Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1893

50 neigt war, wie man bei. seinem Eintritt in die Gaststube wahrnehmen konnte. Die bildhübsche Aranka, einzige Tochter der Mutter Wrantoszyi, erröthete leicht und schlug die Augen zu Boden nieder, als Ferencz auf sie hinzutrat und ihr die Hand zum Gruße reichte. Lächelnd blickten die Anderen auf die beiden hübschen jungen Leute. Man wußte ja, daß Ferencz die schöne Aranka aus vollster Seele liebe und daß er sich um ihre Gegenliebe bewerbe. Ob er hoffen durfte, wer konnte das mit Bestimmtheit sagen? Um Aranka bewarben sich noch andere Männer mehr. Unter diesen befand sich auch der allerdings schon fünfzig Jahre alte, aber steinreiche Pferdehändler Geza Achvala, ferner em reicher Grundbesitzer, ja sogar der junge und hübsche Graf Arpad Achmilin bewarb sich, wie es den Anschein hatte, allen Ernstes um die Gunst der schönen Wirthstochter. „Wißt Ihr, wen Ihr heute noch in Eurer Csarda sehen werdet?" fragte Ferencz, wobei seine sonst immer heitere Miene sich plötzlich verfinsterte. „Nun?" „Geza Achvala wird bald hier sein. Und etwas später dürfte Graf Arpad Achmilin eintreffen." Bei dieser Anzeige lachten die Umstehenden laut auf. „Na also!" spotteten sie. „Da wird Aranka ihre vornehmsten Verehrer beisammen haben. Bis dahin wollen wir uns aber die frohe Laune nicht trüben lassen. He, Musikanten, spielt auf! Den flottesten Csardas, den Ihr nur fideln könnt! Den flottesten Tänzer dazu haben wir da." Zum Tanze ließen sich Ferencz und Aranka wahrlich nicht nöthigen. Im Nu standen sie sich gegenüber, stemmten die Hüften und nun wurde Alles aufgeboten, Leidenschaft, Feuer, Anmuth und Grazie, um jeder Körperbewegung einen Reiz zu verleihen. Die Anwesenden waren in den Anblick des tanzenden Paares so sehr vertieft, daß sie die Ankunft eines mit Geräusch eintretenden neuen Gastes gar nicht wahrnahmen. Erstals Mutter Wrantoszyi ausrief: „Sehr hübsch vou Euch, Geza Achvala, daß Ihr Euch auch an dem heutigen Markttag in meiner Csarda sehen läßt. , Nehmt Platz! Heute jedoch k' müßt Ihr Euch mit jener i Tischecke begnügen. Ihr seht, I die Stube ist fast überfüllt" — bei diesen Worten erst wurde man auf den neuangekommenen Gast aufmerksam. „Der Platz ist nicht für Euch!" riefen die Freunde des Nyulassy, als sie sahen, daß der feiste Pferdehändler sich an der Tischecke recht breit machen wollte. „Den Platz dort haben wir für den Ferencz Nyulasfy aufgehoben. Setzt Euch nur anderswohin! An unserem Tische ist für Euch kein Platz mehr!" Geza Achvala's kleine graue Augen spieen gleichsam Gift und Galle. „Ich soll dem Ferencz Nyulassy weiche«?" rief er brandroth vor Zorn im Gesichte aus. „Wer ist denn dieser Mensch? Ein Pferdehirt, eine-Null, ein Nichts ist er! Und wer seid Ihr? Doch, ich glaube, Ihr scheint nicht zu wissen, mit wem Ihr redet?" Damit stellte sich Geza Achvala au eiu Fenster und trommelte mit zorn- bebenden Fingern an die Fensterscheiben und sah, wie vor der Csarda ein mit vier Rappen bespannter Wagen, dem ein junger, elegant gekleideter Mann entstieg, hielt. „Graf Arpad Achmilin!" riefen einige der in der Wirthsstube Anwesenden. „Aranka, freust du dich nicht über den Besuch des vornehmen jungen Herrn?" „Mir ist jeder Gast gleich lieb nnd werth," bemerkte Aranka etwas spitz. Und den neben ihr stehenden Ferencz mit einem schalkhaften Seitenblick streifend, fügtesieraschhinzu: „Bis auf Einen.' „Bis auf den Grafen Achmilin, dem dn besonders zugethan bist, nicht wahr?" rief Ferencz in leidenschaftlicher Aufwallung aus. „Es läßt sich nicht leugne», daß der Graf recht liebenswürdig ist," sagte lächelnd die kleine Kokette. „Er hat schon manches Mädchenherz bethört. Die arme Cingalya!" rief sie plötzlich hell auflachend aus. „Sie ist vor dem Hause, sie lauert dem Grafen auf. Das arme Ding ist eifersüchtig auf mich." „Ja, du verstehst es aber auch vortrefflich, Eifersucht zu erwecken. Aranka, wenn du in mein Herz blicken könntest —" „Da würd' ich was Schönes sehen! Still! Der Graf hat den Wagen verlassen. Zehn Pfund Wachskerzen will ich unserer lieben Frau vou Szegeud weihen, wenn nicht in diesem Augen blicke Cingalya wie ein Pantherkätzcheu auf den Grafen zugesprungeii ist." Diese Behauptung Aranka's war auch vollkonimen richtig. Kaum daß Graf Achmilin seinen Wagen verlassen, stand auch schon an seiner Seite Cingalya, das schönste Zigeunerkind, das jemals Ungarns unabsehbare Ebenen durchzog. Ein wahres Wundermädchen an sinnberückender Schönheit, reich an Leidenschaft, reich an Liebe und Haß. Graf Achmilin wurde zornroth im Gesichte, als er das in grellfarbene Seide und Sammt gekleidete, mit Goldmünzen förmlich bedeckte, jedoch barfüßig daherlaufende schöne Zigeunerkind erblickte. „Was suchst du hier?" herrschte er sie unter finsterem Blicke an. 51. „Dich, Arpad, suche ich, dich —" „Was willst du von mir?" „Und dn kannst noch fragen? Dich, Arpad, will ich, deine Liebe verlange ich. Weshalb kommst du so oft in diese Csarda? Du liebst die schöne Aranka. Arpad, ich warne dich!" „Was, du kleiner Kobold, dn unterstehst dich, mir zu drohen? Fort aus meinen Augen! Und wage es nie mehr, dich vor mir blicken zu lassen." „Willst du nicht dein Kind sehen?" „Scheer' dich zum Teufel sammt deinem Kinde!" „Es ist dein Kind und ich bin die Mutter deines Kindes. O, wenn ich das geahnt hätte!" rief das schöne Zigeuner- mädchen aus, indem es mit Thränen in den Augen ihre Arme gegen den Himmel emporhob. „Arpad, wie hast du mich verfolgt! Auf deinen Knieen flehtest du um meine Liebe, hundert Male hast dn geschworen, daß du mich ewig lieben wirst nnd jetzt nach wenigen Monden — " „Jetzt ist's eben anders. Geh' mir aus dem Wege!" „Nein, du darfst nicht in dieses Haas hinein!" „Aus dem Wege, sage ich!" „Arpad, ich bitte dich —" „Du kleine giftige Schlange —" „Arpad, sieh mich vor dir auf meinen Knieen liegen —" „Fort, ich verachte dich!" „Ich komme in dein Haus —" „Unterstehe dich! Laßt du dich noch einmal in meinem Schlosse sehen, so hetze ich die Hunde auf dich." „Arpad, was sagst du —?" „Bei Gott, ich schwöre es und diesen Schwur will ich halten. Wenn du dich noch einmal unterstehst in mein Hans zu kommen, so sollen dich meine Hunde zerfleischen." Mit Thränen in den Augen und mit Verzweiflung im Herzen eilte das hübsche Pußtakind dem Dorfe zn, indeß Graf Ächmilin die Csarda der Mutter Wrantoszyi Oetrnt Geza Achvala, der reiche Pferde-

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