Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

7 G Jetzt sah der Waldgraf durchaus nicht freundlich drein, denn seine dunklen großen Augen blitzten drohend den Mönch an, und seine Rechte stieß das lange Schwert auf den Lehmboden der Kapelle, daß es dröhnte, als er sich vor dem erschrockenen Pater aufpflanzte. „Sieh da", sagte er und seine rauhe Stimme grollte förmlich aus der Kehle heraus, „muß ich den Herrn dahier treffen, wenn ich ihn sprechen will? Hab Euch rufen lassen, heut Früh, mußt aber hören, daß Ihr nach Steyr weg seid — konnt's leicht errathen, daß Ihr dort Klage führtet wider mich —" „Nicht doch, Herr Graf", entgegnete hastig der Mönch, der gern diesen Auftritt an der geweihten Stätte vermieden hätte und aller Augen auf sich gerichtet sah, „nicht klagen war ich- am Hofe drinnen — doch, verzeiht, hier ist nicht der Ort, Euch Rede zu stehen! Laßt mich die Meßgewänder ablegen, dann wollen wir in's Freie treten, Herr Graf, und Ihr sollt Antwort erhalten auf jede Eurer Fragen!" „Wohl", meinte der Waldgraf und strich den schwarzen Bart, wobei er durchdringend den Pater anblickte, „grad um Eure Antwort handelt es sich! Aber hier sollt Ihr dieselbe geben, vor dem Altar, denn Euer Ausspruch soll rechtskräftig sein und Zeugen haben —" Und der Graf winkte einen der Geharnischten aus der Schaar heraus, der eilfertig herbeitrat. Der Mann war nicht mehr jung, hatte feuerrothes Haar und ebensolchen Bart, und sah auch sonst nicht sehr vertrauenserweckend aus. „Mein lieber Berengar", sagte der Waldgraf zu ihm, und seine Stimme klang fest und rauh, „der Pater Ansbert hier will Euern Wunsch erfüllen und Euch von Eurem Weibe scheiden — hier sind wir dazu grad so schön beisammen: Edle und Unedle, Freie und Unfreie — genügt Euch diese Gesellschaft als Zeugen für des Paters Ausspruch?" . Berengar übersah sogleich die Lage und erkannte, daß er jetzt sein Ziel, die angestrebte Scheidung von seinem Weibe, erreichen könnte, denn des Waldgrafen Augen loderten gar unheimlich unter den buschigen Brauen hervor: die ganze Wildheit und Störrigkeit von des Waldgrafen Natur spiegelten sich darin wider. „Ja, Herr Graf", beeilte sich daher Berengar hastig zu sageil, „mir genügen Ort und Zeugen -" „Dann macht rasch, Herr Pater", befahl Adalbero dem entsetzten Mönch, „und löset, was gebunden ist!" „Um aller Heiligen Willen, Herr- Graf, das kann - ich nicht", stotterte Pater Ansbert, dem der Angstschweiß auf der Stirne stand, hervor, „ich sagte Euch ja schon wiederholt: der Priester kann wohl binden das Band der Ehe, aber das Lösen —" „Ist Sache Eurer geistlichen Obrigkeit", unterbrach ihn der Graf vom Enns- und Goiserwalde kalt, „wohl, so sagtet Ihr schon oft —" Dabei war der Waldgraf dunkelroth im Gesichte geworden vor Erregung und einen Augenblick schien es der athemlos und ängstlich lauschenden Menge, als ob er den Mönch mit einem Faustschlag seiner geharnischten Hand zu Boden strecken wollte, wenigstens schwebte dessen geballte Faust einige Secunden wirklich über dem silberlockigen Haupte des Mönches, der das Haupt gesenkt hatte und den Schlag zu erwarten schien. Der Waldgraf, den seine Reisigen völlig von den Andächtigen getrennt hielten, schien sich jedoch plötzlich eines anderen besonnen zu haben. Er ergriff heftig die Hand des Paters, preßte dieselbe, dass dieser vor Schmerz die Zähne übereinanderbiß und sagte mit heiserem Lachen: „Es bleibt dabei, Herr Pater: L ö s e u wird ein anderer; aber ich bin dennoch Euer Herr, das will ich Euch sogleich beweisen, und Ihr werdet mir gehorchen, oder bei Gott und seinen Heiligen, ich schlage Euch hier nieder wie einen Hund, wenn Ihr mir wieder den Gehorsam verweigert." Der Waldgraf ließ die Hand des Priesters los, wandte sich gegen die Weiber und Männer hin, die noch die Kapelle füllten und ließ seine funkelnden Blicke über die Menge schweifen, die, Böses ahnend, sich dicht zusammendrängte. Plötzlich blieb des Waldgrafen Blick auf einem jungen, stämmigen Bauern haften und ein Wink von seiner Hand machte denselben schlottrigen Knies sich nähern. Im nächsten Augenblick winkte der Waldgraf eine Dirne heran, die ungefähr im gleichen Alter stand wie der Bauer. „Komme her", befahl er dem erschrockenen Mädchen, „und stelle Dich daher, neben de» dickköpfigen Burschen — seid Ihr etwan schon verheiratet?" Diese Frage verblüffte nicht nur den Burschen und die Dirne, sondern auch das Gefolge des Waldgrafen, das an tolle Streiche seines Herrn doch gewöhnt war. „Herr Graf, was habt Ihr vor?" rief Berengar und wollte sich dem Waldgrafen nähern, doch dieser gab ihm einen so energischen Wink mit der Hand, daß der Italiener sich hinter einem ellenlangen Knappen verkroch. „Ihr seid also beide ledig?' forschte der Waldgraf. Das Paar nickte nur. Ueber des Waldgrafen finsteres Gesicht huschte es wie ein Lächeln, und so freundlich, als es ihm nur überhaupt möglich war, wandte er sich jetzt an Pater Ansbert, der mit innerer Angst voraussah, was jetzt kommen mußte. x „Herr Pater, Ihr habt mir oft den Gehorsam verweigert und so Euer Leben wiederholt verwirkt! Ich vergebe Euch Euren blinden Trotz, der nur eine Auflehnung gegen mich, Eure Obrigkeit, war — aber, als Beweis Eures ferneren Gehorsams traut Ihr jetzt in diesem Augenblicke dieses Paar, das da vor Euch steht!" ■ Und dabei entblößte der Waldgraf das Schwert — es war ihm furchtbarer Ernst mit seinen Worten. Der Bursche stieß einen Ruf der Ueberraschung aus, und die Dirne wurde blutroth im Gesichte und drohte in 77 Weinen auszubrechen, während mächtige Bewegung alle Anwesenden ergriff, die gespannt den Pater anblickten, der einen schweren Kampf mit sich selber zu kämpfen schien. „Herr Graf, wir haben keine — Ringe", stieß der Mönch endlich in seiner Aufregung hervor. Der Waldgraf zog den rechten Handschuh aus, und löste zwei Ringe von seinen Fingern, die er auf einen Betschemmel legte, dann nahm er das Schwert wieder zur Hand und sagte drohend: „Und nun beeilt Euch — ich möchte zu Mittag mit meinem Herrn Bruder- speisen! Ja so, Trau-Zeugen sind ich, Graf Adalbero, und mein Lehensmann Berengar — vorwärts denn!" Seufzend und au allen Gliedern zitternd, machte sich der alte Mönch daran, den Befehl des Waldgrafen auszuführen — es wäre nutzlos gewesen, wenn er sich geweigert hätte, denn dem Waldgrafen kam es auf ein paar Menschenleben nicht an, wenn man seinen Zorn reizte. Mit bebender Stimme that er an das sonderbare, vor Angst willenlos gehorchende Brautpaar die üblichen Fragen, die dasselbe halblaut beantwortete, dann, nach vollbrachter Eheschließung, stützte sich Pater Ansbert an eine Betstuhllehne, denn es schwirrte ihm so durch den Kopf, . daß er unizusinken drohte. Der Waldgraf hatte aufmerksam der heiligen Handlung zugesehen und sagte jetzt zu dem neuen Ehepaar, wobei er das Schwert klirrend .in die Scheide steckte, auffallend ruhig: „Ich wünsch' Euch einen guten Ehestand ! Habt Ihr zu wenig, um Euch fortzubringen, wendet Euch an mich, will nicht kargen und zu des Herrn Paters Segen gern- ein paar Goldstücke hinzufügen, die Euch den Anfang erleichtern! Gott befohlen!" Dann tvändte er sich zu Pater Ans-, bert und ihm die Hand entgegenstreckend, sagte er mit rauher Stimme und spöttischem Lachen:

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