Erscheinung des Fürsten Bismarck in Wien am 19. Juni, wohin er sich zur Feier der Hochzeit seines Sohnes Herbert begeben hatte. Schon in Berlin auf der Durchfahrt von der Bevölkerung mit demonstrativer Begeisterung begrüßt, wurde ihm in Dresden .ein solenner Empfang durch die Stadtvertretung und die Einwohnerschaft. Beim Betreten der österreichischen Grenze hielt er in Tetschen eine kurze Rede, in welcher er sein unausgesetztes Bestreben, Deutschland und Oesterreich zu befreunden, hervorhob und darauf hinwies, daß das geschlossene Bündniß durch die Verheiratung seines Sohnes mit einer Oesterreicherin gewissermaßen eine neue Bekräftigung erfahren habe. So lange er lebe und Einfluß besitze, würde er Alles aufbieten, daß das 1879° geschlossene Bündniß auch erhalten bleibe. Der Empfang in Wien war ein derart stürmischer, daß der Fürst einen peinlichen Eindruck davongetragen haben muß. Gewiß mußte es ihn unangenehm berühren, daß eine Schaar junger Leute in ihrer Begeisterung sich zu Exzessen und offenbarem Widerstand gegen die behördlichen Organe veranlaßt sah. Es wurden eine Menge Verhaftungen vvrgenommen und im Kampfe mit d^r Polizei trugen einzelne Excedeuten Verwundungen davon. Der Fürst beobachtete eine weise Zurückhaltung, er wich jeder Demonstration aus, empfing keine Deputationen und stattete nur die unumgänglichsten Visiten ab. Graf Kalnoky verweilte eine halbe Stunde bei ihm im Palais Palsfy in der Wallnerstraße. Dem Bürgermeister drückte der vormalige Reichskanzler sein tiefstes Bedauern über die vorgefallenen Excesse aus, Am 21. Juni, Vormittags 11 Uhr, fand die Trauung des Grafen Herbert mit der liebreizenden Comtesse Margarethe Hoyos in ungemein feierlicher Weise statt. Die Theilnahme der Wiener Bevölkerung äußerte sich in stürmischen Ovationen. Die Neuvermählten traten noch am selben Nachmittag ihre Hochzeitsreise in die Schweiz an. Der Fürst verließ am 23. Juni Wien und begab sich zunächst nach München zu Maler Lenbach. Beim Abschied äußerte er sich in der Musik- und Theaterausstellung, daß er jetzt als freier Manu öfters nach Wien zu kommen gedenke. Am 26. Juni schied der vormalige Minister Eduard Herbst, einer der hervorragendsten Parlamentarier, im Alter von 72 Jahren aus dem Leben. Er war bis an sein Lebensende ein allezeit getreuer Führer des deutschen Volkes in Oesterreich, Mitschöpfer der Verfassung und gleichzeitig ein bedeutender Jurist. Der Libera- iismus verliert iu ihm einen seiner gewaltigsten und stets schlagfertigen Vorkämpfer. Mit Ausnahme der Czechen trauerte die ganze österreichisch-ungarische Nation um den großen Patrioten. Ain 26. Juni wurde das vierte österreichische Buudesschießen durch Se. Majestät in Brünn feierlich inaugurirt. Tausende von Schützen waren zu diesem Feste aus allen Kronländern herbeigeeilt und beide Volksstämme wetteiferten, den: Monarchen Beweise unerschütterlicher Liebe und Treue entgegenzubringen. Das Emporium der deutschen Industrie hatte sich auf das Festlichste geschmückt und der Kaiser beehrte auch alle Deputationen mit huldvollen Ansprachen, welche bedeutungsvoll für das ganze Reich waren. Der Monarch zeichnete die meisten Schulen, Vereine, Institute und gewerblichen Etablissements beider Nationalitäten durch seinen Besuch aus. Der Kaiser kehrte nach viertägigem Aufenthalt in Brünn nach Wien zurück. Se. Majestät hatte die Aufregungen und Strapazzen mit einer bewnndernswerthM Elasticität des Geistes und des Körpers ertragen und iu zahlreichen An- jprachen einen Geist der Milde, Ver öhnung und Duldung gezeigt, der den verschiedenen Nationalltaten zur Richtschnur dienen friste. Deutsches Weich. Die hochwichtige Erneuerung des Dreibundes, welche Kaiser Wilhelm schon am Bord der „Cobra"am28. Juni verkünden konnte, wurde durch deu Besuch des Kaiserpaares in Holland und England gewissermaßen noch verstärkt. Es haben diese Besuche zweifelsohne den Zweck, auch die außerhalb der Tripelallianz befindlichen Mächte für die Politik des Friedens zu gewinnen und kann man dem jungen deutschen Kaiser für diesen Idealismus nur dankbar sein. Am 1. Jnli traf das deutsche Kaiserpaar in Amsterdam ein und wurde von der kleinen Königin Wilhelmine und ihrer Mutter wie von der gesummten Bevölkerung auf das Herzlichste ausgenommen. Das niederländische Volk wird der Friedenspolitik jedenfalls sehr geneigt sein und die Neutralität Hollands ist für Deutschland schon wegen der Versorgung mit auswär-. tigem Getreide eiu großer Gewinn. Die Fahrt des deutschen Kaiserpaares durch Holland glich einem Triumphzug und wurde uur von dem glänzenden Empfang, den dasselbe am 4. Juni in England fand, überboten. Die Prinzen des königlichen Hauses begaben sich in Port Victoria an den Bord des Hohenzollern zur Begrüßung und der Kaiser dankte dem Mayor von Windsor in englischer Sprache für den Empfang. Sicher hat noch kein fremder Potentat in .England eine ähnliche Aufnahme sowohl von Seiten der Bevölkerung wie durch die Organe der öffentlichen Meinung erfahren. Wenn auch von Seiten der Regierung kein officieller Beitritt zur Tripelallianz erfolgte, so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß die Erhaltung des europäischen Friedens an England und seiner gewaltigen Flotte einen mächtigen Bundesgenossen gefunden hat. Frankreich unterschätzte auch keineswegs die tiefe Bedeutung dieser stillen Bundesgenossen- schaft, und es wurde die Absendung eines Geschwaders nach Kronstadt beschlossen, um dar- zuthun, daß Frankreich nicht länger isolirt stehe und mit Rußland ein Schutz- und Trutzbündniß geschlossen habe. Der Aufenthalt des deutschen Kaiserpaares währte bis zum 14. Juli, wo die Rückfahrt mit dem Hohenzollern nach Norwegen erfolgte. Auf derselben erlitt der Kaiser am Deck des Hohenzollern einen Unfall,, indem er ausrutschte und die rechte Kniescheibe aus der Gelenkskapsel renkte. Dr. Leuthold richtete sie wieder ein, legte einen Gypsverband auf und nach 14 Tagen war das Uebel behoben. Am 6. Juli fand auch in Windsor die Vermählung der Prinzessin Louise von Schleswig- Holstein mit dem Prinzen Aribert von Anhalt- Dessau statt. Das Kaiserpaar und Königin Victoria wohnten der Trauungsfeierlichkeit bei. DerDichterdes„Amaranth", Oscar v. Redt- witz, starb am 7. Juli 1891 in der Heilanstalt Gilgenberg bei Bayreuth. 1823 geboren, errang er schon mit 26 Jahren durch diese episch-lyrische Dichtung den ersten Erfolg, der durch seine späteren Werke nicht mehr überboten wurde. Im Lager der deutschen Socialdemokraten herrschte um diese Zeit großer Hader. Es hatte sich eine Partei der jungen gegen die alten Führer Bebel, Liebknecht und Consorten unter
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