Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

78 , „Seid nicht so arg, als ich dachte, Herr Pater — s o lieb' ich meine Unterthanen! Wollens vergessen, was früher war, nnd auch von der Gaflenzer Kirchenabgabe nichts mehr sprechen! Gute Heimkehr!" Und er drückte dem Mönche, der zögernd seine Fingerspitzen in die Rechte des halbtollen Waldgrafen gelegt hatte, derb die Hand, verließ die Kapelle und bald darauf jagte der Reiterzug mit ihm davon, den Pater, das neue Ehepaar und jene Andächtigen, die aus Neugierde oder Furcht noch geblieben waren, in höchster Aufregung und Nathlosigkeit zurücklassend. III. Wie ein Alp siel es von den Gemüthern der Zurückgebliebenen, .als der Waldgraf sich entfernte, und Pater Ansbert fand schnell seine Ruhe und Entschlossenheit wieder. Er legte die Meßgewänder ab und wandte sich zu dem sonderbaren Ehepaar, das er nicht gekannt hatte bis zur Stunde und erfuhr zu seiner nicht geringen Ueberraschung, daß auch der junge Bauer und die ihm angetraute Dirne sich nur so oberflächlich kannten. Der Befehl des Waldgrafen, die Trauung vorzunehmen, entsprang also nur der augenblicklichen Laune desselben und dem Gefühl, seinen verletzt vermeinten Hoheitsrechten gegenüber dem Mönche Geltung zu verschaffen. Das neue Ehepaar bestürmte nun den Pater um Rath, was jetzt zu thun sei. Nach langem Nachdenken faßte Pater Ansbert endlich einen Entschluß. „Geht nur ruhig nach Hause", sagte er zu den jungen Leutchen, „jedes zu seinen Aeltern, als ob nichts vorgefallen wäre. Erzählt den Eurigen die Sache und wartet ab, was ich Euch auftragen werde, zu thun." „Herr Pater", sagte Klaus, so hieß der Bauer, zögerud, „bevor ich geh', hätt' ich noch eine Frage —" „Was willst Du?" frug der Mönch. „Hm —" räusperte sich Klaus verlegen und schielte nach der Dirne hinüber, „ich wollt nur fragen, ist die Gertraud da mein Weib, oder nicht?" Die Gertraud schaute bei diesen Worten recht verlegen drein, aber sie schien diese Frage erwartet zu haben und froh zu sein, daß sie gethan worden lvar. Der Mönch strich leise den weißen, langen Bart und meinte sehr bedächtig: „Ja, Freund, verheiratet seid Ihr, das ist sicher! Das kann nicht mehr geändert werden! Ob das aber dem Herrn Markgrafen Recht ist, das weiß ich nicht und der ist ja Euer rechtmäßiger Herr! Uebrigens werde ich dem Herr» Markgrafen selber Meldung niachen von der Sache, und Ihr werdet bald von mir hören! Und nun geht!" Der Klaus und die Gertraud sahen sich einen Augenblick fragend und etlvas wehmüthig zugleich an, denn vielleicht hätten's Sie gar nicht ungern vernommen,^ daß sie ein Ehepaar seien, dann seufzten beide und trollten aus der Kapelle, umringt von den Bauern und Bäuerinnen, die den seltsamen Vorfall eifrigst besprachen. Pater Ansbert aber ließ sich nach Garsten übersetzen, wohin er als Cleriker gehörte, und berichtete dem Klostervorsteher Eberhard getreulich, was geschehen war. — Einige Tage darnach, lustwandelte Markgraf Ottokar VI. mit seiner Gemahlin Elisabeth im Schloßgarten des Fürstensitzes zu Steyr. „Ei, mein Herr Gemahl, das ist ein gar seltsam Geschichtlein, das Ihr mir da erzählt habt", meinte die Markgräfin und zog die Hand aus dem Arm des Markgrafen. „Aber was ficht Euch an, darüber soviel Aufhebens zu machen?" Der Markgraf war stehen geblieben, rückte das Barett auf dein lockigeil Haupte herum und sagte mit einer Miene, in der sich sein innerlicher Kampf zwischen Aerger und Lachen deutlich widerspiegelte: „Traun, meine liebe Elisabeth, ich ivürde über die Sache ivirklich nicht weiters reden, aber stellt Euch nur nleine Lage vor! Wie hereingeschneit, hab' ich da ein Ehepaar bekommen, das bettelarni ist und das wahrscheinlich gar nicht so erbaut ist, ein Ehepaar zu sein! Und dann, was ist das wieder für eine böse Sache, die unser Herr Bruder da wieder angestiftet hat! Nach meiner Ansicht ist das allerdings nur ein toller Streich, nicht aber eine Ueberschreitung der Rechte seitens des Herrn Grafen im Enns- mrd Goiserwalde" — der Markgraf betonte diesen Titel mit komischen Ausdruck — „appellirt aber der Pater Ansbert an den Bischof von Passau, so nimmt der Proceß in zwanzig Jahren noch kein Ende —" Die Markgräfin wiegte sinnend das Köpfchen. Dann brach sie eine Rose ab, ergötzte sich an denr Gerüche der Blume und sah dabei ihren hohen Gemahl schelmisch an, der das Barett auf dem lockigen Haupte hin- und herschob, lvie er das zu thun pflegte, wenn er die Lösung einer Frage nicht gleich findeli konnte. „Ei", sagte sie endlich lächelnd, „mich däucht die Lösung der Angelegenheit denn doch gar nicht so schwierig als Euch —" „So, so", machte es der Markgraf, „darf ich fragen, ivie sich nrein lieb Ehegemahl die Lösung da ivohl vorstellt?" „Ei, freilich, lieber Ottokar", entgegnete die Markgräfin heiter. „Wir theilen die Arbeitslast genau so, wie der Fall zweigetheilt ist, der sich so urplötzlich ereignet hat! Ihr, mein hoher Herr Gemahl, übernehmts, den Waldgrafen mit der Kirche, die er beleidigt hat, anszu- söhnen und ich —" „Und Ihr, liebe Elisabeth?" „Ich, ich will das Ehepaar wider seinem Willen, zu einem solchen m i t seinem Willen zu machen versuchen, was ja gar so schwer nicht sein dürfte, wenn Ihr, Herr Markgraf", — die hohe Frau knixte scherzhaft — „die Mittel gnädigst bewilligen wollt, dass die Leutchen auch leben können in der Ehe!" „Ei, doch ja, soviel Ihr von solchen Mitteln bedürfet, sollt Ihr für das Paar erhalten", rief der Markgraf in bester Laune an§ und küßte seiner Gemahlin die Hand. „Und da fällt mir eben zur rechten Zeit ein, daß der Klaus und die 79 Gertraud für heut herbestellt sind zur Zeugenaussage — möcht es Euch doch gelingen, liebe Elisabeth, uns vor weiterem Aerger zu bewahren und wieder wahr zu machen den Spruch: Was Gott zu- sammengefügt, soll der Mensch nicht lösen — müssen!"--------- Wenige Stunden darauf standen der Klaus und die Gertraud vor der Markgräfin Elisabeth, die mit Interesse das seltsame Ehepaar betrachtete. Die Fürstin müßte nicht eine echte und rechte Frau gewesen sein, wenn sie nicht an dein schmucken Paare ihre Freude gehabt hätte und in ihrem Innern erklärte sie es sogleich für sündhaft, das für einander ivie geschaffene Menschenpaar, das der Zufall zusammengebracht hatte, des Streites großer Herren halber wieder zu trennen. „Ihr seid also der Klaus und die Gertraud, die — die der Graf Adalbero hat verheirathen lassen?" begann sie. „Ja", sagte der Klaus mit allem seinen Biuth, „die sind wir —" „Und habt Euch früher nicht gekannt?" „Oh, doch", sagte die Gertraud, „so vom Sehen aus — und gesprochen haben wir uns auch einigeinale —" „Ei", lächtete die Markgräfin, „so habt Ihr am Ende - das .Ja vor dem Altar gar nicht so ungern gesprochen, wie?" Die Gertraud wurde blutroth im Gesichte, und der Klaus sah krampfhaft auf die Spitzen seiner Holzschuhe, aber beide schwiegen. „Ihr braucht Euch deßhalb weder zu schämen, noch zu fürchten", meinte die Markgräfin begütigend, „könnt das ruhig sagen; hättet Ihr Euch nicht auch ge- heirathet, wenn — nun, wenn der Graf Adalbero Euch nicht dazu gezwungen Hütte?" Der Ton, in dem die Markgräfin das sagte, war so lieb und freundlich, daß das scheue Paar Zutrauen 311 der hohen Frau gewann. Der Klaus sah die Gertraud an und diese ihn, und sie schienen sich zu verstehen, denn die Gertraud sagte plötzlich ganz resolut: „Ei, warum nicht, hohe Frau? Ich

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