Ver Waldgrus. Zeitbild aus Steyrs Vorzeit von Heinrich Kematmüller. n der Burg zil Stehr stand an einem Augusttage im Jahre 1088 zeitlich Früh ein alter Priester vor dem, damals i Bruder Adalbe r o, der als Graf dem Enns- und Goiserwalde Vorstand und der nicht nur in stetem Hader mit seinen eigenen Lehensleuten stand, sondern auch mit seinem Bruder, dem Markgrafen, in fortwährendem Streite lebte und jede Gelegenheit benützte, diesem das Regieren zn erschweren, ja es offen verkündete, er sei geradeso ein selbstständiger Herr, als jener. Auch das, was der Priester vorbrachte, betraf Adalbero. „Ei, St. Georg! Will denn das Klagen gar kein Ende nehmen über unsern Herrn Bruder?" seufzte der Markgraf, als der Priester wieder einmal inne hielt in seiner Rede. „Immer der Waldgraf**) und nur der Waldgraf - " „Es ist leider so und nicht anders, gnädigster Herr Markgraf", entgegnete der Priester, eine hohe, ehrwürdige Grei- seügestalt. „Es gibt nichts, was der Waldgraf ungeschoren ließe." „Aber Gaflenz gehört mir und nicht ihm", meinte Ottokar unmuthig. „Ihr hättet ihm das vorstellen sollen, ehrwürdiger Herr —" „Oh, das that ich ja", zuckte der Priester die Schultern, „aber da kam ich schön an. Er hieß mich fein schweigen, wenn wir mein Leben was werth sei, und zahlen, was die Kirche zahlen könne. Und als ich ihm erklärte, Gaflenz sei arm, das Kirchlein gehöre ilach Garsten, und ich sei >lur von dort bestellter Seelsorger, nicht aber Pfarrer***), lachte er und meinte: im kräftigsten Maunesalter stehenden Markgrafen Ottokar VI.*) Der hohe Herr . war soeben aus der Hauskapelle zurück- gekehrt, wo er eine Messe angehört hatte, als mau ihm meldete, im Empfangssaale stünde ein Geistlicher und bitte uin Vorlaß bei dem Markgrafen. Er sei aus Gaflenz und habe Wichtiges zu berichten, meldete der Kämmerling dem Fürsten, der sich dadurch bewogen fand, den Bittsteller sogleich vorzulassen. „Gewiß wieder Klagen", hatte Ottokar VI. zu dem Kämmerling gesagt, und so war es auch. Das, was ihm der. Priester berichtete, stimmte die frohe Laune, die der hohe Herr heute Früh gezeigt, ganz bedeutend herab. Wie auch jucht? Als Ottokar VI. vor wenig Monden die Herrschaft übernahm, fand er gar Manches zur ordnen vor. Der Adel war eigennützig und drückte gern den freien Bürger, und die Land- und Klostervögte thaten auch nicht immer, was recht und billig war. Am Aergsten aber trieb es wohl des Markgrafen eigener *) Folgte anfangs 1088 seinem Vater Ottokar V, der zu dieser Zeit in Rom gestorben war und dort begraben liegt, in der Regierung Steyrs und des übrigen Gebietes der steierischen Ottokare. **) So nannte man den Grasen Adalbero kurzweg im Gnus- und Goiscrwalde. ***) Gaflenz wurde 1140 eine zu Garsten gehörige Pfarre. 6
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