Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

74 „Ei, das ist wohl einerlei, sollt' ich meinen! Ihr frommen Herren seid immer mit der Ausrede bei der Hand, daß Ihr nichts habt! Zahlt nur, Freund, oder ich mach' Euch so kirre, daß Ihr froh sein sollt, Euch noch am Leben zu finden in ein paar Tagen!" „Unerhört", murmelte der Markgraf wie für sich, „und dann — was thatet Ihr?" „Ich hatte nichts zu geben", erzählte der Priester weiter, „da sandte er auch nach Garsten*), Geld zu holen. Das ist das Eine, was ich zu berichten habe. Weit wichtiger aber ist der zweite Punkt, über den ich Euch, gnädigster Herr, Kunde geben muß, damit Ihr daraus ersehen möget, wie weit des Waldgrafen Eigenwille geht. Unter seinen Lehensleuten befindet sich einer, Namens Berengar, den Euer hochseliger Herr Vater aus Italien vor Jahren in unser Land mitbrachte. Das ist nun ein gar wilder Geselle, aber in des Waldgrafen höchster Gunst, denn derselbe versteht es meisterlich, dessen Pläne auszuführen. Dieser Berengar nun hat ein Weib, eine gute Seele, die ihm als Mahnerin oft bei feinen Streichen lästig ist. Da hat es sich nun der Berengar in den Kopf gesetzt, sich von seinenl Weibe scheiden zu lassen, und den Waldgrafen für dieses Satanswerk gewonnen. Seit einigen Wochen nun ist der Waldgraf stets in Gaflenz, und da fordert er von mir. daß ich die Auflösung der Ehe Berengars ausspreche —" „Ei, der Tausend", sagte der Markgraf und sing unwillkürlich zu lachen an, „das ist wohl nicht meines Herrn Bruders Ernst?! Ihr sagtet ihm doch, ehrwürdiger Herr, daß Ihr dazu nicht Befugnis habt?' „Doch, doch", meinte der Priester, „aber - " „Nun -- aber, ehrwürdiger Herr?" „Der Waldgraf hat darüber eben seine eigenen Ansichten", meinte der *) Garste» Ivar diirch Ottokar V. erst kurz vorher, 1082, gestiftet worden und waren dort Cleriker unter einem Vorsteher Namens Eberhard. Priester und ailch er lächelte. „Er meint, was der Priester bindet, kann er auch lösen, so steht's in der heiligen Schrift — und dann, er sei die Obrigkeit und wenn er es befehle, so könne der Papst selber nicht anders, als zu gehorchen, >venn er auf des Waldgrafen Gebiet sich befinde." Jetzt begann der Markgraf laut aufzulachen und seine Heiterkeit wirkte so ansteckend, daß auch der Priester nur schwer das Lacheu unterdrücken konnte. „Ei, was hat doch mein Herr Bruder für gar seltsame Ansichten", sagte der Markgraf, noch immer lachend, und ließ sich in 'einen Stuhl fast hineinfallen. „Da wär's freilich recht heiter, Fürst zu sein, wenn man nur zu befehlen brauchte und die Unterthanen gleich alles machten, was man will! Traun, ehrwürdiger Herr, ich bin Euch groß verpflichtet, daß Ihr mir das vermeldet habt, denn ich bin durch diese neue Absonderlichkeit meines Herrn Bruders baß ergötzt worden! ' Der Priester sah mit verwunderter Miene die zunehmende fröhliche Laune des Markgrafen, die ihm gar nicht gefallen wollte. Er strich leicht den langen, weißen Bart und meinte: „Gott geb' Euch immer so fröhliche Augenblicke wie diesen, gnädigster Herr Markgraf, allein mich däucht —" „Daß Euch mit meinem Lacheu nicht geholfen ist", unterbrach ihn der Markgraf und lachte von neuem. „Glaub's wohl, aber laßt's nur gut sein, ehrwürdiger Herr, und kehrt getrosten Muthes heim — noch heut will ich einen meiner Hofleute hinaus nach Gaflenz senden, und traun, der soll meinen Herrn Bruder- schön darüber aufklären, daß ich Herr im Lande bin, und ansonsten aber ein Graf im Enns- und Goiserlvalde auch nur ein Graf und kein heidnischer Kaiser ist! Eure Lage ist wohl schwierig, ehrwürdiger Herr, nehmt aber die Versicherung mit auf die Wanderung, daß ich jederzeit und überall zum Schutze der Kirche und ihrer Diener bereit bin!" Pater Ansbert war etwas beruhigter aus den Gemächern des Markgrafen weggegangen, als er dieselben betreten. Im großen Schloßhofe stand eine uralte Eiche und darunter war ein hölzernes Tischchen und eine Bank angebracht, worauf der Pater sich nun niederließ, um die alte» Knochen etwas ausruhen.zu lassen, bevor er den Weg wieder heimwärts antrat. Der Schloßvogt trat zu ihni heran, ließ sich, nachdem er höflich um Erlaubnis gefragt hatte, neben dem Pater nieder, und bald wußte er, warum Pater- Ansbert auf's Schloß gekommen sei. Der Schloßvogt theilte die von Pater- Ansbert ausgesprochene Befürchtung, daß der Markgraf die Streitsache zwischen ihm, dem Priester, und dem Grafen Adalbero nicht gründlichst austragen werde, durchaus nicht. „Traun, ehrwürdiger Herr", sagte der Schloßvogt bestimmten Tones, „da kennt Ihr unsern neuen Herrn und Gebieter doch noch allzuwenig! Bei dem ist lveiß eben weiß und nicht anders, und gegen Herrn Adalbero ist er nicht weicher als gegen andre Leut'! Macht der Kämmerling den Waldgrafen nicht andern Sinnes, ei, so erlebt Jhr's, dass der Markgraf selber hinauskommt nach Ga- fleuz, und dann ist wieder Ruh im Laud!" „Gott gäb's", seufzte Pater Ansbert, .war aber durch des Schloßvogtes Worte sichtlich beruhigt worden, reichte demselben zum Abschied die Hand, grüßte ihn mit frommem Spruch und wanderte fürbaß die Enns aufwärts, nachdem er sich am heutigen Grünmarkt hatte über den Fluß setzen lassen. Fast an derselben Stelle, wo heute die Pfarrkirche in St. Ulrich steht, befand sich im Jahre 1088 ein Kirchlein oder vielmehr eine größere Kapelle aus Holz, die einsam auf der bewaldeten Höhe stand und in der nur einigemale im Jahre Messe gelesen wurde. Ursprünglich war es die Klause eines frommen Einsiedlers gewesen; nach dessen Tode wurde die Stätte, wo er gelebt, gern von Köhlern, Holzknechten und ihren Familien 75 besucht, die hier ihre Andacht zu verrichten pflegten, wenn ihr beschwerlicher Beruf ihnen dazu Zeit gönnte. Manchmal kam ein Mönch von Garsten herüber und erbaute die schlichten Naturkinder durch Predigt und Messe. Führte aber den Pater Ansbert der Weg an dieser halbverfallenen Klause vorbei, so wußte eres so einzutheilen, daß den Bewohnern der anliegenden Gründe Gelegenheit geboten wurde, ihren Pflichten als Christen unter seiner Leitung nachzukommen. Auch jetzt hatten die Köhler und Holz- knechte durch Botey vernommen, daß Pater Ansbert gegen Mittag hier vorbeikommen und Messe lesen werde, und eine stattliche Anzahl derselben lvartete bereits mit Kind und Kegel des Priesters. Es inochte gegen eilf Uhr Vormittags sein, als Pater Ansbert bei der Klause anlangte, die bei einem dortigen Köhler in Verwahrung gehaltenen kirchlichen Gewänder anlegte und an dem, aus rohem Materiale gezimmerten, kleinen Altare, in der Hütte die Messe zu lesen begann, bei der ihm ein Köhlerjunge ministrirte. Bei der Wandlung ertönte draußen der Hufschlag vieler Pferde und rauhe Stimmen frugen, was es da gäbe? Dann wurde es wieder still, und als sich Pater Andbert im Verlauf der Messe einmal umwandte, erblickte er am Eingang der Hütte einige Gewappnete, die ruhig und den Helm oder die Sturmhaube in der Hand, destr Laufe der heil. Handlung folgten. Als die Messe beendet war und Pater Ansbert sich anschickte, das Meßgewand abzulegen, trat aus dem Hintergrund des Raumes aus der Schaar der Kriegsleute ein. großer, starker Mann in ritterlicher Tracht hervor und geradeaus aus den Pater zu, der in ihm zu seinem Schrecken den Waldgrafen erkannte. Adalbero, Graf im Enns- und Goiser- walde, war eine echt ritterliche Erscheinung, wenn er auch im Weseu und Gehaben jene Adeligen zum Ausdruck brachte, die Macht und Recht immer als Einen Begriff ansahen und diesen Begriff immer als ihr ureigenstes Attribut betrachteten. 6*

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