Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

54 warnen. Sie werden auf meine Worte hören." . „Bleib', Ferencz!" rief Aranka ans, indem sie dem der Thüre zueilenden jungen Manne hastig in den Weg trat. „Ich weiß nicht, wie mir mit einem Male ist. Ein unsäglich banges Gefühl schnürt mir die Brust zusammen. Ich dürft' ein schreckliches Unglück erwarten." „Um dieses zn verhüten, muß ich fort." „Nein, Ferencz, du darfst nicht fort." „Leb' wohl, Aranka. So Gott will, sehen wir uns morgen wieder." „Ferencz! Ferencz!" Er hörte nichts mehr. Blitzschnell war er auf dem Rücken seines Rosses und nach wenigen Augenblicken war er auch schon dem Gesichtskreise des ihm mit einem bangen Gefühl nachschauenden Mädchens entschwunden. Die Nacht war bereits angebrochen, als die den Geza Achvala verfolgenden Pferdeknechte den gräflich Achmilin'schen Föhrenwald erreichten. Am Waldesrain gesellte sich zu ihnen Ferencz Nyulafsy. „Ihr wollt dem Achvala doch nicht etwa ein Leid anthun? fragte er seine Kameraden. „Das hängt von dem Menschen selber ab." „Nein, mit Gewalt dürft Ihr nicht vorgehe». Das würde unseren ehrlichen Namen nur schänden." „Ferencz, wir begreifen dich nicht. Du hast alle Ursache, diesen reichen Fettwanst, der dir bei der schönen Aranka gefährlich werden kann, zu fürchten und zu hassen „Gleichwohl möchte ich nicht, daß Ihr ihm ein Leid anthut." „Still! Schaut nach jener mondbeglänzten Lichtung! Jst's ein Wagen, der dort über die Helle Fläche rollt?" „Es ist das Cabriolet des Geza Achvala!" riefen Alle wie aus einem Munde aus. „Vorwärts! Jetzt kann uns der Mensch nicht mehr entrinnen." Den Nossen wurden die Sporen in die Weichen gedrückt und nach Verlauf weniger Minuten hatten die Csikvs den Wagen des Geza Achvala umzingelt. Den Pferdehändler ergriff eine wahre Todesangst, als er sich so ganz wider Erwarten von den Männern umringt sah, die er eine Stunde vorher aufs Gröblichste beschimpft hatte. „Wasffoll das bedeuten? Was wollt Ihr von mir?" kam es wie ein Lallen über seine bleich gewordenen Lippen. „Verlass' denWagen! Augenblicklich!" riefen die Männer unter drohenden Ge- berden dem zitternden Wucherer zu. „Aber — wa — warum?" „Hinunter mit dir! Und fall' auf deine Kniee und bitte uns um Verzeihung. Du erinnerst dich doch, daß du uns ein Gesindel, Ränber und Diebe nanntest!" „Ich sollte Euch knieend um Verzeihung bitten! Nimmermehr!" „Auf deine Kniee!" „Fort, Ihr Banditen! Laßt mich gehen! Wer mir zu nahe kommt, deui jage ich eine Kugel durch den Kopf." „Und wir zerschmettern dir deine Hirnschale, wenn du Eine» von uns auch nur im geringsten verletzen solltest!" Mit diesem Ausruf richteten die Männer die Mündung ihrer großen Neiterpistolen gegen die Brust des voll Schrecke» u»d Entsetze» z»rückmeiche»den Pferdehändlers. „Auf die Kuiee!" „Ihr — Ihr Bluthunde! Was habt Ihr mit mir vor? Ich soll vor Euch auf meinen Knien liegen, ich der reiche —" Was Geza Achvala noch weiter sagen wollte, erstarb plötzlich auf seinen Lippen Bei seinen letzten Worten siel ein Schuß, Achvala wankte und mit durchschossenem Kopfe brach er leblos zusammen. Die Kugel drang bei einer Seite in den Kopf hinein und bei der anderen wieder hinaus. Bestürzt blicktett sich die Männer geg »seitig an. „Wer hat den Schuß abgefeuert? Wer hat das gethan?" fragte Einer de» Anderen. Aber ein Jeder zuckte die Achseln. Plötzlich erschien mitten unter ihnen, rein wie der Erde entstiegen, Graf Arpad Achmilin in Begleitung einiger Förster und Waldhüter. „Ihr wollt wissen, wer den Mord begangen hat?" fragte er. „Der dort," rief er aus, indem er seinen Arm nach dem etwas rückwärts stehenden Ferencz Nyulassy ausstreckte. „Der hat den Geza Achvala erschossen. Ich sah ganz genau, wie er plötzlich seine rechte Hand mit der Pistole erhob und eine Kugel auf Achvala abfeuerte. Jedenfalls beging erden Mord aus Eifersucht." Der junge Csikos stand da regungslos wie eine Bildsäule. „Nun," schrie ihn der Graf an, „willst du etwa leugnen? Willst du das, was ich behaupte, als Lüge hinstellen?" „Aber," stammelte Ferencz ganz verwirrt, „ich begreife nicht, wie Sie, Herr- Graf, behaupten können —" „Daß du auf den Geza Achvala ans deiner Pistole geschossen hast? Nehnit diesen Mann in Eure Mitte!" rief Graf Achmilin seinen hinter ihn, stehenden Leuten zu. „Führt ihn ab! Der Mord ist auf meinem Grund und Boden vollführt worden, den Mörder behaltet einst- weilen in sicherem Gewahrsam, morgen wird er dem Comitatsgerichte übergeben. Fort mit ihm! Und folgt er nicht willig, so wendet Gewalt an." Es schien, als ob Ferencz Nyulassy plötzlich vollkommen macht- und willenlos geworden wäre. Ohne ein Wort der Widerrede, ohne den geringsten Widerstand ließ er sich von den gräflichen Waldhütern fesseln und abführen. Und seinen Kameraden erging es im Angenblicke nicht besser. Rathlos schauten sie sich gegenseitig an und ließen es ruhig geschehen, daß man ihren Kameraden als Mörder behandle. Graf Achmilin warf einen spöttischen Blick auf die rathlosen Männer und wollte sich entfernen — da plötzlich ließ sich an seiner Seite eine schrille Frauen- stimme vernehmen: „Arpad, das war ein Meisterstück!" 55 Bestürzt wandte sich Graf Achmilin zur Seite. „Cingalya!" entglitt es seinen Lippen im Ausruf der Wuth. „Wie konimst du hierher?" Das schöne Zigeunermädchen schaute dem Grafen hohnlachend in die Augen. „Wie ich hierherkomme?" fragte sie unter leisem Gekicher. „Wie jeder Andere — durch die Luft und auf den Sohlen. Du wirst mich noch öfter ganz unverhofft an deiner Seite erblicken." „Hüte dich!" rief Graf Achmilin drohend aus. „Aha, du willst sagen, daß du die Hunde auf mich hetzen laßt. Arpad," sagte das hübsche Zigeunerkind, indem es ganz dicht an den Grafen herantrat, „ich habe Alles gesehen." Graf Achmilin wich betroffen zurück. „Was hast du gesehen?" fragte er mit unsicherer Stimme. „Alles! Alles! Wahrhaftig, das war ein Meisterstück!" sagte Cingalya mit leiser Stimme. „Arpad, du hast zwei Fliegen mit einem Schlage getroffen." „Willst du gleich schweigen, verfluchte kleine Hexe!" rief der Graf aus, indem er seinen Stock gegen das Zigeunermädchen erhob. Doch dieses war bereits im Dunkel der Nacht verschwunden. Nur ein leise verhallendes Gekicher verrieth die Richtung, in welcher das leichtfüßige Kind entflohen ist. Fluchend folgte der Graf seinen Leuten, indeß die Csikos noch immer unter dem lähmenden Eindruck des eben Vorgefallenen sich befanden. Sie schienen keiner Regung, keines Gedankens fähig. „Ferencz Nyulassy soll auf den Achvala geschossen haben?" fragte endlich einer von ihnen. „Ferencz, der eben erst nicht dulden wollte, daß wir dem Roßhändler ein Leid zufügen. Glaubt Ihr daran?" Die Anderen fuhren jetzt wie aus einem bösen Traum erwacht in die Höhe. „Nein!" riefen Alle wie aus einem Munde aus. „Ferencz hat nicht ans den Achvala geschossen. Den Schuß hat ein Anderer äbgefenert. Aber wer?"

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